Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Kann ich davon ausgehen, dass der Zwischenbericht der Enquetekommission auf Drucksache 5/3728(neu) verfahrensmäßig für erledigt erklärt werden soll? – Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Klage gegen Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken unterstützen, Drucksache 5/3743.
Antrag der Fraktion DIE LINKE: Klage gegen Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken unterstützen – Drucksache 5/3743 –
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind in den vergangenen Wochen Zeuge von Vorgängen in der Bundesrepublik geworden, die es zwar seit Langem in diesem Land gibt, die aber selten so offen und unverhohlen zur Schau gestellt wurden. Die Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke ist ein solcher Vorgang.
Es gab Pressekonferenzen. Diese zu verfolgen, kam ich mir vor, als wäre ich im Londoner Hyde Park. Politik ist,
dass man auch seine Meinung ändert, so der Umweltminister Röttgen. Und mit der Laufzeitverlängerung ist uns ein ganz großer Wurf gelungen, so Bundeswirtschaftsminister Brüderle. Ganz normale Menschen fragen sich inzwischen, wer hier bei uns das Sagen hat, ob es tatsächlich diejenigen sind, die sich zur Wahl stellen und entsprechend der Mehrheit dann im Auftrag des Volkes regieren. Und immer mehr Menschen kommen zu dem Schluss: Nein, die Regierung ist es nicht, es bestimmen die größten und mächtigsten Konzernbosse.
Sie diktieren, die Regierung macht. Das erleben wir mit der Pharmaindustrie im Gesundheitsbereich und aktuell im Energiebereich. Das Viererenergieoligopol hat sich für lange Zeit einen der fettesten Happen mit circa 129 Milliarden Euro zugesichert. Gleichzeitig müssen wir feststellen, wie das Energiekonzept der Bundesregierung zum Kuhhandel verfällt. Da ändern auch Kompensationssteuern nichts, denn dafür wird schon der Finanzminister sorgen, sein perforiertes Haushaltssäckel zu stopfen. Und die Mär von der sogenannten Brückentechnologie hat lediglich populistischen Wert und hält keinem aktuellen Energiewirtschaftsgutachten stand.
Um uns den modernen Energiewirtschaftsanforderungen zu stellen und nicht im Gestern zu verharren, fordern wir, DIE LINKE, die Landesregierung auf, die von zahlreichen Landesregierungen bereits angekündigten Verfassungsklagen gegen die Umgehung des Bundesrates bei der Aushebelung des Atomausstiegsgesetzes von 2002 zu unterstützen.
Es hat uns schon erstaunt, wie schnell der Chef der Staatskanzlei mit der Erklärung parat war: „Wir werden nicht klagen, weil es bekanntermaßen unterschiedliche Auffassungen in der Landesregierung zu dieser Frage gibt.“ Zitatende.
Wir fragen uns besorgt, wie lange die SPD mit ihrem Ministerpräsidenten an der Spitze noch das Filmchen des Förderers der erneuerbaren Energien vor sich hertragen will, ohne tatsächlich etwas zu tun, immer mit dem Verweis auf den Bremser CDU.
Die Kanzlerin hat am vergangenen Montag nicht nur den angeblichen Kompromiss zur Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke verkündet, sondern auch das 9-PunkteEnergie-Konzept der Bundesregierung der Öffentlichkeit im Entwurf präsentiert. Was sie vergessen hat, der Öffentlichkeit zu übergeben, ist das Geheimpapier,
der Atomdeal mit Schutzklauseln für die Atomkonzerne und Haken und Ösen für erneuerbare Energien und die geprellten Stadtwerke, unterschrieben von Bundesregierung und Atomenergiekonzern, das nun glücklicherweise – Herr Liskow, Sie haben recht – nicht mehr geheim ist und ein weiteres bezeichnendes Licht auf diese Bundesregierung wirft.
Frau Merkel hat ihr Energiekonzept als Revolution auf dem Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien bezeichnet. Mit Verlaub, nicht nur ich würde darüber nur lachen, wenn es nicht so traurig und so verheerend für Deutschland wäre.
Der Vertreter des Sachverständigenrates für Umweltfragen, Dr. Hey, hat das Konzept am 9. September auf einer Konferenz in Rostock, bei der es um Potenziale erneuerbarer Energien in Mecklenburg-Vorpommern ging, als Konterrevolution bezeichnet.
(allgemeine Unruhe – Rudolf Borchert, SPD: Das ist ja auch richtig so. – Michael Roolf, FDP: Der ist auch von Rot-Grün.)
Möglicherweise meint Frau Merkel mit „revolutionär“, dass sie nun endlich anerkennt, dass die Energieversorgung auch in Deutschland durch erneuerbare Energien gesichert werden kann. Welch eine Erkenntnis,
Und das kommt gleich hinterher: Wir brauchen dafür angeblich noch Zeit und die muss überbrückt werden mit der eingangs genannten Brückentechnologie Atomkraftwerke.
Die Kanzlerin hat diese Erkenntnis gewonnen auf der Grundlage eines Gutachtens, das von teilweise durch Energiekonzerne finanzierten Instituten erstellt wurde. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Wie konnten denn CDU und FDP die Laufzeitverlängerung bereits in ihren Koalitionsvertrag schreiben, wenn sie angeblich jetzt erst ein Gutachten brauchten, um sich die Notwendigkeit bestätigen zu lassen? Auch schelmisch, meine Damen und Herren!
Erinnern wir uns doch noch einmal daran, wie das war, als das Atomausstiegsgesetz verabschiedet wurde. Was waren eigentlich die Gründe dafür? Die Katastrophe von Tschernobyl, zahlreiche Pannen und kleinere Unfälle
in Atomkraftwerken überall auf der Welt, das ungelöste Problem der Lagerung hoch radioaktiver Abfälle, der immer risikovollere Abbau des radioaktiven Urans, ach, die gesamte nukleare Produktionskette mit ihren verheerenden Wirkungen auf Menschen, Land, Luft und Wasser und die Existenz der zukünftigen Generationen hatte in der Mehrheit der Bevölkerung zur Ablehnung von Atomkraftwerken geführt. Dieses Risiko, meine Damen und Herren, wollten und wollen die Menschen nicht mehr tragen.
Reagiert so eine Volkspartei, wie es die CDU sein will, auf das Selbsterhaltungsverlangen des Volkes?
Die Grünen hatten schmerzlich erfahren müssen, dass der ausgehandelte Vertrag über den schrittweisen Ausstieg den Menschen nicht ausreichte. Sie wollten ein schnelleres Ende. Aus heutiger Sicht ist das Ausstiegsgesetz von 2002 vielleicht nicht gerade ein revolutionärer Akt gewesen, aber ein bedeutender, ein richtiger Schritt in ein anderes, ein risikoloses und sauberes Energiezeitalter war es allemal.
Ihr ganzes Gerede von der sauberen, billigen und umweltfreundlichen Atomenergie können Sie sich sparen, meine Damen und Herren von CDU und FDP. Ein atomarer Unfall, der niemals ausgeschlossen werden kann, hinterlässt Schäden an Menschen und Natur, die nicht einmal ein schmutziges, nicht mal das schmutzigste Kohlekraftwerk verursachen kann.
Schauen Sie zur Asse! Dort lagern 126.000 Fässer mit radioaktiven Abfällen. Sie lagern dort nicht sicher, sie lagern im Wasser.