Protokoll der Sitzung vom 15.09.2010

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Es handelt sich um eine Bundesregierung, die zur Erreichung der klimapolitischen Ziele und zur Sicherstellung von Preisstabilität entschlossen gehandelt hat. Der Antrag wird abgelehnt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP)

Danke, Herr Waldmüller.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Herr Holter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Stellen wir uns einmal vor, wir würden nicht in Mecklenburg-Vorpommern, sondern in der Urkaine oder in Russland leben, so circa 200 Kilometer entfernt von Tschernobyl. Im Sommer gab es in Russland und in der Ukraine Flächenbrände.

(Udo Pastörs, NPD: Das könnte ich mir eher bei Ihnen vorstellen, dass Sie da leben.)

Ja, da habe ich auch gelebt, und sehr gerne.

(Stefan Köster, NPD: Ja, ja, und der Kommunismus hat Tschernobyl verursacht. – Udo Pastörs, NPD: So ist das.)

Neben der Angst vor dem Feuer trat im Sommer die Angst vor der atomaren Verstrahlung auf, ob berechtigt oder nicht berechtigt, ist jetzt nicht die Frage. Wir wollen Sie bloß sensibilisieren, die Diskussion, die wir heute hier führen, nicht zu technokratisch zu führen, sondern auch aus Sicht von Betroffenen zu führen. Und ich glaube, würden wir uns alle dort befinden und Verantwortung dort tragen, würde die Debatte, die hier stattfindet, eine ganz andere sein.

(Stefan Köster, NPD: Dann gäbe es sie nicht, weil Sie nicht da sind.)

Die Schlussfolgerung aus dem Unfall von Tschernobyl kann doch nur eine sein: der schnelle Ausstieg aus der Atomenergie und tatsächlich der Übergang zu einer anderen Energie, über die wir hier schon mehrfach gesprochen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Udo Pastörs, NPD: Das kommt auf den Sicherheitsstandard an.)

Das Land Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

hat mit der Stilllegung und dem Rückbau des Atomkraftwerkes in Lubmin in der Tat eine Vorreiterrolle eingenommen. Die Energiewerke Nord haben eine innovative Technologie für den Rückbau von Atomkraftwerken entwickelt. Sie beweisen Weltniveau. Und ich frage mich, warum wir nicht darüber diskutieren, damit diese Technologie weltweit angewendet wird, um den Ausstieg aus der Atomtechnologie und aus der Nutzung der Atomkraft zu nutzen.

(Beate Schlupp, CDU: Dann müsste die Welt dazu bereit sein. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ja, Herr Timm, Rot-Grün hat den Atomausstieg beschlossen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz beschlossen. Schwarz-Gelb beschließt nun, die Laufzeiten von Atomkraftwerken zu verlängern. Ich halte das für unverantwortlich, für rückwärtsgewandt.

(Egbert Liskow, CDU: In Polen und Schweden. – Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Und Sie blockieren den erforderlichen Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien. Es geht meines Erachtens über eine energiepolitische Frage hinaus.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: So ist das.)

Es geht tatsächlich darum, welches gesellschaftspolitische Konzept wir zukünftig hier verfolgen.

Wir hatten heute Morgen eine Aktuelle Stunde. Da habe ich zumindest von Herrn Timm einige Fragen aus der Zukunft gehört und auch in Ihrer Rede eben, jetzt unabhängig davon, ob Sie sich hier dem Antrag anschließen oder nicht. Inhaltlich stimmen wir da vollkommen überein. Ich bin schon der Überzeugung, dass es immer um eine grundsätzliche Frage der Ausrichtung der menschlichen Gesellschaft geht. Technologien, Herr Roolf, die nicht beherrschbar sind, die auch im Falle eines Unfalles nicht beherrschbar sind, wo die Entsorgung dieser Brennstäbe nicht geklärt ist, denen kann man doch nicht zusprechen und die Laufzeitverlängerung hier auf den Weg bringen. Darum geht es.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und mit großer Verwunderung erfahre ich heute, dass der Bundesumweltminister Röttgen an dem Vertrag, der hier zitiert wurde, nicht beteiligt war.

(Angelika Peters, SPD: Na das ist erstaunlich. – Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Ja, er war nicht beteiligt, weil, so sagt Röttgen im Umweltausschuss des Bundestages, „es in diesem Vertrag nicht um Sicherheitsfragen, sondern um die Abschöpfung von Gewinnen geht“. Ende des Zitats.

(Angelika Peters, SPD: Hört, hört! – Birgit Schwebs, DIE LINKE: Oha!)

Bundesumweltminister Röttgen, ja, er ist nicht in der LINKEN, denn er ist bekannterweise in der CDU.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Auch Herr Lammert, der Präsident des Bundestages, zweifelt an den längeren Laufzeiten. Also wir LINKEN stehen da nicht alleine mit den Grünen und auch mit der SPD,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Natürlich. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

sondern auch in der CDU sind Zweifel an dieser Entscheidung aufgetaucht, und zu Recht, denn es gibt auch durchaus ökologisch bewusste Menschen in der CDU, die diese Entscheidung anzweifeln.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja.)

Und ich glaube, alles das, was Sie hier an Umfragen zitiert haben, widerspiegelt nicht die reale Situation der deutschen Bevölkerung. Es geht mir um eine grundsätzliche Frage, Frau Schlupp. Es geht mir darum, ob die Politik noch das Primat, das Sagen hat. Was hier mit dem Atomdeal passiert ist, ist nichts anderes, als dass die Bundesregierung zur Befehlsempfängerin der Atomlobby degradiert wurde. Das muss man hier mal eindeutig feststellen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Und nicht nur die Regierenden in Berlin sind auf den Platz verwiesen worden, auch die Bundesländer.

Nun mag das rechtlich alles stimmen, was hier zitiert wurde. Aber ich bin der Überzeugung, dass die Landesinteressen Mecklenburg-Vorpommerns unmittelbar betroffen sind. Und das ist unser Ansatz. Weil die Landesinteressen unmittelbar betroffen sind und wir uns Sorgen um die Zukunft und die Gesundheit der Menschen in diesem Land und um die Umwelt natürlich machen, wollen wir, dass das Land sich an der Klage der erwähnten Länder beteiligt und die Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern über den Bundesrat wahrnimmt und damit gegen die Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke stimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Sie müssen sich als Koalition doch mal fragen: Mit der Atomlobby setzt sich Schwarz-Gelb an einen Tisch, mit Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IV-Empfängern, die kaum eine Lobby haben, finden keine Verhandlungen statt darüber,

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

wie hoch der Regelsatz ist oder wie andere Veränderungen erfolgen. Das ist Ihre Politik und Herr Roolf hat das hier heute in einem anderen Zusammenhang schon einmal sehr deutlich gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich bin der Überzeugung, dass es in der Tat darum geht, dass dieser Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomkraft, so, wie er jetzt beschlossen ist, uns als Bundesrepublik Deutschland zurückwerfen wird, dass wir hier in eine Sackgasse geraten und dass diese energiepolitische Sackgasse verbunden ist mit der energiepolitischen Geisterfahrt. Sie handeln zum Schaden der Bevölkerung in Deutschland und Europa, was tatsächlich jeglichen Widerstand verdient in den Parlamenten und auf der Straße.

(Beate Schlupp, CDU: Ja, warum? Werden jetzt noch neue Kernkraftwerke gebaut? Das ist ja wohl der größte Witz, das ist ja wohl der größte Witz, den ich jetzt gehört habe!)

Sie handeln nicht nur zum Schaden der Bevölkerung, Sie lassen auch die kommunalen Stromerzeuger im Regen stehen. Auch darüber ist gesprochen worden.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Es geht immer in unserem Land auch um die Nutzung erneuerbarer Energien.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Die Bürger bezahlen ja alles. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sie bezahlen auch den anderen Schaden.)

Auch bei Atomkraftwerken zahlen die Bürgerinnen und Bürger, Herr Jäger.

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)