Protokoll der Sitzung vom 16.09.2010

(Udo Pastörs, NPD: Stundenlang über ungelegte Eier reden.)

Das Zweite wird das Schulstarterpaket sein, was die Bundesregierung unter der Großen Koalition ja schon eingeführt hat, 100 Euro. Das soll auch weiter beibehalten werden, bloß in zwei Schritten ausgezahlt werden nach ihren Vorstellungen: 70 Prozent zum Schuljahresbeginn, 30 Prozent zum zweiten Halbjahr. Ich könnte mir vorstellen, dass das vernünftig ist.

Das Dritte ist das Mittagessen. Und da diskutieren wir darüber und da gibt es auch Vorschläge aus anderen Ländern, dass wir sagen: Bitte stellt das Geld für das Mittagessen an die Länder zur Verfügung und wir organisieren, dass dann die Kinder das Mittagessen in Kitas und Schulen bekommen. Hier, das muss ich sagen, hat unser Land gegenüber anderen Ländern einen Riesenvorteil, weil wir die Struktur haben. Das ist oft grade das Problem von westdeutschen Ländern, dass sie ja gar nicht die Struktur von Kitas und Schulen haben. Und hier kann ich auch schon gleich ankündigen, das Essenthema, und das weiß Frau von der Leyen auch aus einem Gespräch, das sie mit mir geführt hat, ist für mich das A und O bei den Dingen. Ich möchte wirklich, dass es uns endlich gelingt, dass jedes Kind im Land, egal ob in der Kita oder in der Schule, am Mittagessen teilnehmen kann und der Bund dafür wenigstens für die Hartz-IV-Kinder das Geld zur Verfügung stellt. Das ist unser Hauptziel in diesem Bereich.

(Michael Roolf, FDP: Das ist ein erster Ansatz.)

Und es ist ganz wichtig, denn Sie kennen die Volksinitiative und Sie kennen die dramatischen Zustände, die wir an manchen Schulen haben.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Und da geht es eigentlich nur noch um die Diskussion: Macht man es über die Länder oder macht sie das einzeln von der Arge an die Schule? Das ist halt Technik. Sie hat auch nicht vor, das auf die Karte zu machen. Da, glaube ich, ist sie ein Stück von weggekommen. Das ist für mich ein entscheidendes Kernthema, dass wir diese Mittagessenkiste lösen.

Ich kann es Ihnen auch sagen und vorrechnen: Im jetzigen Regelsatz sind pro Tag für die Essenverpflegung für Kinder 3,11 Euro drin. Und von den 3,11 Euro können sie eben nicht die 2,30 Euro, 2,50 Euro, die man braucht für ein Mittagessen, bezahlen und dann noch das andere. Ich sage, wir brauchen den Regelsatz nicht um 2,50 Euro mal 20 Tage im Monat, also 50 Euro zu erhöhen, sondern wir können diese 50 Euro nehmen und sie über die Länder an Kitas und Schulen für das Essen zur Verfügung stellen. Das ist ein Modell, das, glaube ich, auch hier im Land unstrittig ist. Und dafür setzen wir uns ein.

Und dann gibt es den vierten Punkt. Das habe ich vorhin gesagt, da geht es um die soziokulturelle Teilhabe. Da bin ich sehr dafür, dass wir einen Rechtsanspruch im SGB II formulieren, dass Kinder einen Anspruch auf soziokulturelle Teilhabe haben für Musik, Sport und andere Dinge, und dass der Bund auch eine Summe zur Verfügung stellt und man dann vor Ort schaut. Ich habe es vorhin angesprochen, manchmal haben sie ja schon die Angebote, der Musikunterricht auch von Musikschulen an Kitas, das braucht man nicht neu mit einem Kartensystem, aber manchmal vielleicht auch nicht. Und da könnten sich dann vor Ort die Kommunen überlegen, wie sie das machen. Das kann man gemeinsam bereden.

Das sind so die ersten Überlegungen. Es muss nicht endgültig sein. Aber das sind so die konkreten Themen, die im Gespräch sind.

Und was mir noch wichtig ist: Hinter dieser ganzen Debatte steckt ja – man könnte es sich ja leicht machen und sagen, wie viel brauchen die Kinder, irgendwann kommt die Zahl raus, und dann geht es an Geldleistungen an alle Kinder –, und da kommt ja jetzt die Debatte: Ist es überhaupt so, dass wirklich alles Geld bei Kindern ankommt? Ich finde, dass diese Debatte in Deutschland geführt werden darf, dass wir auch darüber reden müssen. Das trifft aber nicht nur Kinder, die im SGB-II-Bezug leben, das wäre eigentlich auch die Debatte, wenn es ums Kindergeld geht.

Und ja, die überwiegende Zahl der Familien kümmert sich bestens um ihre Kinder. Ich will an dieser Stelle insbesondere für viele Hartz-IV-Empfänger auch die Lanze brechen, denn Sie dürfen nicht vergessen, jeder dritte Euro aus dem Hartz-IV-Bezug geht mittlerweile an Familien, die arbeiten gehen und so wenig verdienen, dass sie nicht mit dem Geld auskommen. Das ist das Hauptproblem in unserem Land, die Niedriglöhne. Und nur wenn wir zu besseren Löhnen kommen, wenn wir zum Mindestlohn kommen, wird sich an dieser Armutsfalle überhaupt etwas ändern.

Deswegen werbe ich sehr dafür, diese sogenannten Aufstocker fühlen sich verletzt, wenn man so tut, weil sie auf diese zusätzlichen Sozialleistungen angewiesen sind, dass sie sich nicht um ihre Kinder kümmern würden. Ich glaube, das wäre sehr ungerecht, so zu tun. Gleichwohl, finde ich, gehört es zur Wahrheit in unserem Land und in Deutschland dazu, dass es Familien gibt, die massive Probleme haben mit der Erziehung der Kinder, wo das Geld, was wir ausgeben für Kinder, nicht bei den Kindern ankommt. Ich finde, darüber muss man auch reden. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, das ist ein schwieriges Thema. Und keine Karte der Welt – und ich sage noch mal, ich bin gar nicht gegen die Karte für Zoo und so weiter – wird da helfen, wo Eltern morgens nicht aufstehen und nicht dafür sorgen, dass ihr Kind in die Kita kommt, nicht dafür sorgen, dass ihr Kind ein Frühstücksbrot hat.

Da haben wir Probleme, wo wir mit guten Hilfen für Erziehung etwas tun müssen, wo die Kommunen auch etwas tun, wo sie mit Familienhelfern drin sind, wo wir mit Schulsozialarbeitern drin sind, wo wir jetzt mit dem KitaGesetz der Großen Koalition hier des Landes mit zusätzlichem Geld an sozialen Brennpunkten auch etwas tun wollen. Das sind für mich die Ansätze, über die Infrastruktur, über Kitas, über Ganztagsschulen.

Frau Schlupp, mit den Eltern bin ich bei Ihnen, keine gute Kita, keine Ganztagsschule – sei sie kostenlos und hat sie die besten Angebote – ersetzt die Eltern. Hier ist auch Familienarbeit notwendig.

Aber über all das haben wir hier schon geredet und da hatten wir schon mal viel, viel mehr Einigkeit. Da muss das Geld rein und da müssen wir investieren, damit wir vor allem den Kindern helfen, wo die Eltern überfordert sind. Denn Kindern, denen es nicht gut geht in unserem Land und die kein Elternhaus haben, wo die Eltern wirklich sorgen, hilft kein Gutschein, keine Chipkarte, denen können nur Menschen helfen, die Zeit für sie haben und Aufmerksamkeit.

Und deswegen werbe ich dafür, dass wir in diese Menschen und in diesen sozialen und Bildungsbereich investieren, in die Kita-Erzieher, in die Lehrer und in die Schulsozialarbeiter. Das ist der richtige Weg, an die Kinder und an die entsprechenden Eltern heranzukommen. Und das sollten wir nicht zerreden, denn diesen Weg geht Mecklenburg-Vorpommern vorbildlicher als andere Länder, unter Rot-Rot, unter der Großen Koalition, egal unter welcher Regierung. Das sollten wir nicht kleinreden, da sollten wir auch keine Rückschritte machen. Den Weg sollten wir weitergehen und dafür setzen wir uns ein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß unserer Geschäftsordnung Paragraf 85 Absatz 1 den Fraktionen, die nicht an der Regierung beteiligt sind, die drei Minuten, die Frau Ministerin Schwesig überzogen hat, zusätzlich als Redezeit zur Verfügung stehen.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Rühs für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der von Ihnen heute gestellte Antrag, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, gliedert sich in zwei Teile, die nur scheinbar etwas miteinander zu tun haben:

Erstens fordern Sie den Landtag auf, sich gegen die Einführung einer Chipkarte im Rahmen der Neugestaltung der Regelsätze im Bereich des SGB II auszusprechen.

Zweitens soll die Landesregierung sich für eine wortgetreue Umsetzung der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung bezüglich der Ermittlung dieser Regelsätze einsetzen.

Schon zum ersten Punkt kann ich Ihre Argumente nicht nachvollziehen. So hat es in Stuttgart bereits sehr positive Erfahrungen mit einer Chipkarte für Kinder gegeben. Dort erhalten alle Kinder eine solche Karte, mit der kulturelle und Bildungsleistungen bezahlt werden können. Ob diese nun von den Eltern privat oder durch die Stadt aufgeladen wird, ist nicht zu erkennen. Ihre Sorge um die Vergrößerung der Diskrepanz von Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft ist nach diesem Modell insofern nicht begründet.

Warum, wie in Ihrem Antrag ausgeführt, der Eindruck „Bildung sei passiv … zu erlangen“ entstehen soll, je nach der Art und Weise der Bezahlung, in bar oder mit Chipkarte, ist mir völlig schleierhaft. Nun fällt aber auf, dass Sie in Ihrem Antrag wohl ganz bewusst zwei verschiedene Punkte der Diskussion vermischen. Sie erwecken nämlich insbesondere im zweiten Absatz Ihres Antrages den Eindruck, dass die wortgetreue Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils über die transpa

rente Ermittlung auch gerade des kinderspezifischen Bedarfs der Regelsätze im SGB II sozusagen durch die Einführung einer Chipkarte ersetzt werden solle. Dem muss ich aber entschieden widersprechen. Natürlich wird im jetzt ablaufenden Prozess der Umsetzung dieses Urteils ganz genau darauf geachtet, dass die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts zur Ermittlung der Regelsätze detailliert umgesetzt werden.

Um es an dieser Stelle noch einmal zu sagen: Das Bundesverfassungsgericht hat nur die Art und Weise der Ermittlung der Sätze, nicht aber deren Höhe an sich kritisiert. Jedenfalls wird auf Bundesebene das Urteil des Verfassungsgerichts exakt umgesetzt, um zu einer verfassungskonformen Ermittlung der Regelsätze und somit auch einer korrekten Höhe zu kommen.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Mit der Art und Weise der Auszahlung, ob durch Chipkarte, Überweisung oder bar, hat dies rein überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Insofern können Sie beruhigt sein, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, die transparente Ermittlung der Regelsätze wird gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auf Bundesebene umgesetzt werden, ob nun mit oder ohne Chipkarte. Dazu bedarf es Ihres Antrags nicht und wir werden ihn ablehnen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Rühs.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Grabow für die Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen!

Ich weiß nicht, manchmal habe ich das Gefühl, Frau Linke, die Reden, die Sie gehalten haben, haben wir schon fünfmal gehört.

(Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Aber nicht verstanden!)

Wir gehen auch fünfmal auf die gleichen Argumente ein und wir werden das heute wieder tun.

(Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Aber das fünfte Mal nicht verstanden, Herr Grabow!)

Und wenn wir gucken, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat – das hat Frau Ministerin ausgeführt und das hat der Kollege vor mir ausgeführt, keine Schätzung ins Blaue haben sie auf Deutsch gesagt. Sie haben gesagt: Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen. Lebenschancen, angemessene Fortschreibung, auch dieses ist gesagt worden. Und dass wir nicht ins Blaue geguckt haben, ich weiß auch gar nicht, wie die letzten Sätze entstanden sind, ob man sich auch so viel Mühe gegeben hat, das ist ja sehr wahrscheinlich. Das Problem, was wir heute haben, das ist ja der Arbeitsschwerpunkt, den uns Rot-Grün hinterlassen hat, woran wir jetzt ein bisschen basteln. Denn wir haben ja die Gesetze damals nicht gemacht und für verfassungswidrig ist es jetzt erklärt worden. Wir waren nicht die Erfinder.

Ich kann Sie beruhigen, am 27.09. will die Ministerin ihre Ergebnisse bekannt geben. Und sie hat in ihrem Ministe

rium – klar, man kann die Kritik äußern, dass die Länder mehr beteiligt werden müssen, dazu kann ich als Mecklenburger sogar sagen: Ja, stimmt, das hätte ich mir vielleicht auch gewünscht. Aber diese interne Expertenkommission existiert. Es ist eine interne Expertenkommission und nicht irgendwelche Leute aus Parteien, sondern es gibt dort eine Expertenkommission, welche diese Zahlen zusammenstellen wird, die auch zu einem Ergebnis kommt.

Und da jetzt wiederholt diese Chipkartensache immer hoch gepuscht wird, sage ich jetzt, das ist doch nur ein Mittel zum Zwecke, um vielleicht zu erreichen, dass die Mittel – und da sind wir uns ja alle einig – direkt beim Kind landen und man vielleicht eine große Flexibilität hervorrufen kann. Ich als Vater würde es zum Beispiel gut finden, wenn ich meiner Tochter so eine Karte gebe. Die würde ich zum großen Teil vielleicht sogar selbst aufladen wollen, um sie zur Eigenständigkeit zu bringen. Insofern weiß ich nicht, warum wir uns jetzt erst einmal so negativ darauf einstellen. Faktum ist: Die Bundesministerin will Geld in die Hand nehmen und zusätzlich etwas tun. Das kann, glaube ich, keiner von uns schlecht finden. Das habe ich auch nicht von Frau Ministerin gehört.

Wir sollten dieser Sache offen gegenübertreten. Wir können uns ja gerne streiten. Wenn die Zahlen auf dem Tisch liegen, dann können wir besser sein und können gucken: Haben Sie falsche Zahlen? Sie müssen es transparent machen. Das wurde alles dieses Mal beschlossen.

Liebe LINKE, Sie hätten heute auf Ihren Antrag verzichten können. Beim nächsten Mal hätten wir ihn eingebracht, dann hätten wir uns wirklich um die Zahlen streiten können, auch wenn das keine Landesangelegenheit ist. Frau Linke, ich weiß nicht, manchmal habe ich den Eindruck gehabt, dass wir Ihren Antrag schon fünfmal hatten. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Lesen Sie ihn doch einfach mal! Lesen Sie ihn doch einfach mal!)

Vielen Dank, Herr Grabow.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!