Protokoll der Sitzung vom 17.09.2010

Danke schön, Herr Baunach.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart worden, ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Herr Schlotmann. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jetzt diskutierte Halbierung der Städtebaufördermittel, und das möchte ich in Erinnerung rufen, ist schon die zweite Kürzungsrunde. Wir haben im Städtebauförderungsprogramm 2010 schon eine 20-prozentige Kürzung, die der Bund vorgenommen hat, hinter uns. Das möchte ich nur noch mal als Hintergrundinformation vorne anstellen.

Meine Damen und Herren, ich könnte jetzt hier nun wirklich in epischer Breite ausführen, die Sinnhaftigkeit der Städtebauförderung im soziologischen Bereich, im gesellschaftlichen allgemein, im demokratietheoretischen Bereich und, und, und. Ich will uns das jetzt eigentlich ersparen. Ich will das etwas kürzer machen.

Fakt ist der, die Kollegin Lück hat es ja auch vorhin dargestellt, das DIW im Übrigen, also keine subversive Organisation oder eine linkslastige Organisation, hat wirklich festgestellt, dass – allerdings ist das eine etwas andere Nuancierung – bis zu 8 Euro durch 1 Euro in der Städtebauförderung ausgelöst werden können, das ist regional unterschiedlich und vom Gewerk unterschiedlich, aber immerhin bis zu 8 Euro weitere öffentliche und private Investitionen.

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Das ist schon eine Menge. Es gibt nach unserer Kenntnis kein anderes Förderprogramm, das eine solche Auswirkung hat und auch in der Vergangenheit hatte.

Meine Damen und Herren, die Menschen vor Ort erleben Städtebauförderung ständig, und zwar kennt das jeder aus seinem Wohnort, aus seinem Wahlkreis. Ich glaube, Sie kennen alle ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die immer wieder mit guten und neuen Projektideen versuchen, über die Städtebauförderung ihren Ort, ihr Gemeinwesen nach vorne zu bringen, und all das wird zurzeit im Grunde genommen zurückgedreht.

Meine Damen und Herren, die Hälfte der Städtebaufördermittel zu streichen, wir haben es ja gehört, von 610 Millionen auf 305, bedeutet weniger wirtschaftliche Entwicklung in den Städten, weniger Aufträge für Bauunternehmen. Und da rede ich nicht von den großen, SRABAG und HOCHTIEF oder wie sie alle heißen, sondern ich rede gerade von den Handwerksunternehmen auch bei uns im Lande und den kleinen Gewerbeunternehmen, die hier Arbeit regenerieren. Das heißt, wir reden hier bei einer Streichung über weniger Arbeitsplätze und mehr Arbeitslose in diesem Bereich, auch das muss man sich vergegenwärtigen.

Wir werden weniger Förderung im Bereich des dringenden sozialen Zusammenhaltes in den großen Wohnsiedlungen haben. Auch das ist unbestritten, gerade in unseren großen Städten. Auch, und das wird ja in der Diskussion häufig so ein bisschen vergessen, reden wir hier bei solch einer Kürzung über weniger Denkmalschutz und weniger gut entwickelte Innenstädte im Land. Betroffen von den Kürzungen wären nicht nur die großen Städte, sondern auch die kleinen, neben Schwerin und

Rostock Städte wie Anklam, Sassnitz, Neubrandenburg. Ich könnte diese Aufzählung noch lange fortführen.

Ein anderer Aspekt in diesem Zusammenhang, und das kann ich uns hier nicht in der Gemeinsamkeit ersparen, der mich doch wirklich mächtig ärgert, ist: In der Wirtschaftskrise sind Konjunkturprogramme aufgelegt worden, die wir umgesetzt haben im Land, die richtig und gut waren. Jetzt aber gleichzeitig diese punktuellen Programme, die sicherlich ihren Sinn gehabt haben, sozusagen zu konterkarieren, indem man die nachhaltigen Programme wie Städtebauförderung dermaßen zurückfährt, das ist ungefähr so, als wenn Sie, Autofahrer können es nachvollziehen, aus dem fünften Gang ohne Überbrückung gleich in den Rückwärtsgang schalten. Ich glaube, das ist kreuzgefährlich mit den entsprechenden Auswirkungen.

Mir war es wichtig, von Anfang an und immer zeitnah das Parlament hier zu informieren und mich dabei gegen die Kürzung einzusetzen. Ich will das in Erinnerung rufen, weil auch so etwas manchmal ganz gerne vergessen wird. Am 10. Juni im Landtag haben wir zur Altschuldenproblematik diskutiert und ich habe Sie damals, ich glaube, emotional etwas aufgepusht, aber ich habe Sie damals über diese uns bekannt gewordenen Vorhaben der Kürzungen informiert. Am 22. Juli haben wir dann mit dem Städte- und Gemeindetag, mit dem Bauverband, der Architekten- und Ingenieurkammer, den norddeutschen Wohnungsunternehmen gemeinsam eine Erklärung verfasst, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Und ich kann Ihnen sagen, auch darauf sollten wir in Mecklenburg und Vorpommern stolz sein. Das Papier ist bundesweit auf vielen Ebenen eingeschlagen, das haben sich viele andere Institutionen und Einrichtungen zum Vorbild genommen und haben sich dem angeschlossen in ihren Schreiben an die Bundesregierung und in ihren Beschlusslagen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Wir haben dann am 03.09. die Sonderbauministerkonferenz in Berlin durchgeführt und auch da ist es gelungen, auf der Basis dessen, was wir hier diskutiert haben, einen gemeinsamen 16:0-Beschluss herbeizuführen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich glaube, das ist ein Punkt, den sollte man immer wieder deutlich auch in der Öffentlichkeit äußern.

Am 10.09. hatte ich alle Bundestagsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern eingeladen. Dabei war auch der Städte- und Gemeindetag, dabei war der Bauverband. Wir haben eine interessante, eine spannende Diskussion geführt. Es waren nicht alle Parteien vertreten, nicht alle Fraktionen aus dem Bundestag. Das hatte aber auch logistische Hintergründe. Nichtsdestotrotz waren Vertreter der Regierungsfraktionen anwesend und wir haben sehr deutlich gemeinsam uns bekundet, dass auch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag die Sorgen und Nöte, die uns mit diesem Beschluss des Bundeskabinetts präsentiert worden sind, ernst nehmen und ihr Bestes daransetzen, sozusagen unsere Position umzusetzen. Ich kann nur sagen, ich wünsche ihnen dabei viel Erfolg und wünsche mir sehnlichst, dass das dann im Ergebnis eine nullprozentige Kürzung bewirkt. Aber wie das dann so in einem Parlament funktioniert, will ich jetzt nicht näher darstellen.

Wir haben am kommenden Donnerstag in Neustadt an der Weinstraße die reguläre Bauministerkonferenz. Deshalb ist es mir so wichtig – dafür bitte ich einfach um Ver

ständnis –, ein weiteres Mandat nicht nur aus der Exekutive zu haben, sondern auch aus der Legislative, um dort deutlich zu dokumentieren, dass dieser Landtag mit einer möglichst breiten Mehrheit die Forderungen des Beschlusses der Bauministerkonferenz mitträgt. Ich halte das für ein wichtiges Instrument in den Auseinandersetzungen, die dort sicherlich zu führen sind. Nebenbei ist es auch wichtig, das ist heute Morgen schon einmal gesagt worden bei der Einbringung der Dringlichkeit, ab heute wird im Verkehrsausschuss, wird im Bundestag genau über das Thema diskutiert werden, und auch da ist es, denke ich, sehr hilfreich, wenn wir hier wieder mal nach vorne gehen. Ich wünsche mir, ich werde das auch so thematisieren, dass auch andere Landesparlamente sich in ähnlicher Richtung positionieren. Das kann alles nur hilfreich sein.

Meine Damen und Herren, es gilt nun, die Kürzungen in den Haushaltsberatungen des Bundestages zu verhindern. Wir haben hier schon gehört, dass sich mittlerweile auch der Minister Ramsauer gegen die Kürzungen ausgesprochen hat. Das heißt also, der Ball liegt jetzt im Feld der Bundestagsabgeordneten, der Regierungsfraktionen. Und im Verkehrs- und Haushaltsausschuss gibt es auch Vertreter aus Mecklenburg-Vorpommern. Auch diesen Hinweis möchte ich mir gestatten.

Was allerdings, und da bitte ich die Kollegen der Union, mir das jetzt nicht krumm zu nehmen, aber diesen Ärger habe ich mit meinen CDU- Bundestagskollegen geteilt in der Beratung, wirklich ärgerlich ist, und das sorgt ein bisschen auch für Politikverdrossenheit, wenn man so was betreibt: Am 7. Juli beschließt Ramsauer im Bundeskabinett diese Kürzungen mit für seinen Einzelplan. Am 02.09. erlebe ich dann live, wir haben es live erlebt, stellt sich ein Staatssekretär aus seinem Hause in Wismar hin und erklärt, dass das ganz schlimme Kürzungen sind und das ist jetzt im Bundestag und Ramsauer stände an unserer Seite, diese Kürzungen zu verhindern. Da fällt mir dann gar nichts mehr ein. Ich hätte dann ein sehr ernstes Gespräch mit meinem Staatssekretär geführt, wenn bei mir so was passieren würde. Aber er hat mir dann glaubhaft versichert, er hat den Auftrag, so aufzutreten.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Guck an!)

Das ist dann schon ein bisschen merkwürdig, aber ich will da jetzt nicht weiter drin rumbohren.

Fakt ist der, die Bauminister – übrigens Bauminister aus SPD, CDU, CSU, FDP und Grüne – haben klar und deutlich mit dem Beschluss der Länderbauministerkonferenz ihre Forderungen gegenüber dem Bund artikuliert, nämlich die vollständige Rücknahme dieser Kürzungen. Auch der Landtag Mecklenburg-Vorpommern sollte, das wäre mein Wunsch, unmissverständlich in seiner Formulierung sein.

Herr Roolf, ich habe es Ihnen angekündigt,

(Michael Roolf, FDP: Jetzt.)

ich tue das hier, ich hoffe, dann auch mit der entsprechenden Wirkung. Herr Roolf muss da und wird hoffentlich ganz dicht an meiner Seite stehen, denn in der Junisitzung im Landtag, als es um Altschulden ging, haben Sie ja ein bisschen bezweifelt oder Ihre Zweifel gehabt, ob das, was ich hier so verkünde, was an Kürzungen auf uns zurollt, dass sie wirklich so seien. Sie haben damals wörtlich gesagt: „Wir sind an Ihrer Seite. Wenn wirklich gekürzt“ wird in dem Maße.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Michael Roolf, FDP: Ja. Ja.)

Es wird also wirklich gekürzt in dem Maße. Herzlich Willkommen an meiner Seite! Es freut mich, dass so was dann auch funktionieren kann.

Meine Damen und Herren, einen Fehler dürfen wir nicht machen und das ist jetzt ganz wichtig, Kollegin Lück, das ist ganz wichtig. Da mögen wir taktisch völlig unterschiedlicher Auffassung sein. Einen Fehler dürfen wir nicht machen, das sagt mir meine Erfahrung mindestens der letzten 20 Jahre. Wir dürfen jetzt nicht davon ausgehen, dass die Kürzungen wirklich kommen

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist kontraproduktiv.)

und jetzt schon Überlegungen, öffentlich erkennbare Überlegungen darüber anstellen: Wenn sie kommen, was machen wir denn dann? Was machen wir mit den Landesmitteln? Wo stecken wir sie rein? Also, es ist kreuzgefährlich, wenn man das macht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Wir verteilen da das Fell des Bären, bevor der Bär erlegt ist.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das weiß ich.)

Ich kenne auch …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sie fragen immer nach Konzepten. Jetzt haben Sie mal ein Konzept, jetzt auf einmal ist es falsch.)

Lieber Kollege Holter, ich habe Ihnen noch nie Konzeptlosigkeit vorgeworfen. Also das ist nicht so.

Deswegen sage ich, vorauseilender Gehorsam, denn so wird das auch verstanden und multipliziert, ist da völlig fehl am Platze. Das sollten wir nicht machen. Ich bin weiter dabei, dass wir vom Bundestag die Kürzungen in voller Höhe zurücknehmen lassen, das fordert auch die Bauministerkonferenz, und dann gibt es keine frei werdenden Landesmittel.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist richtig. Das wollen wir ja auch nicht.)

Das will ich hier so deutlich sagen. Und sollte es anders kommen – und da kennen Sie mich gut genug …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Da bin ich ja mal gespannt, was hier passiert.)

Sie wissen doch noch gar nicht, was ich sagen will, aber das gibt mir die Chance,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ich schau ja Frau Polzin an.)

noch einen Schluck zu nehmen.

(Zuruf von Norbert Baunach, SPD)

Sollte es so kommen, müssen wir darüber reden, und Sie wissen, wenn ich das sage, dann stehe ich auch dazu. Dann müssen wir gemeinsam darüber reden und wir werden darüber reden. Ich habe das im Übrigen auch im Bauausschuss in der vergangenen Woche so angekündigt. Wir werden dann reden.

Ich möchte auch noch mal zu den beiden Punkten CO2Gebäudesanierungsprogramm und Heizkostenzuschlag etwas sagen. Auch da sind wir absolut 100 Prozent

d’accord. Das sehe ich so. Aber auch da sagt mir meine Erfahrung, ich kann jetzt dieses Thema Städtebauförderung – das ist das Kurzfristige, was wir jetzt sozusagen ausfechten müssen, um mal so einen Begriff zu benutzen –, diesen Wagen, den zu ziehen, schon schwer genug ist, würde ich nicht zusätzlich noch mit diesen Forderungen belasten. Ich will gerne im Ausschuss darüber informieren, wie ich mir die Strategie vorstelle, wie wir das Thema in Angriff nehmen, ebenfalls im Rahmen der Haushaltsberatung des Bundes, weil da sozusagen die Weiche gestellt wird. Das halte ich für wichtig. Aber ich würde das jetzt in dem Zusammenhang erst einmal nicht hineinpacken, denn wenn ich da jetzt mit einer ganz langen Liste komme, was ich alles fordere oder was zurückgenommen wird, widerspreche ich meiner eigenen Position oder der des Landes in der Diskussion.

Meine Damen und Herren, ich würde aus gegebenem Anlass etwas zum Thema Solidarpakt sagen wollen. Solidarpakt, das ist mit eine meiner Argumentationen, Solidarpakt Korb 2. Da habe ich vielleicht auch etwas holzschnittartig, wie man so neudeutsch gerne sagt, gesagt, ich betrachte diese Kürzung im Zusammenhang mit dem Solidarpakt Korb 2 als Vertragsbruch des Bundes gegenüber den Ländern. Ich will das jetzt noch mal ganz kurz darstellen, wie wir das sehen. Dass man das politisch unterschiedlich sehen kann, ist mir schon klar. Dass Juristen etwas unterschiedlich bewerten können, wissen wir alle. Das braucht man, glaube ich, nicht zu vertiefen. Aber ich will einfach noch mal unsere Position und unsere Argumentation hier darstellen, das Thema Solidarpaktzusagen. Aufgrund der Tatsache, dass wir einen infrastrukturellen Nachholbedarf und unzureichende Finanzkraft in den neuen Ländern und deren Kommunen haben, wurden in dem Solidarpakt Korb 2 überproportionale Bundesfinanzhilfen für ausgewählte Politikfelder bis zum Jahr 2019 zugesichert. Ich will jetzt die Summen im Einzelnen nicht nennen, das verkompliziert.