Protokoll der Sitzung vom 14.10.2010

Bei ersten polizeilichen Vernehmungen soll sich der 26-Jährige bereits geständig gezeigt haben. Der Mann wurde bereits wegen zwei Sexualdelikten verurteilt, zuletzt am 20. Juli 2006 vom Amtsgericht Pasewalk zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

Nicht einmal zwei Jahre später wurde er am 1. August 2008 unter Auflagen entlassen und unter Führungsaufsicht gestellt. Eine Auflage bestand darin, sich binnen einer Woche bei der für seinen Wohnort zuständigen Führungsaufsichtsstelle zu melden. Außerdem wurde er seit Mai 2010 im neuartigen Überwachungs- und Kontrollsystem FoKuS – Für optimierte Kontrolle und Sicherheit – aufgenommen.

Es stellt sich die Frage, warum die Neustrelitzer Polizeidienststelle trotz FoKuS ungenügend informiert war, wo der rückfallgefährdete Sexualstraftäter in ihrem Bereich wohnhaft gemeldet ist, mit wem er sich trifft, wo er arbeitet, ob er Umgang mit Kindern und Jugendlichen unterhält. Mit FoKuS sollte doch eigentlich eine wirksame Kontrolle über solch ein Subjekt mithilfe von Bewährungshelfern, Polizei und Staatsanwaltschaft erfolgen.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Auch unterstand der vorbestrafte Triebtäter der Auflage, in keinen Kontakt mit Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren zu treten und sich von Kinderspielplätzen, Kindergärten und Schulen und anderen Kindereinrichtungen fernzuhalten.

(Udo Pastörs, NPD: Naiv!)

Dennoch konnte er angeblich unbemerkt eine Wohnung in der Nähe einer Tagesmutter beziehen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Mit diesen Versäumnissen konfrontiert, äußerte sich das Ministerium in einer unverschämten Art und Weise, die nicht nur die Opfer des Neustrelitzer Kinderschänders, sondern auch das Informationsbedürfnis der Allgemeinheit verhöhnen. Der stellvertretende Pressesprecher des Ministeriums antwortet zum Vorwurf mangelnder Überwachung, dass eine Tagesmutter nicht als Kindertageseinrichtung angesehen werde.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Des Weiteren gäbe es keine Anhaltspunkte für Versäumnisse.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Der Vizelandesvorsitzende der Opferorganisation Weißer Ring zeigte sich zu Recht empört und sprach von einer Ohrfeige für Kind und Eltern.

Doch nicht nur die taktlosen und selbstgefälligen Stellungnahmen des Ministeriums werfen Fragen auf, die im öffentlichen Interesse stehen. Eine kleine Anfrage der NPD ergab, dass der Neustrelitzer Kinderschänder erst ab Juli 2010 unter Führungsaufsicht gestellt wurde, obwohl er bereits 2008 aus der Haft entlassen wurde.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich zitiere aus der Kleinen Anfrage: „Wie lautete die Kriminalprognose des in der Vorbemerkung benannten Sexualstraftäters zur Zeit seiner Haftentlassung?“ Darauf antwortete die Landesregierung, Zitat: „Für den Verurteilten konnte keine positive Kriminalprognose erstellt werden. Daher hat das Amtsgericht Neustrelitz mit Beschluss vom 15. Juli 2010 Führungsaufsicht für die Dauer von vier Jahren angeordnet.“ Zitatende.

Diese Unklarheiten müssen unverzüglich ausgeräumt werden. Auch wenn die Jahreszahl des Amtsgerichtsbeschlusses in der Antwort vermeintlich durch ein Büroversehen falsch angegeben worden ist, bleiben noch viele Fragen offen, zum Beispiel, warum der rückfallgefährdete Mann unbehelligt in der Kleinstadt leben konnte, ohne dass Anwohner etwas von der Anwesenheit eines rückfallgefährdeten Sexualstraftäters in der Stadt wussten. In der Stadt war das nicht bekannt, hieß es aus der Stadtvertretersitzung.

Ein Landrat in Nordrhein-Westfalen lässt es beispielsweise gar nicht erst dazu kommen und lässt Bürger vor tickenden Zeitbomben in der Nachbarschaft warnen. Bewusst wurde der Schutz der Bevölkerung vor die Persönlichkeitsrechte von Sexualstraftätern gestellt,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Na bitte, es geht doch.)

als von der Polizei angeordnet wurde, im rheinischen Kreis Heinsberg die Bürger vor einem Kinderschänder zu warnen. Die Staatsanwaltschaft schätzte dort den Mann

als rückfallgefährdet ein, der sich nach 14 Jahren Haft in dem Kreis niederließ. Er wurde wegen grausamen Vergewaltigungen von zwei 14- und 15-jährigen Mädchen verurteilt, nachdem er bereits in den 80er-Jahren wegen Sexualdelikten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden ist. Dankbar und mit Respekt haben die Heinsberger die Warnung aufgenommen.

Nicht so in Mecklenburg-Vorpommern,

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

wo betroffene Bürger bewusst in Unkenntnis gelassen werden und sich die verantwortlichen Politiker in Verharmlosungen und in Ausflüchten üben.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Ja, ja.)

Lapidar äußerte das Ministerium diesbezüglich, dass die Bevölkerung auch nicht gewarnt werden würde,

(Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Raimund Frank Borrmann, NPD)

wenn sich straffällig gewordene Touristen zeitweise in der Nachbarschaft aufhalten.

(Udo Pastörs, NPD: Tolle Logik!)

Wer solch eine uneinsichtige Informationspolitik betreibt, von dem kann auch nicht erwartet werden, Fehler im System FoKuS einzugestehen. Es ist somit nicht nur Aufgabe einer Opposition, sondern vielmehr im Namen der Opfer und einer besorgten Öffentlichkeit ihre Verpflichtung, die Effizienz der Regierungsarbeit kritisch zu hinterfragen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Im Gegensatz zu beschwichtigenden Beteuerungen aus dem Justizministerium hat nämlich in den Augen vieler Bürger die FoKuS-Überwachungspraxis bei Rückfalltätern in Neustrelitz sehr wohl versagt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Dr. Born. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erforderlich, auf den Antrag einzugehen. Nicht wegen der hier anwesenden Abgeordneten,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Wegen der Abwesenden vielleicht. Wo sind die denn?)

sondern damit diese Verdrehungen, die wir eben wieder erlebt haben, hier nicht unwidersprochen stehen bleiben und so in die Öffentlichkeit transportiert werden.

(Stefan Köster, NPD: Seien Sie mal vorsichtig, die Opfer hören zu! – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Es ist schon sehr beeindruckend, dass ausgerechnet die Fraktion, die ein ganz besonders enges Verhältnis zum Strafrecht hat,

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP)

sich hier aufschwingt, der Bevölkerung einreden zu wollen,

(Zu ruf von Heinz Müller, SPD)

man müsse sie in einer ganz besonderen Weise vor einer Politik schützen, die gerade darauf ausgerichtet ist, gefährliche Straftäter, auch Rechtsextreme, ihrer gerechten Strafe zuzuführen und zu verhindern, dass es zu weiteren Straftaten kommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Antrag, um es vorwegzusagen, wird nicht eine einzige Straftat verhindert. Ganz im Gegenteil, würde man diesen Unfug beschließen, dann würden nur sinnvolle Maßnahmen, die die Landesregierung ergriffen hat, blockiert.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Raimund Frank Borrmann, NPD: Ja, welche hat sie denn ergriffen?)

Und um das den Kolleginnen und Kollegen einmal deutlich zu machen,

(Stefan Köster, NPD: Die Landesregierung schützt doch die Täter. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist doch Blödsinn! – Stefan Köster, NPD: Das ist aber leider die Wahrheit.)

die nicht im Europa- und Rechtsausschuss die Gelegenheit hatten, sich das im Einzelnen anzuhören, werde ich jetzt noch mal chronologisch darstellen,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Es ist doch nicht verboten, das zu veröffentlichen. Das ist doch nicht alles geheim, wie in euren Geheimzirkeln.)