Protokoll der Sitzung vom 14.10.2010

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Das ist weniger als Hartz IV.)

und ich wiederhole es gern noch einmal, bei einer 24-Stunden-Rufbereitschaft und hoher Verantwortung für Leib und Leben. Die Situation der Hebammen und Entbindungspfleger hat sich durch die gestiegene Prämie und eine nur minimale Erhöhung der Entgelte drastisch verschlechtert. Die Arbeit ist schlichtweg unwirtschaftlich geworden.

Schauen wir uns noch einmal die vergangenen Jahre an: Im Jahr 1992 betrug die Versicherungsprämie überschaubare 179 DM im Jahr, im Jahr 2007 lag die Prämie bereits bei 1.218 Euro. Das ist ein Drittel der heutigen Versicherungsprämie. 2009 stieg sie weiter auf 2.370 Euro an und heute liegt sie wie gesagt bei 3.689 Euro. Und es ist nicht auszuschließen, dass diese Prämie weiter steigen wird, wenn die Politik nicht reagiert.

Die Vergütung für Hebammen ist grundsätzlich zu gering. Zwar wurde im Schiedsverfahren zwischen den Hebammenverbänden und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen im Juli 2010 eine Erhöhung der Entgelte beschlossen, diese sind mit 100 Euro für eine außerklinische und 8 Euro für eine klinische Geburt jedoch viel zu gering ausgefallen. Außerdem wurde von verschiedenen Seiten angezweifelt, dass die Verhandlungen zwischen den Hebammenverbänden und den Krankenkassen chancengleich verlaufen sind.

Was angesichts der aktuellen Entwicklung droht, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind drastische Einschnitte in der wohnortnahen Versorgung mit Hebammenleistungen, vor allem im Bereich der Geburtshilfe, sowie ein Rückgang der individuellen Betreuungsmöglichkeiten. Besonders in den ländlichen Regionen, und das sind fast alle Regionen in Mecklenburg-Vorpommern, ist es für werdende Mütter heute schon schwierig, geeignete Hilfe bei der Geburt zu finden. Diese Situation wird sich weiter verschärfen, wenn Politik nicht eingreift.

Durch Konkurrenz zur Abnahme des Angebots und der Qualität in der Hebammen- und Geburtshilfe steigt die Gefahr für Mutter und Kind, Schäden davonzutragen. Mit der Standortvariante Klinikgeburt wird es weniger Auswahlmöglichkeiten an alternativen Geburtsformen geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat lange keinen Handlungsbedarf gesehen. Sie verwies auf das in ihren Augen gut geregelte Verfahren zur Bestimmung der Entgelte zwischen den Hebam

menverbänden und dem GKV Spitzenverband und verließ sich auf das Schiedsverfahren zur Entgelterhöhung, das so gut wie nichts gebracht hat. Jetzt muss sie sich unter anderem mit einem Antrag der LINKEN zur Sicherstellung der Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger beschäftigen, der im Juni 2010 von meiner Bundestagsfraktion eingebracht und im Bundestag in die Ausschüsse überwiesen wurde. Die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister sowie Senatorinnen und Senatoren der Länder haben das Problem der drastisch gestiegenen Berufshaftpflichtprämie auf ihrer 83. Konferenz im Juli 2010 thematisiert und beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern und Lösungsmöglichkeiten zu prüfen, und das ist gut so.

Wir wollen mit unserem Antrag und möglichst fraktionsübergreifend hier in diesem Landtag erreichen, dass wir dieser Positionierung der Gesundheitsministerkonferenz unsere Unterstützung geben, und zwar als alle demokratischen Fraktionen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nichts anderes sagt unser Antrag aus, Herr Ritter.)

Aber ich merke, dass eine solche Lösung hier im Hohen Hause nicht angestrebt wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Harry Glawe, CDU: Sie können unserem Antrag ja zustimmen.)

Wie wäre es denn, lieber Kollege Glawe, wenn die Koalitionsfraktionen einmal über ihren bornierten Schatten springen würden

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Danke, Herr Ritter! Danke, Herr Ritter!)

und einem inhaltlich gut vorbereiteten Antrag der Oppositionsfraktion zustimmen würden?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau das Ziel, was Sie hier verfolgen, verfolgen wir auch, Herr Ritter.)

Das wäre eine Herangehensweise! Das, was Sie hier zelebrieren, das wird dem Anliegen …

Herr Abgeordneter Ritter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

… der Hebammen und Entbindungspfleger im Land in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erste hat ums Wort gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hebammen gehören vielleicht zu einer kleinen Berufsgruppe in unserem Land, aber eben zu einer sehr, sehr wichtigen Berufsgruppe.

Die Hebammen in unserem Land, aber nicht nur in unserem Bundesland, sondern deutschlandweit, haben ein Problem, ein Problem, mit dem sich in den vergange

nen Wochen viele Menschen, vor allem die Gesundheitsminister der Länder, ihre Konferenzen, die Landtage, aber auch verschiedene Parteien beschäftigt haben. In nicht einmal zwei Wochen haben 90.000 Menschen eine Onlinepetition an den Deutschen Bundestag unterzeichnet, in der Unterstützung für die Geburtshelferinnen gefordert wird. Und die Hebammen unseres Landes haben, bevor die Debatte hier war, vorhin eine Mahnwache gemacht hier vor dem Schloss und haben berichtet, dass insgesamt jetzt schon 186.000 Unterstützungen da sind.

Das zeigt einfach, wie wichtig den Menschen auch die Hebammen sind. Ich denke, alle Mütter und Väter können sich daran erinnern, ich kann es jedenfalls für mich persönlich sagen, dass in der Zeit der Schwangerschaft, der Geburt, aber auch in der Zeit danach die Hebamme eigentlich die wichtigste Person ist neben dem Partner und dem frisch geborenen Kind, die man braucht, um wirklich alle Fragen, die rund um die Geburt des Kindes sind, beantwortet zu bekommen.

Diese Unterstützung ist natürlich wichtig und ich glaube, dass sich aus dieser großen Unterstützung der Bürger für die Situation der Hebammen, die sich bei dieser Petition zeigt, eben auch eine Riesenwertschätzung für diese Berufsgruppe zeigt. Und diese Wertschätzung, das entnehme ich so auch der Debatte der demokratischen Fraktionen, diese Wertschätzung haben diese Hebammen verdient.

Was ist aber nun Anlass für die Aktion? Anlass sind die drastisch gestiegenen Prämien für die Berufshaftpflichtversicherung der freiberuflichen Hebammen, die in der Geburtshilfe tätig sind. Das sind etwa 4.000 der rund 17.000 im Deutschen Hebammenverband organisierten Hebammen. Und zum 1. Juli wurde die Prämie um über 1.300 Euro auf knapp 3.700 Euro angehoben. Gegenüber 2007, als die Versicherung noch 1.200 Euro kostete, was auch schon eine stolze Summe ist, also 100 Euro im Monat, bedeutet das eine Steigerung um 200 Prozent. Demgegenüber liegt das zu versteuernde Einkommen nach Angaben des Verbandes im Schnitt nur bei 1.200 Euro im Monat, was einem Stundenlohn von 7,50 Euro netto entspricht, also eigentlich weit unter dem, was eigentlich die Hebammen auch verdient haben. Immerhin sprechen wir hier darüber, dass es darum geht, zu unterstützen, dass Leben zur Welt kommt, Leben, das das Licht der Welt erblickt.

Befürchtet wird, und das ist auch Tatsache, dass natürlich durch den Prämienanstieg es teilweise Hebammen nicht mehr möglich sein wird, überhaupt tätig zu sein, freiberuflich tätig zu sein, und sie deshalb gezwungen sind, aus der Geburtshilfe vor allem auszusteigen und sich dann vielleicht nur der Vor- und Nachbereitung zu widmen, die aber wiederum auch nicht ausreicht, um überhaupt existieren zu können, wenn wir daran denken, dass wir doch über so ein kleines schmales Budget sprechen.

Nach dem letzten Prämienanstieg gaben laut Verband zehn Prozent der Hebammen die aktive Geburtshilfe auf. „Mit der Steigerung der Haftpflichtprämie … ist absehbar, dass sich die verbleibenden Hebammen aus dem Kernbereich ihres Berufes zurückziehen“, wird in der Petition gewarnt.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, gesundheitspolitisch ist mir die Arbeit der Hebammen sehr wichtig und deshalb nehme ich natürlich als Landesmi

nisterin genauso wie Sie dieses Problem sehr ernst. Und ich denke, wir sind uns alle darüber einig, dass die Hebammen bei ihren Bemühungen um eine wohnortnahe Versorgung der Schwangeren und Wöchnerinnen unterstützt werden müssen und dass es natürlich ein besonderes Thema ist in einem Flächenland wie MecklenburgVorpommern.

Und so haben die Länder in großer Einigkeit – 16:0 –, auch auf Initiative von Mecklenburg-Vorpommern, sofort nach dem Bekanntwerden dieses Problems im Juli auf der letzten Gesundheitsministerkonferenz den Beschluss gefasst, die Bundesregierung aufzufordern, weitere Lösungsmöglichkeiten zu prüfen und anzugehen.

In diesem Zusammenhang unterstütze ich die Forderung der Hebammen, einen runden Tisch auf Bundesebene unter Beteiligung der betroffenen Ministerien und der Hebammenverbände einzurichten, um zu erörtern, was gesetzgeberisch machbar ist. Ich halte diesen runden Tisch deshalb für wichtig, weil dann alle weiteren Probleme diskutiert werden könnten, wie zum Beispiel die Definition von Hebammenhilfe und gegebenenfalls die Festlegung des Umfangs im SGB V sowie die Durchführung einer Studie zur Verbesserung der Datenlage von Hebammenleistungen, also viele Dinge, die wir klären müssen.

Insofern begrüße ich auch, dass beabsichtigt ist, durch die SPD-Bundestagsfraktion einen Antrag in den Bundestag einzubringen, dass auch im Zusammenhang mit der Schaffung eines modernen Patientenrechtegesetzes neben dem Haftungsrecht für Ärzte auch das Haftungsrecht für alle Gesundheitsfachberufe erörtert werden soll, denn das Problem, was wir aktuell durch die Hebammen auf dem Tisch haben, betrifft auch mehrere. Deswegen müssen wir hier Gesamtlösungen finden. Und die Bundesregierung ist aufgefordert, hier Lösungsvorschläge zu präsentieren.

Ich habe ehrlich gesagt kein Verständnis dafür, dass jegliche Lobby immer sofort beim Bundesgesundheitsministerium reingelassen wird, seien es Pharmakonzerne und andere, und dieser runde Tisch, wo man einfach erst einmal nur die Hebammenverbände und die Ministerien an einen Tisch setzt, um die Probleme auf den Tisch zu packen und nach Lösungen zu suchen, dass dieser runde Tisch bis heute nicht eingerichtet wurde.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Wir haben mittlerweile sieben Hebammen, die Hausgeburten gemacht haben und das aufgeben mussten.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Wir sind, Herr Marc Reinhardt, sofort in Kontakt gegangen mit den Landeshebammenverbänden und der Abgeordnete Herr Vincent Kokert hat mit mir übrigens, Herr Ritter, am Rande der letzten Landtagssitzung schon darüber gesprochen,

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

was wir noch tun können.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, weiß ich doch.)

Und wir sind uns einig in diesen Lösungsvorschlägen und haben am Rande der letzten Landtagssitzung vereinbart, dass es gut ist, wenn die Regierungsfraktionen einen entsprechenden Antrag auf den Weg bringen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das würde ich jetzt auch sagen.)

Ich finde natürlich auch gut, wenn die Oppositionsfraktionen dieses Anliegen unterstützen. Ich finde, es sollte an der Stelle wirklich um die Sache gehen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ha, ha! Das haben wir ja versucht. Das wissen Sie. Das haben wir ja wohl versucht, ja?!)

und nicht darum, wer sagt was und wer war als Erster da.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Und Sie wissen auch, woran es gescheitert ist. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Und deswegen, Herr Reinhardt, das Thema muss über bundesgesetzliche Regelungen angesprochen und gelöst werden. Ich habe das SGB V angesprochen. Das kann nicht die Landesministerin alleine. Was die Landesregierung kann, ist, diesen Prozess sozusagen antexten, anschieben. Das haben wir sofort getan im Juli. Da war auch der Landeshebammenverband Mecklenburg-Vorpommern sogar auf der Gesundheitsministerkonferenz in Hannover da und alle 16 Länder sind sich einig, also auch parteiübergreifend, ich will es nur noch mal sagen. Deswegen würde ich mir auch wünschen, dass es hier gar nicht deswegen so ein Hickhack gibt, dass wir diese Wege brauchen.