Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

Ich gebe Ihnen auch recht, dass man rechtzeitig handeln muss. Aber Fakt ist eins, dass der Innenminister dieses Landes in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundesrates auf die Tagesordnung gesetzt hat, dass der Bundesverteidigungsminister am 1. September entsprechend berichtet. Das ist eine Aktivität, die er gestartet hat, die sich nicht wegdiskutieren lässt. Und das führt dazu, dass man sich einbringt in den Prozess. Das kann man kommentieren, wie man will. Man thematisiert das, und das hat er getan.

Und dann wollen wir mal die zeitliche Schiene doch auch noch etwas weiter durchleuchten. Wenn nämlich der Bundesverteidigungsminister die Strukturkommission, die dort eingesetzt wurde, den Bericht dieser Strukturkommission am 26. Oktober erhält – und Sie werden mir recht geben, das ist noch nicht allzu lange her – und es festgeschrieben ist, und das steht übrigens auch im Koalitionsvertrag, dass es festgeschrieben ist, dass bis Ende des Jahres diese Vorschläge erfolgen, jetzt der Bundesverteidigungsminister bis Mitte Januar in seinem Hause eine Auswertung vornehmen wird und dann, auch das müssten Sie wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der FDP, dass dann bis Mitte 2011 das sogenannte Stationierungskonzept vorgelegt wird – ich sage noch mal, bis Mitte 2011 –, dann ist es schon handwerklich etwas schwach, wenn Sie dann auch in diesem Antrag auffordern, uns konkret hier bis Ende des ersten Quartals 2011 Ergebnisse vorzulegen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da geht’s doch gar nicht um die Sache.)

Also der Prozess ist so angelegt, wie er angelegt ist. Ich habe das eben gesagt. Bis Mitte des Jahres 2011 wird es konzeptionell hinsichtlich der Standorte dann Ergebnisse geben. Das heißt aber auch nicht, dass man nichts tun soll. Da gebe ich Ihnen auch recht.

Und ich will das noch mal unterstützen, was auch der Ministerpräsident gesagt hat, weil es vielleicht doch etwas untergegangen ist und auch nicht so bekannt ist, dass nämlich die Landesregierung in der Sitzung am 9. Juli 2010 – und das ist wesentlich, das zeigt nämlich, dass diese Landesregierung handelt – im Bundesrat, 873. Sitzung, ich sage das so deutlich, weil auch das muss ich Ihnen vorwerfen bei Ihren Anträgen, die sind handwerklich manchmal doch relativ schwach, das sollten Sie wissen, dass wir als Mecklenburg-Vorpommern über unsere Landesregierung zusammen mit Baden- Württemberg, Hessen und Sachsen auf unsere Initiative hin eine entsprechende Entschließung eingebracht haben. Und ich will die auch an dieser Stelle gerne mal vorlesen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

„Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Länder im Rahmen der anstehenden Strukturveränderungen bei der Bundeswehr – beginnend mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 – angemessen und frühzeitig zu beteiligen, um zu einem Konzept zu gelangen, das auch die Interessen der Länder hinreichend berücksichtigt.

Dies gilt insbesondere hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf

die Standorte der Bundeswehr;

die zivil-militärische Zusammenarbeit und die Erhaltung der Einsatzfähigkeit des Zivil- und Katastrophenschutzes …“

Hier sehen Sie schon sehr deutlich, dass diese Landesregierung einen Schritt weiter geht, über das hinaus, was Sie gesagt haben, außer Standorte und Arbeitsplätze.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Also auch das Thema Zivil- und Katastrophenschutz wird hier berührt sowie der gesamte soziale Sektor wie der Zivildienst et cetera, Jugendfreiwilligendienste und so weiter. Das wurde eingebracht, das wurde beschlossen durch den Bundesrat. Ich kann Ihnen jetzt nicht das Abstimmungsergebnis sagen, aber Sie können ja davon ausgehen, dass es parteiübergreifend ist.

Was will ich damit dokumentieren? Dass durch die Initiative von Mecklenburg-Vorpommern hier gewährleistet ist, dass eine Beteiligung der Länder rechtzeitig vonstatten geht. Und ich glaube, das ist eine Sache, die sollte man hier nicht verschweigen und die kann man in dem Sinne nur würdigen.

Und insofern will ich nur noch mal an das gesamte Haus hier appellieren. Lassen Sie uns alle gemeinsam an dem Ziel arbeiten, möglichst viel hinsichtlich der Standorte für Mecklenburg-Vorpommern herauszuholen!

Abschließend will ich für die CDU sagen, wir haben immer eine klare Position zur Bundeswehr gehabt. Wir haben sie auch heute. Wir werden sie auch in der Zukunft haben, wir werden das auch im Landtagswahlkampf 2011 deutlich machen

(Udo Pastörs, NPD: Eine klare Position in Bezug auf die Wehrpflicht. Das ist ja wohl ein Witz!)

und dazu benötigen wir diesen Antrag nicht. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Renz.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich meine Rede mit einigen Fragestellungen beginne.

1. Ist es so, dass Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit Grundrechte sind? Es ist so!

Warum stellt die FDP dann in ihrer Antragsbegründung voller Entrüstung fest, dass führende Vertreter der LINKEN in Mecklenburg-Vorpommern sogar zur Teilnahme an Protesten gegen den Großen Zapfenstreich in Rostock aufgerufen haben?

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Diese Grundrechtspartei!)

Hätten sie es nach Auffassung der Liberalen etwa nicht tun dürfen? Konteradmiral Horst-Dieter Kolletschke übrigens sieht es mit den Protesten gegen den Großen Zapfenstreich gelassener als die FDP-Fraktion. Er sagt, ich zitiere: „Das ist legitim. Es ist eine gute demokratische Tradition, dass sich jeder frei äußern kann“, Zitatende, nachzulesen in der „Ostsee-Zeitung“ vom 21.10.2010.

2. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es so, dass die Empfehlungen der sogenannten Weise-Kommission für das Bundesverteidigungsministerium wichtigste Grundlage für die Bundeswehrstrukturreform sind? Es ist so!

3. Ist es so, dass das Bundesverteidigungsministerium Bestandteil der Bundesregierung ist, die CDU und FDP gemeinsam bilden? Es ist so!

4. Ist es so, dass die Verkürzung beziehungsweise Aussetzung der Wehrpflicht, die auch von der FDP auf Bundesebene gefordert und durchgesetzt wurde, wesentlicher Bestandteil dieser Bundeswehrstrukturreform ist? Es ist so!

5. Ist es so, dass bei bislang jeder Bundeswehrstrukturreform – und wir haben damit ja Erfahrungen gesammelt in unserem Land – Standorte der Bundeswehr infrage gestellt wurden und dabei die Interessen der Bundesländer nie Entscheidungsgrundlage waren, sondern militärstrategische Aspekte? Es ist so!

Und weil das alles so ist, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen der FDP-Fraktion, stellt sich schon die Frage, warum die FDP auf Bundesebene all dies mitträgt, zum Teil selbst initiiert, und die FDP hier im Landtag erklärt: So geht es aber nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Genau.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie kritisieren in Ihrer Antragsbegründung, dass es widersprüchliche Aussagen führender Vertreter auf landespolitischer Ebene zum Thema Bundeswehr gäbe. Nun, auch das ist so. Auch von meiner Fraktion wird dies kritisiert, weil Reden und Handeln bei den Koalitionären in dieser Frage doch sehr weit auseinanderliegen.

Ihr Agieren aber, Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen der FDP-Fraktion, steht dem widersprüchlichen Agieren der führenden Vertreter auf landespolitischer Ebene oder besser gesagt auf Koalitionsebene in nichts nach. Sie wollen ein Bekenntnis zur Bundeswehr und verweisen auf verfassungsrechtliche Grundlagen. Der Verfassungsauftrag lautet, ich zitiere: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Zitatende. Von internationaler Konfliktverhütung oder dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus – wie in Ihrem Antrag zu lesen – ist im Grundgesetz nichts zu lesen. So weit zum Verfassungsauftrag.

Das sogenannte Weise-Konzept zur Strukturreform der Bundeswehr spricht da schon eine deutlichere Sprache. Und dieses Konzept ist die Grundlage für die sachliche Entscheidung der Bundesregierung hinsichtlich der Bundeswehrstrukturreform. Da können Sie sich zur Bundeswehr in Mecklenburg-Vorpommern so viel bekennen, wie Sie wollen, das wird in Berlin niemanden interessieren, weil in dieser Konzeption die Grundlagen für die Bundeswehrstrukturreform gelegt sind. Und das wird bereits in der Überschrift dieser Konzeption deutlich, in der es heißt: „Vom Einsatz her denken“.

Zentrale Konsequenz ist die Forderung nach Verdoppelung der Zahl der – wie es heißt –„durchhaltefähigen“ Soldaten im Einsatz auf 15.000, also der Soldatinnen und Soldaten, die dauerhaft im Auslandseinsatz, unter anderem in Afghanistan, Herr Ministerpräsident, sein können. Wörtlich: „Es muss möglich sein, die Zahl der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz durchhaltefähig wenigstens zu verdoppeln.“ Zitatende. Wollen Sie das?

Die Weise-Kommission geht davon aus, dass die neue Bundeswehr maßgeblich zur Erfüllung der sicherheitspolitischen und militärischen Zielvorgaben der NATO und der Europäischen Union beitragen muss. Sie geht davon aus, dass sich die Rahmenbedingungen für die Bundeswehr verändert haben, wörtlich: „Die asymmetrische Kriegsführung und die ‚Professionalisierung‘ der Gegner, spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001, stellen im Vergleich zu klassischen Formen der militärischen Auseinandersetzung neue und erhöhte Anforderungen an die Bundeswehr.“ Die Frage der Landesverteidigung,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

der Grundgesetzauftrag der Bundeswehr, spielt im Bericht der Weise-Kommission überhaupt keine Rolle.

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

Wollen Sie das?

Das Bundesverteidigungsministerium soll verschlankt werden. Über Sozialverträglichkeit des massiven Abbaus im Ministerium und auch bei den Zivilbeschäftigten der Bundeswehr liest man allerdings in dieser Konzeption nichts. Wollen Sie das?

Nach der Logik des Berichts der Weise-Kommission soll auch die Rüstungsindustrie den neuen Anforderungen angepasst werden. Eine Agentur für Beschaffung soll installiert werden, Rüstungsexporte sollen aus Deutschland noch einfacher werden. Wollen Sie das?

(Udo Pastörs, NPD: Ja, die Lücke muss gefüllt werden.)

Wenn Sie, werte antragstellende FDP-Fraktion, das wollen, dann können und werden Sie Standortschließungen auch in Mecklenburg-Vorpommern nicht verhindern.

Standortkonzepte der Bundeswehr unterliegen nun mal einer anderen Logik als der der hiesigen FDP.

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

Und wenn Sie in diesem Wissen – oder Unwissen – von der Landesregierung Maßnahmen zur Sicherung der Standorte einfordern, und das mit der Konsequenz Ihres Antrages, dann ist das Augenauswischerei und blanker Populismus. Hat doch die Landesregierung heute selbst erklärt, übrigens auch die FDP, dass sie zum Beispiel bei den Castortransporten als bundespolitischer Angelegenheit keinen Einfluss hat, hat sie bei der Bundeswehrstrukturreform noch weniger Einfluss.

Und es ehrt Sie, Herr Ministerpräsident, dass Sie sich für den Erhalt der Standorte der Bundeswehr in unserem Bundesland einsetzen. Aber es zeigt mir auch, dass dort, wo es einen politischen Willen gibt, etwas gegen die Bundespolitik zu tun, man auch Möglichkeiten findet, dieses dann auch durchzusetzen. Ich frage mich, warum es hier geht und bei der heute früh diskutierten Angelegenheit offensichtlich nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Positionen der LINKEN sind klar:

Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr