Protokoll der Sitzung vom 31.01.2007

überhaupt nicht das Recht, hier irgendeinen Antrag zu stellen, sage ich Ihnen: Wir werden Sie noch ganz schön vor uns hertragen.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU– Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Wir kommen auf den Punkt zurück, wo wir sozusagen die Frage aufwerfen, was Sie denn von Ihren vollmundigen Versprechungen, auch aus dem Koalitionsvertrag, denn schon umgesetzt haben.

(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

Und da wären wir bei dem kostenfreien Kitaplatz, der Frage der Erstattung von Elternbeiträgen gegenüber Kindern. Da ist die Frage, wenn man es komplett tut, so, wie es in einem Wahlprogramm stand, wäre das ein Finanzvolumen von round about 75 bis 80 Millionen.

(Zuruf von Minister Jürgen Seidel)

Überhaupt nicht wahr, Herr Seidel.

(Zuruf von Minister Jürgen Seidel)

Okay, dann rechnen Sie es mir anders vor.

(Minister Jürgen Seidel: Kann ich machen.)

Aber die Erstattung der Elternbeiträge für die Kitas in diesem Lande bei den Betreuungsrelationen kostet mindestens 75 Millionen. Von daher ist es also die Frage: Macht es Sinn, Eltern von den Beiträgen wirklich round about in dieser Größenordnung freizustellen, oder muss man nicht überlegen, ob man diese 75 Millionen für verschiedene Dinge verwendet, die den Kindern zugutekommen? Und da ist es natürlich die Frage, ob die Formulierung, das sei ein Schaufensterantrag, ein sehr polemisches Wort ist. Vielleicht können wir in den nächsten Sitzungen über solche Feststellungen, das seien Schaufensteranträge, die seien handwerklich schlecht gemacht, durchaus noch einmal ins Gespräch kommen, und zwar mit allen Fraktionen.

Wir werden uns hier im Parlament in den nächsten Wochen mit dem Nachtragshaushalt befassen und wollen dann auch entsprechend dem Vorschlag der Landesregierung alternative Finanzierungs- und Deckungsvorschläge vorlegen. Gegenwärtig – und das hat Herr Vierkant gemacht und auch der Minister hat von diesen Zahlen grob hochgerechnet – lassen sich die Kosten theoretisch nur schätzen. Ausgehend von einer durchschnittlichen Geburtenziffer von etwa 12.000 Kindern pro Jahr würden in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 an den staatlichen Grundschulen etwa 45.000 bis 46.000 Schülerinnen und Schüler beteiligt werden können. Die kalkulatorischen Kosten für ein Schulessen liegen im Moment bei etwa 2,30 Euro. Das würde also etwa 20 Millionen Euro pro Schuljahr ergeben, zugegebenermaßen eine stattliche Summe, aber es geht um Kinder in diesem Land, und wir – zumindest als Eltern – sind oftmals bereit, auf das eine oder andere zu verzichten, wenn es um unsere Kinder geht. Dass das nicht in allen Familien so ist, ist schlimm, hat aber auch sehr unterschiedliche Ursachen.

Also in diesem Fall macht die Masse die Summe. 2,30 Euro für ein Mittagessen sind nun nicht wirklich ein üppiger Betrag. Wir geben bei uns im Land für viele andere Dinge viel mehr aus, ohne den gleichen Effekt zu erreichen. Es hat in den Zwischenrufen schon eine Rolle gespielt, und auch wenn es wieder zu einem kollektiven Aufschrei kommt, sage ich es noch einmal: 92 Millionen für den G8-Gipfel sind politisch gewollt und damit da.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Harry Glawe, CDU: Ja, ja, ja! – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Und wenn es politisch gewollt sein sollte, den Kindern in diesem Land ein kostenfreies Mittagessen bereitzustel

len, dann wären auch diese 20 Millionen da.

(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Man muss es nur wollen.)

Man muss es politisch nur wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Es gibt prominente Menschen in diesem Lande, die sich um dieses Problem sorgen.

(Harry Glawe, CDU: Sie hatten auch acht Jahre dafür Zeit, das durchzusetzen.)

So darf ich Ihnen Frau Gitte Geise zitieren, die das vierte „Tischlein deck dich“ am 7. März hier in Schwerin durchführte. Sie sagte, ich darf sie zitieren: „Ich freue mich sehr, dass der pädagogische Mittagstisch sich in Schwerin erweitert hat, denn wir mussten inzwischen erkennen, dass die Not größer ist, als wir bis dahin geglaubt hatten. Es ist schwer zu glauben, aber in Deutschland, das ja immer noch zu den reichsten Ländern dieser Erde zählt, gibt es Kinder, die nicht genug zu essen bekommen, für die eine warme Mahlzeit pro Tag eine überlebenswichtige Gabe ist.“

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, und auch das Thema der Verwendung von Geldern, die zwar an die Eltern ausgezahlt, aber oftmals bei Kindern nicht ankommen, ist hier eine Fragestellung. Was sollen Kinder machen, wenn sie aus sozial schwachen Familien kommen und selbst nicht in der Lage sind, die Ansprüche gegenüber ihren Eltern überhaupt zu artikulieren oder sie geltend zu machen, weil sie gleich eins hinter die Ohren kriegen?

Wie groß der Bedarf ist, zeigen viele Untersuchungen. Und auch bei den Hartz-IV-Leistungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es in der Tat einen Kinderanteil. Berechnungen haben ergeben, dass er für ein Frühstück 99 Cent ausmacht. Ich bitte Sie, sich einmal vorzustellen, dass Sie für zwei Erwachsene und zwei Kinder mit weniger als 4 Euro zum Frühstück auskommen müssen, wenn beide Eltern von Hartz IV betroffen sind. Und da steht die Frage: Was ist dann mit dem Mittagessen?

(Beifall Udo Pastörs, NPD – Raimund Borrmann, NPD: So ist es.)

In etlichen Beispielen vieler Redner hier ist formuliert worden, dass viele Kommunen das Problem erkannt haben und auf Antrag einen Essengeldzuschuss als freiwillige Leistung realisieren. Wie hoch die Dunkelziffer ist, wo Eltern sich aufgrund dieser sozialen Situation nicht aufmachen, um das Geld zu beantragen, wage ich hier nicht zu erläutern und zu prognostizieren. Dass es aber einige Eltern gibt, die es sich, aus Scham oder anderen Gefühlen nicht trauen, dies zu tun, geht zulasten der Kinder.

Und wenn wir jetzt diese drei Punkte in dem Ihnen vorliegenden Antrag so formuliert haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist das Angebot, über diesen Sachverhalt gemeinsam in das Gespräch zu kommen. Es wäre durchaus denkbar und praktikabel zu sagen, okay, es gibt viele Bedenken, die kommunalen Spitzenverbände wären zu beteiligen im Zusammenhang mit dem Verfahren,

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

oder dass man es vielleicht auch erst im Schuljahr 2008/2009 macht. Aber die politische Diskussion über dieses Thema, die sollten wir schon führen.

Dann kommen wir zu einer typisch deutschen Diskussion, auch in der heutigen Debatte. Die rote Lampe leuchtet noch nicht, ich habe noch ein bisschen Zeit, dann will ich dazu auch noch einmal etwas sagen. Eine typisch …

Da kommt sie schon. Schade.

(Heiterkeit bei Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das hättest du nicht sagen sollen.)

Eine typisch deutsche Diskussion nach dem Motto: Hauptverantwortlich sind allein die Eltern. Meinen Sie, die Finnen haben eine andere Philosophie? Aber sie haben eine andere Philosophie in Bezug auf die Kinder. Und da sagen sie: Wir geben als Gesellschaft das Mittagessen für die Kinder in der Schule. Ich denke, das ist eine gute Philosophie, von der die Deutschen etwas lernen können.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Genau.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bluhm.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Tino Müller von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass ein kostenfreies Mittagessen für alle Grundschüler und -schülerinnen in Mecklenburg und Vorpommern ganz oben auf der Liste der Dinge stehen sollte, für die das Land Geld auszugeben bereit ist, betrachten wir als selbstverständlich. Danach müssten Regierungen beurteilt werden: Was ist ihnen am wichtigsten?

(Beifall Raimund Borrmann, NPD)

Wofür geben sie ihr Geld zuerst aus? Wichtiger als ein kostenloses Mittagessen für Schüler ist der Landesregierung zum Beispiel der G8-Gipfel,

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

und das angesichts der Tatsache, dass jedes vierte Kind in Mecklenburg und Vorpommern – in Schwerin sogar jedes dritte Kind – in Armut lebt. Für diesen Gipfel bringt die Landesregierung gerne Summen von gar nicht schätzbarer Höhe auf, nur um ein paar Tage im Mittelpunkt zu stehen. Schlecht ernährte, in manchen Familien sogar hungernde Kinder sind wenig quotenträchtig und stören auch die festliche Atmosphäre, wenn im Kempinski Champagner und Häppchen serviert werden. Wichtiger als Kinderarmut sind den herrschenden Parteien auch üppige Diäten. Die automatische jährliche Erhöhung bis 2011 ist gesichert,

(Angelika Peters, SPD: Schlagen Sie die aus?)

die anständige Ernährung unserer Kinder leider nicht. Auch für den Erhalt ihrer Macht geben die etablierten Parteien viel bereitwilliger Geld aus als für den Kampf gegen Kinderelend.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Für den sogenannten Kampf gegen Rechts können es gar nicht genug Millionen Euro sein.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Das ist enorm wichtig.)

Wichtig ist der Landesregierung auch die Unterstützung des polnischen Nachbarn. Der Europagedanke darf Geld kosten.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

In der Dritten Welt muss man sich engagieren.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Auch das ist richtig.)

Alles hat Vorrang. Das Nachsehen haben immer unsere Familien und Kinder. Für uns aber nicht! Bei uns stehen deutsche Kinder und Familien an erster Stelle.