Während das Verhältnis der Über-65-Jährigen zu den 20- bis 64-Jährigen im Jahr 2005 noch 1:3,2 war, wird es im Jahre 2030 voraussichtlich bei 1:2,0 liegen. Hiervor die Augen zu verschließen und nichts zu tun, den Jüngeren immer höhere Rentenversicherungsbeiträge abzuverlangen
und sie einseitig zu belasten, das passt jedenfalls mit meinem Verständnis von Generationengerechtigkeit nicht überein. Ich denke, am Ende ist klar, dass auch die Rentner einen Beitrag zur nachhaltigen Stabilisierung des Systems leisten müssen. Und mein Eindruck aus Gesprächen mit den Betroffenen ist, dass dafür durchaus auch Verständnis besteht, wenn man das im Einzelnen genauer erklärt.
Meine Damen und Herren, die Rentenreform 2001 und das Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz aus dem Jahre 2004 waren notwendig. Mit diesen grundlegenden Entscheidungen hat der Gesetzgeber auf die massiv veränderten Rahmenbedingungen reagiert und er hat die Grundlagen für eine gererationengerechte Rente geschaffen. Dazu gehört auch, dass mit der sogenannten Riester-Rente – die übrigens zunehmend Zuspruch fi ndet, die Zahlen steigen ganz deutlich –
eine breite staatliche Förderung der zusätzlichen Altersversorgung geschaffen worden ist. Dazu gibt es außerdem noch kontinuierlich wachsende steuerliche Freiräume für die zusätzliche private Vorsorge. Und damit kann in aller Regel dann in diesem Zusammenspiel durchaus der Lebensstandard im Alter gehalten werden.
Frau Müller, das, was Sie angesprochen haben, ist das ganz besondere Problem der hohen Arbeitslosigkeit. Das verschärft natürlich das, was wir im Rentensystem insgesamt haben.
Aber ich denke, wenn wir das Rentensystem insgesamt sehen, haben wir schon vieles auf den richtigen Weg gebracht. Aber wir sehen natürlich auch, dass wir das weiterentwickeln müssen.
Damit komme ich dann auch zu Ihrem Antrag. Ich meine, eine wirklich solide Weiterentwicklung darf nicht in kostenträchtigen Rentenerhöhungen und zusätzlichen Belastungen der Beitragszahler liegen. Arbeitnehmer
und Arbeitgeber können weitere massive Erhöhungen nicht verkraften. Und ich meine auch, dass es leider ebenso nicht angeht, die Regelaltersgrenze abzusenken auf 60 Jahre für Männer und 55 Jahre für Frauen, wie das in Ihrem Antrag als eines der Hauptanliegen dargestellt ist. Um in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen den Generationen die fi nanzielle Grundlage, die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung nachhaltig sicherzustellen, aber auch, damit der Beitragssatz nicht uferlos ansteigt, kommen wir um eine sukzessive Anhebung der Altersgrenze für die Regelaltersrente von 65 auf 67 Lebensjahre leider nicht herum.
Dem steht durchaus gegenüber, dass die Menschen nicht nur ein höheres Lebensalter erreichen, sondern auch länger gesund und fi t bleiben. Eines ist allerdings klar: Wir müssen natürlich diese Veränderungen im Rentensystem begleiten durch eine nachhaltige Verbesserung der Beschäftigungssituation für ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Dazu ist einiges auf den Weg gebracht worden. Einige Maßnahmen gibt es schon, die ich gar nicht alle aufzählen will, und weitere Maßnahmen sind auf dem Weg, zum Beispiel die „Initiative 50 Plus“ oder das zurzeit im Bundesratsverfahren befi ndliche Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen.
Ich weiß, dass es da Skepsis gibt. Aber ich meine, dass wir genau sehen müssen, dass der Gesetzentwurf auch vorsieht, dass wir erst 2012 mit der Heraufsetzung beginnen, und dass wir das dann auch alles begleiten werden mit einer wirklichen Evaluierung, um zu sehen, ist das denn mit den Maßnahmen, die wir am Arbeitsmarkt haben, auch wirklich am Ende vereinbar. Insofern darf man nicht unterschlagen, dass wir 2012 erst einsteigen und das Ganze auch mit einer Evaluierung begleiten. Und, das sage ich auch ganz klar, wenn sich dann zeigt, dass die wirtschaftliche und soziale Situation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht so ist, dass das tatsächlich vereinbar ist, dann müssen rechtzeitig Konsequenzen gezogen werden. Ganz klar ist aber, meine ich: Eine Regelaltersgrenze von 60 Jahren für Männer und 55 für Frauen – das klingt sehr schön für die Älteren – ist unverantwortlich gegenüber dem Gebot der Generationengerechtigkeit. – Vielen Dank.
(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Das Alter gegen die Jugend ausspielen, das macht man nicht, Frau Schlupp. – Beate Schlupp, CDU: Das machen Sie. – Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Eben nicht.)
Blicken wir auf die Entwicklung der letzten Jahrzehnte zurück, die bestehende Altersgrenze von 65 gibt es mittlerweile 90 Jahre. Das kennen Sie alles, seit 1913 für Angestellte, seit 1916 für Arbeiter. Die Grenze wurde also in einer Zeit festgelegt, als die Lebenserwartung weit darunter lag.
(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Und auch das Bruttosozialprodukt. – Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)
Arbeiten praktisch bis in den Tod, das ist heute glücklicherweise unvorstellbar, ist bei der Einführung dieser Regelaltersgrenze aber immer damals noch der übliche Fall gewesen. Es hat im Laufe der Jahrzehnte erheblichen sozialen Fortschritt gegeben. Herr Minister Sellering hat das bereits in seinen Ausführungen betont. Die Rentenbezugsdauer, die noch in den sechziger Jahren bei 10 Jahren im Schnitt lag, liegt heute bei 17 Jahren. Wir kennen natürlich auch das Solidarprinzip der Rentenversicherung und wissen ganz genau, wenn wir solche Anträge stellen, dass die, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ihre Rentenversicherungsbeiträge in einer Größenordnung von 10 Prozent Arbeitgeber, 10 Prozent Arbeitnehmer zahlen und damit sozusagen die tagfertige Rentenkasse füllen müssen. Sie reicht noch nicht einmal aus,
(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Warum wohl, warum wohl?! – Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Warum nehmen Sie nicht von allen die Einnahmen? – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)
sondern wir müssen Zuschüsse des Bundes in einer Größenordnung von 70 Milliarden Euro in jedem Jahr dazugeben. Und dann sind wir bei dem, was Ihr Antrag letztendlich bezweckt.
Ein weiterer Anstieg der Rentenbezugsdauer ist aufgrund der stetig steigenden Lebenserwartung natürlich zu erwarten. Das freut uns. Auf der anderen Seite ist aber die Finanzierung der Rentenversicherung, ich habe das gerade erwähnt, weil ich das Prinzip noch einmal dargelegt habe. Nach unseren Berechungen kann es die Rentenversicherung verkraften, dass die durchschnittliche Rentenbezugsdauer bis zum Jahr 2030 von heute 17 auf 18 Jahre steigen wird, also im Schnitt die Höhe der Rentenbezugsdauer ein Jahr weiter durch eine höhere Lebenserwartung. Bei den 65-Jährigen wird sie 2029 knapp drei Jahre höher sein als heute.
(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Eine Milchmädchenrechnung! Der Produktivitätszuwachs ist viel höher.)
Die Lebenserwartung für Rentner steigt um knapp drei Jahre mit der Anhebung des Renteneintrittsalters,
die Gesetze sind gerade vom Minister dargelegt worden, und die Lebensarbeitszeit wird um zwei Jahre erhöht werden.
Das heißt, die durchschnittliche Rentenlaufzeit wird um rund ein Jahr steigen. Ich denke, das ist eine gute Nachricht, …
… dass diese Gesetzlichkeiten, die beschlossen worden sind, erst in fünf Jahren in Kraft treten werden und sehr schrittweise in einem Anpassungsprozess, denke ich,
und auch sozialverträglich erfolgen werden für unsere Menschen, die letztendlich auch ihr Rentenalter erreicht haben mit einer Lebensarbeitsleistung, die sich sehen lassen kann, was schon vernünftig in einer Bezugshöhe dargelegt werden kann. Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer auf 20 Jahre zu erhöhen, wie Sie das gefordert haben, ist – und da waren wir heute schon – absolut unverantwortlich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Anhebung der Altersgrenze auf 67 tritt nicht heute in Kraft, ich habe es erwähnt, auch nicht morgen oder übermorgen, wie von Ihrer Seite hier oft suggeriert wird, sondern es ändert sich in den nächsten fünf Jahren mit dem Renteneintrittsalter überhaupt nichts.
Erst ab dem Jahr 2012 soll dann behutsam das Renteneintrittsalter um einen Monat pro Jahr steigen, das heißt, im Jahr 2023, also in 17 Jahren, haben wir ein um ein Jahr höheres Renteneintrittsalter als heute. Dann wird es bei 66 Jahren liegen und es geht in größeren Schritten weiter. Ich denke, das ist ein vernünftiger Weg. Keiner kann aus der heutigen Situation die wirtschaftliche Situation im Jahr 2023 beurteilen, auch nicht die Situation der Volksgesundheit, aber alles, was wir an demografi schen Zahlen haben, und alles, was wir an Vorausberechnungen haben, sagt, dass die Lebenserwartung der Menschen glücklicherweise höher sein wird. Darauf müssen wir reagieren. Der Generationenvertrag kann einfach nicht so einseitig ausgelegt werden, wie Sie es vorhaben.
Richtig ist, dass uns die heutige Situation auf dem Arbeitsmarkt für die Menschen über 50 noch nicht zufriedenstellen kann. Aber auch hier, denke ich, haben wir Initiativen in Angriff genommen.
Die Zahlen zeigen auch, dass sich dort ein positiver Trend entwickelt. Wer sich die Quote der Beschäftigung von 55 bis 64 Jahren, wie im EU-Vergleich gemessen wird, noch einmal vor Augen führt, stellt fest, dass sie noch vor drei Jahren in Deutschland bei unter 40 Prozent lag. Heute liegt diese Quote interessanterweise – und ein positiver Trend ist zu verzeichnen – bei uns bei 45,4 Prozent. In der alten EU – ich sage mal in der alten EU-15, wir haben ja heute schon eine Europadebatte gehabt – liegt sie im Schnitt bei 44,1, insgesamt bei 42,5 Prozent. Beschäftigung Älterer wird im EU-Durchschnitt und speziell auch in Deutschland wieder interessanter. Die Unternehmen haben endlich auch die falschen Vorstellungen, die sie in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren entwickelt haben, revidiert. Sie brauchen die erfahrenen und älteren Arbeitnehmer. Man kann nicht mehr mit dem Slogan los
gehen und sagen: „25 Jahre beste Qualifi kation, 10 Jahre Berufserfahrung und ab 58 in den Vorruhestand“. Das war, denke ich, auch ein entscheidender Fehler. Jetzt wird sich das auch normalisieren.
Ich komme noch zu den Dingen, die mit erwähnt werden müssen, um das Gesamtsystem der Rentenversorgung in Deutschland darzustellen. Ende 2006 waren 97.000 weniger Über-50-Jährige deutschlandweit arbeitslos gemeldet als vor einem Jahr. Wir sind da, denke ich, das habe ich bereits erwähnt, auf einem guten Weg. Aber in vielen Detailfragen wird immer wieder deutlich gemacht, dass wir eine Reform durchführen müssen, die die fi nanzielle Solidität und die soziale Gerechtigkeit miteinander verbindet. Beides ist notwendig.