Wenn das also so ist, dass der wesentliche Kern der Kinderrechtskonvention der UN dann von Rechtssetzern und Rechtsanwendern beachtet werden muss, wenn in der Hierarchie der Rechte in unserem Staat, nämlich ganz oben in der Bundesverfassung, im Grundgesetz, dies garantiert ist, dann macht es durchaus und zwingend aus meiner Sicht Sinn, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Das gilt dann – und das sage ich hier ganz deutlich – auch bei ganz einfachen täglichen Entscheidungen, wie zum Beispiel bei Entscheidungen der Verwaltung, bei Entscheidungen kommunaler Vertretungen über den Bau und die Ausstattung von Kindergärten, von Spielplätzen, von sonstigen öffentlichen Einrichtungen, aber natürlich auch für Gerichte, die bei Interessengegensätzen, die auftreten können, dann das Wohl des Kindes als einen besonderen Faktor bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen haben.
Damit, so glaube ich, ist eine Grundgesetzänderung ein wichtiger Schritt für den besseren Schutz von Kindern. Wenn wir dies so in unserem Grundgesetz verankert haben, haben wir eine klare Wertehierarchie, und wir werden über die Dinge, die wir in der Aussprache sicher noch ansprechen können und müssen, nicht mehr diskutieren müssen, sondern wir werden ganz einfach auf die Werteordnung unseres Grundgesetzes verweisen. Das Grundgesetz bindet nämlich die Rechtsprechung, es bindet aber auch die Gesetzgebung, und das ist der eigentliche Grund, warum ich dafür werbe, dass das,
was schon mehrfach hier Gegenstand von Diskussionen war, jetzt auch beschlussreif ist, weil, wie gesagt, der letzte Vorbehalt zur Kinderrechtskonvention der UN in der Bundesrepublik Deutschland nun aufgegeben worden ist. Nun können wir, nun sollten wir.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag und ich wünsche mir eine vernünftige und gute Diskussion dieser Überlegungen. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Dieser Tag ist ein guter Tag für Kinder und ihre Rechte. Die demokratischen Fraktionen, die SPD, CDU und Linkspartei dieses Landtages, haben einen Antrag auf eine Bundesratsinitiative vorgelegt, dass erneut ein Vorstoß zur Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz unternommen werden soll, und das begrüße ich ausdrücklich und will versprechen, dass, wenn dieser Beschluss, wovon ich ausgehe, hier zustande kommt, ich mich dafür einsetzen werde, dass wir diese Bundesratsinitiative starten.
Sie wissen, dass 2008 bereits das Thema „Kinderrechte in die Verfassung“ im Bundesrat behandelt worden ist, und zwar als Entschließungsantrag der Freien Hansestadt Bremen. Der Bundesrat beschloss damals mehrheitlich, die Entschließung nicht zu fassen. Die für Verfassungsänderungen bekanntlich notwendige Zustimmung von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates wurde nicht erreicht. Trotz alledem bin ich dafür, dass wir noch mal die Sache starten, auch aus Gründen, die Herr Jäger schon genannt hat, ich will es auch gleich noch mal vertiefen. Ich will dafür werben, ob es nicht vielleicht doch heute eine Beschlussfassung von allen demokratischen Fraktionen geben könnte.
Und, meine sehr geehrten Herren der FDP, ich weiß auch um Zweifel. Bringt das was, juristische Zweifel? Deswegen will ich mich wirklich noch mal bemühen, auch sozusagen wie Herr Dr. Jäger klarzumachen, warum es so wichtig ist, in der Hoffnung, dass Sie sich dafür entscheiden können, denn auf Bundesebene habe ich das bisher so verstanden, dass dort SPD, Grüne, Linkspartei und FDP sich einer Grundgesetzänderung anschließen würden, aber eben noch nicht die CDU.
(Hans Kreher, FDP: Ich bitte, das genau zu unterscheiden, Gruppenantrag. – Zurufe von Gino Leonhard, FDP, und Michael Roolf, FDP)
ob wir uns hier nicht gemeinsam auf den Weg machen könnten, diese wichtigen Kinderrechte zu stärken, denn wir sind im Gegensatz zum Grundgesetz mit unserer eigenen Landesverfassung schon ein Stück voraus, denn in unserer Landesverfassung in Artikel 14 Absatz 4 sind bereits die gesonderten Kinderrechte erwähnt, wie dies auch schon vergleichbar in anderen Landesverfassungen der Fall ist. Hinzu kommt, dass durch das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil im April 2008 festgehalten wurde, dass Kinder Träger von Grundrechten sind und Eltern ihr Handeln am Wohl ihrer Kinder auszurichten haben. Und wir wissen alle, dass das nicht immer der Fall ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, lassen Sie mich festhalten: 21 Jahre nach der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention am 20. November 1989 und über 18 Jahre nach ihrem Inkrafttreten in Deutschland steht die Aufnahme der Kinderrechte in das deutsche Grundgesetz noch aus. Und mir muss mal einer erklären, wenn wir in jeder Sonntagsrede als Politiker sagen, Kinder sind wichtig, Kinder sind unsere Zukunft, warum wir es nicht gemeinsam schaffen, dass dann die Rechte von Kindern in unsere wichtigste Verfassung, in das Grundgesetz verankert werden.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)
Am 15. Juli 2010 hat die Bundesregierung gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen erklärt,
dass sie die 1992 erklärten Vorbehalte zurücknimmt. Es wurde auch Zeit. Alleine für diese Rücknahme haben wir sehr gekämpft und ich bin der Bundesfamilienministerin außerordentlich dankbar, dass sie das auf den Weg gebracht hat. Seitdem gelten die Bestimmungen der UNKinderrechtskonvention vorbehaltlos für alle in Deutschland lebenden Kinder.
Das hebt der vorliegende Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE zu Recht gleich am Anfang hervor und Herr Dr. Jäger hat es in seiner Einbringungsrede erwähnt, denn die unterzeichnenden Staaten sind mit der Kinderrechtskonvention eine Verpflichtung eingegangen. Das ist ein neuer Punkt und vielleicht kann der auch noch mal helfen, bisherige Positionen zu überdenken, denn wir haben die Verpflichtung, „alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte“ zu treffen. Und hierzu gehört zweifelsohne die Aufnahme der Kinder ins Grundgesetz, denn es ist eins der wichtigsten Gesetze oder das wichtigste Gesetz, was wir in Deutschland haben.
(Hans Kreher, FDP: Darüber kann man aber auch anderer Auffassung sein. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)
und die werden Sie ja hier vortragen, aber es muss doch auch möglich sein, dass wir hier für gemeinsame Positionen werben. Ich würde mich an der Stelle gar nicht so scharf einlassen wollen. Ich finde, wir sollten wirklich im Interesse der Kinder in Deutschland die Argumente austauschen.
Deswegen möchte ich auch gerne erklären, warum ich eine Grundgesetzänderung für notwendig halte. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland werden die Kinder zwar in Artikel 6 erwähnt, hier sind sie jedoch, wie es so schön im Juristendeutsch heißt, Objekte und keine Subjekte.
Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung bereits klargestellt, dass sich elterliche Pflege und Erziehung stets am Kindeswohl als oberste Richtschnur zu orientieren haben. Und ebenfalls hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes heute anerkannt, dass das Kind „ein Wesen mit eigener Menschenwürde und einem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne der Artikel 1 und Artikel 2 Grundgesetz ist“. Das Grundgesetz selber bringt aber heute weder den in der Kinderrechtskonvention verankerten Vorgang des Kindeswohls noch die Tatsache zum Ausdruck, dass Kinder als gleichberechtigte Mitglieder der Gemeinschaft als eigenständige Persönlichkeiten mit eigener Würde und dem Anspruch auf Anerkennung in ihrer Individualität anzuerkennen sind.
Und deswegen schauen wir uns doch mal die Realität an. Wir haben in ganz vielen Verfahren, wo es auch um Kindeswohlgefährdung geht, um Kinderschutz, oft und dann gerade, wenn das Kindeswohl deshalb gefährdet ist, wenn es in der Familie Probleme gibt, den Widerspruch zwischen Elternrechten und Kinderrechten. Und alleine, um den Kinderschutz zu stärken im Sinne der Kinder, sind diese Kinderrechte so wichtig. Das hat uns ganz aktuell der Runde Tisch gegen sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Berlin gezeigt. Und da sitzen ja alle drei Bundesministerinnen mit am Tisch, Frau Schavan, die Bundesjustizministerin noch dazu und die Bundesfamilienministerin, und wir diskutieren dort wieder ganz aktuell die Notwendigkeit von Kinderrechten im Grundgesetz.
Ich kann Ihnen auch sagen, warum, weil gerade dieser vielfache Missbrauch, die vielfache Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zeigt, und wir haben es auch im Rechtsausschuss thematisiert, dass Kinder viel zu oft in diesem Land Objekte sind und keine Subjekte, und Kinder gehören nicht irgendjemand, auch nicht den Eltern und schon gar nicht dem Staat, sondern Kinder sind eigene Persönlichkeiten mit eigenen Rechten, und diese Rechte wollen wir verankern.
Ich schlage vor, dass folgende Ansprüche und Rechte einer Prüfung zur möglichen Aufnahme ins Grundgesetz unterzogen werden:
Diese Rechte sind derzeit in Deutschland nicht gesichert und oftmals für viele Kinder keine Realität, und nicht nur, weil es vielleicht die eigenen Eltern nicht hinbekommen, sondern auch, weil zu oft in unserer Gesellschaft die Kinder hinten anstehen müssen. Immer dann, wenn es um Unterstützung für Kinder geht, diskutieren wir lange, wie viel ist möglich, wie viel Geld haben wir noch. Die Kinder haben oft das Nachsehen und das würden wir auch ändern mit Kinderrechten im Grundgesetz.
Die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz würde eben sehr viel stärker als bislang die Verpflichtung von Staat, da bin ich völlig bei Ihnen, Frau Borchardt, und Eltern verdeutlichen, sich bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten gegenüber Kindern am Vorrang des Kindeswohls zu orientieren. Und das gilt auch für ganz alltägliche Entscheidungen von Behörden – etwa bei der Planung von Wohnvierteln oder beim Straßenbau – ebenso wie für Entscheidungen der Eltern für eine bestimmte Schule oder Betreuungsform. Wir ärgern uns doch alle, dass es in diesem Land möglich ist, mit Flugzeugen über Wohngebiete zu brettern, aber eine Kita wird aus Wohngebieten rausgeklagt. Solange das in Deutschland möglich ist, stimmt doch was nicht!
Und deswegen ist es so wichtig, dass wir die Verpflichtung gegenüber unseren Kindern – bestehend insbesondere in der Verantwortung für kindgerechte Lebensverhältnisse, vor allem der Verantwortung, dass gleiche Entwicklungschancen für alle Kinder bereitgestellt werden – verankern. Um das zu gewährleisten, müssen Kinderrechte schlicht einklagbar sein.
Neben einer deutlichen Stärkung der Rechtsposition von Kindern in Deutschland geht damit auch eine hohe symbolische Aussagekraft einher. Und ich will an der Stelle mal sagen, dass ich Herrn Dr. Jäger ausdrücklich dankbar bin, weil er als Jurist – und die Juristen kommen ja meistens mit ihren Feinheiten, warum das alles nicht möglich ist – hier beides zusammenbringt, die Frage, warum es rechtlich notwendig ist, und die Frage, warum es auch symbolisch notwendig ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern enthält bereits seit 2006 gesonderte Kinderrechte. In Artikel 14 (4) unserer Verfassung heißt es: „Kinder und Jugendliche sind Träger von Rechten, deren Ausgestaltung die Persönlichkeit fördert und ihren wachsenden Fähigkeiten und Bedürfnissen zu selbstständigem Handeln entspricht. Land, Gemeinden und Kreise fördern die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an der Gesellschaft.“ Wir als Land sind an der Stelle dem Grundgesetz voraus und ich kann daher nur werben dafür, dass wir heute gemeinschaftlich, alle demokratischen Parteien, diesen Beschluss auf den Weg bringen, um auch noch mal für Mehrheiten auf Bundesebene zu werben. Wie gesagt, es ist zurzeit möglich, weil wir ganz aktuell die Diskus