Und was hier deutlich geworden ist, ist, es geht nicht allein um Bildung. Inklusion ist eine gesellschaftliche Frage.
Und da kommt mir natürlich, Herr Pastörs, ganz schnell der große deutsche Denker Friedrich Engels in den Sinn.
Ja, auch den möchte ich gern zitieren: „Alles, was die Menschen in Bewegung setzt, muß durch ihren Kopf hindurch.“
Auf der Fachtagung, das hat hier im Ansatz zumindest eine Rolle gespielt, des Behindertenverbandes Mecklenburg-Vorpommern am 10.11.2010 hat die Landesregierung
den Entwurf eines Aktionsplanes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vorgestellt. Er benennt Maßnahmen und Handlungsmöglichkeiten, die nach den jeweiligen Ressorts geordnet sind. Die Maßnahmen für den Bildungsbereich können wir als erste Denkansätze durchaus akzeptieren. Und das, was der Minister hier vorgetragen hat, das, was Sie, Herr Rühs, hier angesprochen haben, und auch Sie, Herr Kreher, da haben wir keinen Dissens.
Die Frage ist immer, wie sind die Rahmenbedingungen vor Ort, um hier auch mitreden zu können. Da habe ich mich mal kundig gemacht, wie das in Neubrandenburg aussieht. Da haben mir Personen gesagt, dass sie als Lehrerinnen und Lehrer sich noch nicht mitgenommen
fühlen. Wir haben also große Probleme damit. Die Kinder sind jetzt in den Schulklassen und die Förderlehrer, vormals, fahren dann auch zu den Klassen. Aber oftmals, bei 26, 27, 28 Kindern in der Klasse, ist es ein großes Problem der Umsetzung dieses guten Ansatzes.
Mir ist zum Beispiel von einem Fall berichtet worden, wo ein autistisches Kind, weil es eben mit der Situation nicht klarkommt, rausrennt auf die Toilette und die Stunde auf der Toilette verbringt, weil es ganz einfach überfordert ist.
Und die Lehrerin da allein in der Klasse ist natürlich hin und her gerissen: einerseits die Schülerinnen und Schüler in der Klasse, andererseits das autistische Kind dort auf der Toilette. Das ist also ein Problem aus der Praxis.
Oder ein anderes Problem aus der Praxis: Der ASB, der einen Hort betreut in Neubrandenburg, sagt, dass es für ihn ein Problem ist, dass in der Diagnoseförderklasse in der Schule 12 Kinder in einer Klasse seien und dann später im Hort 22 Kinder, aber die 22 Kinder im Hort werden betreut wie vormals, was also die Erzieher-Kind-Relation betrifft, und da haut einiges nicht hin. Jetzt versucht man mithilfe des Rathauses und über Eingliederungshilfe, dem ASB zu helfen, aber das alles ist noch mit sehr vielen Friktionen verbunden und ziemlich problematisch.
Richtig spannend wird es, sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir die Wechselwirkungen zu anderen Politikfeldern sehen. Wir können ja nicht nur in Gedanken hier im Bildungsbereich stehen bleiben und Zuständigkeiten in Betracht ziehen, zum Beispiel Kommunen als Schul träger betrachten. Dazu müssen Aussagen auf den Tisch, damit müssen wir uns beschäftigen.
Positiv bewerte ich, dass es nun langsam Bewegung in der Sache gibt, das ist auch hier heute deutlich geworden. Das wird allerdings auch Zeit, denn die Konvention wurde am 26. März 2009 von der Bundesrepublik bereits ratifiziert, im März 2011 muss die Bundesregierung einen ersten Umsetzungsbericht geben. Frau von der Leyen hat als zuständige Bundesministerin am 04.11. für März 2011 einen Kabinettsbeschluss zum Aktionsplan angekündigt. Da kann man wieder nur mal feststellen: Zwei Jahre sind, so unsere Auffassung, verschlafen. Mecklenburg-Vorpommern hätte selbstständig handeln können, wartet wohl aber lieber auf gewisse Vorgaben.
Sie werden fragen: Was hat das nun mit unserem Antrag zu tun? Ich denke, eine ganze Menge. Was der Minister hier berichtet hat, bezieht sich vor allem auf den Istzustand und die Vergangenheit. Ich weise nochmals darauf hin, dass Inklusion völlig andere Anforderungen stellt als Integration. Wir wollen also in diesem Sinne nicht allein wissen, was so in der Vergangenheit geschehen ist und was da realisiert wurde, sondern mit Blick auf den 28. Februar absehbar erreicht wird. Deshalb ist es aus unserer Sicht auch nicht möglich, den Antrag mit einem Bericht des Bildungsministers für erledigt zu erklären.
Wir stimmen im Übrigen dem Änderungsantrag der FDP zu. Und ich finde es gut, Herr Kreher, Sie haben hier appelliert. Dieser Appell richtete sich auch darauf zu bedenken, dass mit einem solchen Beschluss natürlich auch eine Signalwirkung verbunden ist. Insofern auch unsererseits der Appell, unserem Antrag dennoch zuzustimmen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/3916 abstimmen. Wer diesem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/3916 bei Zustimmung der Fraktion der FDP und der Fraktion DIE LINKE, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion der NPD abgelehnt.
Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3889 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3889 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der FDP und Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion der NPD abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 29: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Stärkung der Persönlichkeitsrechte von Kindern und Eltern bei der Umsetzung des Kindertagesförderungsgesetzes MecklenburgVorpommern, Drucksache 5/3957.
Antrag der Fraktion der FDP: Stärkung der Persönlichkeitsrechte von Kindern und Eltern bei der Umsetzung des Kindertagesförderungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KiföG M-V) – Drucksache 5/3957 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kindertagesförderung beschäftigt Bildungs- und Sozialpolitiker in Mecklenburg-Vorpommern seit vielen Jahren. Im Frühjahr dieses Jahres hatte die Regierung nach gut drei Jahren Bearbeitungszeit endlich einen Entwurf für eine Novellierung des KiföG vorgelegt.
Wie bereits im vorparlamentarischen Verfahren kritisierten auch die Fachleute in der Anhörung des Sozialausschusses den Gesetzesentwurf als zu kurz gegriffen. In vielen Punkten ging der Entwurf aber auch an der Lebenswirklichkeit von Kindern, Eltern und Erziehern vorbei. Gemeinsam mit den Fachleuten hat auch die FDP-Fraktion eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen gemacht. Leider fehlte der Regierung der Mut, sich mit unseren Vorschlägen konstruktiv auseinanderzusetzen.
Einem wirklich großen Wurf in der Bildungspolitik stand aber auch der Zeitdruck entgegen, den die Regierungsfraktionen dem Parlament für seine Beratungen auferlegt hatten. Ich glaube, das muss ich nicht noch einmal ausführen. So konnten im parlamentarischen Verfahren viele Fragen der Fachleute nicht abschließend geklärt werden. Als Beispiel sei hier nur die Formulierung des Paragrafen 1 Absatz 5 genannt. Das dort beschriebene landesweit verbindlich festgelegte Verfahren lässt erheblichen Interpretationsspielraum offen. In der Anhörung war unter anderem auch die LIGA auf diese Frage ein
gegangen und forderte folgerichtig eine Konkretisierung der Formulierung, um Missverständnissen vorzubeugen. SPD und CDU haben sich leider gegen eine tief greifende Auseinandersetzung entschlossen, zugunsten einer schnellen Verabschiedung des Gesetzes im Parlament.
Nun stehen wir an dem Punkt der Umsetzung des KiföG und viele der Unklarheiten aus den Anhörungen stehen wieder im Raum. Als FDP-Fraktion ist es uns daher sehr wichtig, den Parlamentswillen bei der Umsetzung noch einmal deutlich zu machen. Anderenfalls ist eine langwierige Rechtsunsicherheit für Träger und Eltern zu befürchten, die auf unklare Interpretationen des Gesetzes zurückzuführen sind. Dabei stehen für uns Liberale vor allem die Interessen und Rechte der Eltern im Vordergrund.
Wir wollen eine freie Kita-Wahl für die Eltern in Mecklenburg-Vorpommern. Dies setzt aber voraus, dass die Einrichtungen durch eigene Konzeptionen den Eltern unterschiedliche Angebote für die Betreuung und Bildung ihrer Kinder machen können. Dieses umfasst auch die Einrichtung spezifischer Verfahren zur Beobachtung und Dokumentation. Erst dadurch haben die Eltern die Freiheit, die passenden Konzepte für ihr Kind ganz nach seinen individuellen Bedürfnissen auszuwählen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung,
Ich möchte hier auch noch einmal auf die Nachteile eines solchen vorgeschriebenen Verfahrens eingehen. Das von der Landesregierung favorisierte Verfahren DESK wurde von der überwiegenden Mehrheit der Fachleute in der Anhörung abgelehnt.
Ich möchte einige der Gründe gerne aufzählen: DESK stellt eine Normierung kindlicher Entwicklung dar, die für Individualisierung und Spezifik des einzelnen Kindes keinen Platz lässt. Es besteht die Gefahr, dass sich die grundlegend defizitorientierten Perspektiven des DESKVerfahrens auf den gesamten Alltag der Kinder niederschlagen. Es wird hier deutlich, dass wir dieses Verfahren nicht gegen den Willen der Fachleute in unserem Lande mit der Brechstange durchsetzen sollten. Der Gesetzgeber sollte hier eine freie Wahl im Rahmen der wissenschaftlich anerkannten Verfahren zulassen,
damit sich die Einrichtungen frei entfalten können. Dabei sollte auch die Mittelvergabe von zusätzlichen Förderinstrumenten nicht von einzelnen Verfahren oder Konzeptionen abhängig gemacht werden, anderenfalls werden die Eltern Schritt für Schritt ihrer Wahlfreiheit beraubt.
Somit bleibt ihnen künftig nur die Wahl zwischen einem staatlich angeordneten Verfahren oder einem Verzicht auf einen Kita-Platz. Im Zuge dieser Konkretisierung des Parlamentswillens besteht die Chance, auch die Rechte der Eltern noch einmal deutlich hervorzuheben.
Wir Liberalen wollen keine Kinderakte, die automatisch von der Kita an die Schule übergeben wird. Wir wollen den Kindern in unserem Land keinen staatlichen Gütestempel auf die Stirn drücken. Daher muss das Recht über die Verwendung der Beobachtungs- und Dokumentationsergebnisse einzig und allein bei den Eltern liegen,