Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

Die Fraktion DIE LINKE hat mir signalisiert, dass damit ihr Änderungsantrag auf der Drucksache 5/4121 zurückgezogen wird, sodass wir jetzt über den mit den eben beschlossenen Änderungen neu formulierten Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/4046 abstimmen können. Wer dem Antrag so zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Danke schön. Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/4046 mit den soeben beschlossenen Änderungen bei Zustimmung durch die Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP und Stimmenthaltung vonseiten der Fraktion der NPD angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Konnexitätsprinzip im Grundgesetz verankern, Drucksache 5/4072.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Konnexitätsprinzip im Grundgesetz verankern – Drucksache 5/4072 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Schwebs. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Begründung unseres Antrages heute mit einem Zitat beginnen, mit einem Zitat aus der Pressemitteilung des CDU-Kollegen Wolf-Dieter Ringguth vom 06.01.2011. Ich beginne: „,In der Tat führen die insbesondere unter Rot-Grün etablierten Sozialausgaben von Wohngeld bis Grundsicherung zu explodierenden Ausgaben bei den Kommunen, ohne dass diese dafür die entsprechenden Einnahmen haben.‘“

(Dr. Armin Jäger, CDU: Da hat er recht.)

„,Immer mehr Kommunen geraten deshalb in finanzielle Schieflage. Deshalb will meine Fraktion, dass das bei uns bewährte Konnexitätsprinzip auch im Bund verankert wird. Nur wenn derjenige, der bestellt auch zahlt, sind solche Fehlentwicklungen, wie wir sie zurzeit beklagen zu verhindern. Ich freue mich, dass die SPD dies nunmehr auch so sieht und denke, dass eine entsprechende Bundesratsinitiative des Landes ein erstes wichtiges Signal wäre, den Worten auch Taten folgen zu lassen.‘“

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Recht hat er. – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Recht hat er, nicht, Dr. Jäger? Nach den letzten großkoalitionären Verlautbarungen scheinen Sie endlich einen Handlungsbedarf bei den kommunalen Finanzen anzuerkennen. Das finde ich gut.

Also dann, meine Damen und Herren, lassen wir Ihren Worten denn auch Taten folgen, Herr Ringguth! – Der ist gar nicht mehr da.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Der ist vor Schreck rausgegangen.)

Sie und Ihr Koalitionspartner, mit dem Sie sich jetzt offenbar so einig sind, haben heute die Gelegenheit dazu, diesen Worten auch die Taten folgen zu lassen. Und wir werden sehen, wie ernst Sie es mit Ihren Verlautbarungen meinen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann meinen Sie doch, dass der Bund den Kommunen keine finanziellen Lasten mehr aufbürden darf. Denn schauen Sie sich doch mal um, meine Damen und Herren, im Land, in unseren Städten und Gemeinden, in den Kreisen: Das Ende der Fahnenstange ist vielerorts längst erreicht.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, anders als Bund und Länder haben die Kommunen so gut wie keinen Einfluss auf die steuerliche Rahmengesetzgebung. Wenn dann durch eine verfehlte Steuerpolitik Einnahmen wegbrechen, haben die Kommunen das Nachsehen. Sie sind das letzte Glied in der Kette und können nur noch reagieren, indem sie bei der Aufgabenerledigung Abstriche machen oder sich verschulden. Beides stößt inzwischen an Grenzen. Hoch verschuldete Kommunen bekommen ihre Haushalte nicht mehr genehmigt. Gleichzeitig aber sind viele Aufgaben gesetzlich vorgeschrieben.

Die Finanzlage vielerorts ist alarmierend, die Einnahmen und Ausgaben driften immer weiter auseinander. Die Sozialausgaben, wie Kosten der Unterkunft oder Kosten der Grundsicherung im Alter, steigen ständig und las

sen den Kommunen kaum noch Spielraum. Nicht selten geht der eigentliche Spielraum bereits gegen null und ins Minus. Dabei ist doch die kommunale Selbstverwaltung im Grundgesetz und in der Landesverfassung garantiert, aber leider spielt sie auf der Bundesebene kaum eine Rolle. Nach wie vor lehnt der Bund mögliche Entlastungen der Kommunen bei den Sozialausgaben einfach ab. Für kostenintensive Aufgaben gibt es keinen oder nur einen viel zu geringen Ausgleich.

Meine Damen und Herren, wer möchte, dass eine Leistung vor Ort erbracht wird, muss auch dafür sorgen, dass die Mittel dafür da sind. Dieses Prinzip muss endlich für alle Ebenen gelten. Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern hat sich das Konnexitätsprinzip, das unter Rot-Rot eingeführt wurde, bewährt. Aber auch für die Bundesregierung dürfen die Kommunen nicht länger die Melkkühe sein. Deshalb sind den Städten und Gemeinden nur noch dann neue Pflichten aufzuerlegen, wenn gleichzeitig der vollständige Kostenausgleich der finanziellen Mehrbelastung zwingend vorgenommen wird.

Man kann, meine Damen und Herren, das Konnexitätsprinzip auch umkehren und es so beschreiben: Wer die Musik abbestellt, kann nicht verlangen, dass die Kommunen einen Konzertsaal bereithalten.

Wir brauchen endlich verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen und eine aufgabengerechte Finanzausstattung. Die strikte Konnexität im Grundgesetz ist dabei ein wichtiger Baustein. Sie ist Voraussetzung dafür, dass der Bund nicht laufend neue Ausgaben für bereits bestehende Aufgaben den Kommunen aufhalst. Nur mit einer Verankerung der strikten Konnexität im Grundgesetz gibt es für die Kommunen eine verlässliche Kompensation, und diese wiederum ist Voraussetzung für kommunale Selbstverwaltung.

Meine Damen und Herren, Mitte Oktober 2010 hat der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen das dortige Land verpflichtet, seinen Kommunen die finanziellen Mehrbelastungen auszugleichen, die aus der Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes, eines Bundesgesetzes aus dem Jahr 2008, resultieren – ein bemerkenswertes Urteil, finden wir.

(Heinz Müller, SPD: Ja.)

Bis zur Föderalismusreform I im Herbst 2006 konnte der Bundesgesetzgeber gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben, insbesondere im Sozialbereich, unmittelbar an die Kommunen durchreichen. Diese mussten die Aufgaben erfüllen und selbst finanzieren. Die Länder allerdings mussten im Bundesrat die Zustimmung erteilen, was sie oft unbeschwert taten, weil sie selbst nicht zum finanziellen Ausgleich verpflichtet waren. Ich erinnere nur an die Grundsicherung im Alter und an die Grundsicherung für Arbeitssuchende hinsichtlich der Kosten der Unterkunft.

Seit September 2006 ist es dem Bundesgesetzgeber nicht mehr möglich, Aufgaben direkt auf die Kommunen zu übertragen. Die Länder werden dazwischengeschaltet und so können Kommunen nur noch durch landesrechtliche Regelungen, also Ausführungsgesetze, gezwungen werden, die Aufgaben zu erfüllen. Der Bund aber hat weiterhin die Befugnis für die Sozial- und Jugendhilfegesetzgebung, einschließlich der Regelung der Kinderbetreuung oder – ganz aktuell – für das sogenannte Bildungspaket, für dessen Verwaltung die Kommunen Geld vom Bund zurückerhalten sollen.

Meine Damen und Herren, im Grundgesetz ist lediglich das sogenannte relative Konnexitätsprinzip in Artikel 104a verankert. Ein striktes Konnexitätsprinzip nach dem Grundsatz: „Wer bestellt, der bezahlt auch“, würde endlich Rechtssicherheit schaffen, die Kommunen vor unverschuldeten finanziellen Lasten besser schützen und es würde letztlich auch einer klaren Zuordnung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung dienen. Eine Bundesratsinitiative aus Mecklenburg-Vorpommern dazu ist das richtige Signal.

Deshalb, meine Damen und Herren, stimmen Sie uns nicht nur mit dem Mund zu, sondern heute auch unserem Antrag, damit diese Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Abgeordnete Schwebs.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erste hat ums Wort gebeten die Justizministerin für das Land Mecklenburg-Vorpommern Frau Kuder. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Sehr geehrte Frau Schwebs, ich habe mich jetzt schon gewundert über Ihren Antrag und vor allen Dingen über Ihre Begründung dazu, weil Sie nämlich in Ihrem Antrag gleichzeitig hier begründet haben, warum es nicht notwendig ist, das Konnexitätsprinzip im Grundgesetz zu verankern.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das hat sie gerade begründet.)

Sie haben ganz klar gesagt, dass wir 2006 eine Änderung hatten, und zwar in Bezug auf die Föderalismusreform. Die Änderung hat ganz klar festgelegt, Aufgaben dürfen an die Kommunen durch Bundesgesetz nicht mehr weitergegeben werden.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Sie haben auf der einen Seite begründet, dass das notwendig wäre, weil die Einnahmen bei den Kommunen wegbrechen. Das ist auch keine Begründung für das Konnexitätsprinzip, weil Konnexitätsprinzip sagt nichts anderes, als dass, wenn Aufgaben verlagert werden, auch die entsprechenden Finanzmittel bereitgestellt werden müssen. Das ändert am Einnahmeproblem der Kommunen letztlich nichts, wenn wir das Konnexitätsprinzip ins Grundgesetz bringen würden.

Zudem ist es so, das haben Sie auch gesagt, dass, wenn der Bund Aufgaben überträgt, es nur auf die Länder übertragen werden kann und die Länder wiederum durch die Länderkammer geschützt sind. Das ist im Artikel 104, den haben Sie auch genannt, geregelt, denn dann bedarf es der Zustimmung der Länderkammer. Es ist also Aufgabe der Länder, dafür zu sorgen, dass entsprechende Finanzmittel auch vom Bund an die Länder weitergegeben werden müssen, die dann durch das Konnexitätsprinzip in der Landesverfassung entsprechend auch auf die Kommunen weiter heruntergereicht werden müssen. Insofern meine ich, dass Sie mit Ihrem Antrag eigentlich zu spät kommen.

Bemerkenswert ist auch, dass es ein Antrag von der FDP-Bundestagsfraktion im Jahr 2006 ist, und da noch nachvollziehbar, nämlich vor den Regelungen zur Föderalismusreform.

Insofern, finde ich, Sie haben sich selbst klar die Antwort gegeben: Das Konnexitätsprinzip im Grundgesetz ist seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 nicht mehr erforderlich. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Frau Ministerin.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Müller. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die finanzielle Situation der Städte, Gemeinden und Kreise in unserem Land ist häufig hier Gegenstand der Diskussion und wir sind uns, glaube ich, darüber einig, dass es hier eine Reihe von erheblichen Problemen gibt, unter denen unsere kommunalen Körperschaften leiden.

Wenn wir diese sehr globale Aussage einmal versuchen, etwas konkreter zu untersetzen, woher denn die Probleme resultieren, dann werden wir zu einem sehr großen, nicht allein, aber zu einem sehr großen Teil auf den Bereich verwiesen, der in einem klassischen kommunalen kameralen Haushalt im Einzelplan 04 verborgen ist, das heißt, in dem ganzen Bereich der Sozialpolitik einschließlich, so ist das in der alten klassischen Aufteilung, der Politik für Kinder und Jugendliche.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wir haben aber schon die Doppik.)

Die Kosten, die wir hier haben, sind insbesondere die Kosten, die die Handlungsspielräume der Kommunen beschränken, unter denen sie besonders leiden. Wenn wir weiter der Frage nachgehen, wie man zu einer besseren Finanzausstattung kommt, dann wird man feststellen, dass die Kosten, die die Kommunen hier drücken, ganz, ganz hoch von Standards bestimmt werden, die Ergebnis bundespolitischer Festsetzungen sind. Genau das ist es, was uns hier drückt.

Wenn wir dies sehen, dann erinnern sich viele von uns – und der Antrag der Fraktion DIE LINKE zeigt dies auch – an das Verfahren, dass wir im Land Mecklenburg-Vorpommern praktizieren. Im Land MecklenburgVorpommern haben wir seit rund einem Jahrzehnt das strikte Konnexitätsprinzip in der Landesverfassung und auch einzelgesetzlich in der Kommunalverfassung verankert. Ich glaube, das war einer der großen, einer der wesentlichen Schritte für die Kommunen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben. Ich bin heute noch stolz darauf, dass ich daran beteiligt war, aber ich will das nicht allein für mich reklamieren.

(Harry Glawe, CDU: Das denke ich auch, dass das nicht ganz richtig wäre.)

Ich glaube, dass die Einführung des Konnexitätsprinzips in der Landesverfassung genauso wie mit meinem Namen mit dem Namen des Kollegen Dr. Jäger von der CDU-Fraktion verbunden ist

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Kommt auch noch. – Harry Glawe, CDU: Gut, dass wir das noch mal gehört haben jetzt.)

und auch mit dem Namen der Kollegin Gabi, damals noch Schulz, heute Gabi Měšťan, die in der damaligen Fraktion der PDS, der heutigen Fraktion DIE LINKE, an diesem Thema arbeitet. Wir haben das Konnexitätsprinzip, erinnern wir uns, damals einstimmig hier verabschiedet und daran waren alle beteiligt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist wohl so.)

Dieses Konnexitätsprinzip, das wir im Land praktizieren, bewährt sich. Und vor allen Dingen bewährt sich, dass wir hier festgelegt haben, und zwar durch Vertrag zwischen den kommunalen Verbänden und dem Land Mecklenburg-Vorpommern, dass wir nicht nur völlig neue Aufgaben beziehungsweise deren Übertragung als konnexitätsrelevante Tatbestände ansehen, sondern auch die qualitative Veränderung von Aufgaben, die zu Mehrbelastungen der Kommunen führt.