Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

Dieses Konnexitätsprinzip, das wir im Land praktizieren, bewährt sich. Und vor allen Dingen bewährt sich, dass wir hier festgelegt haben, und zwar durch Vertrag zwischen den kommunalen Verbänden und dem Land Mecklenburg-Vorpommern, dass wir nicht nur völlig neue Aufgaben beziehungsweise deren Übertragung als konnexitätsrelevante Tatbestände ansehen, sondern auch die qualitative Veränderung von Aufgaben, die zu Mehrbelastungen der Kommunen führt.

Dieses hat sich bewährt. Dieses ist gut. Dieses ist vernünftig. Und damit stellt sich natürlich sofort die Frage: Warum machen wir das eigentlich nicht gegenüber dem Bund, wenn das hier auf der Landesebene so prima funktioniert?

Allerdings, meine Damen und Herren, wir müssen feststellen, dass die Lage, wenn wir das Verhältnis von Bund und kommunaler Ebene betrachten, wesentlich komplizierter ist, als das beim Land der Fall ist, insbesondere dadurch, dass wir die Länder genau dazwischen haben.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Tatsächlich?)

Aber zunächst einmal: Auch bei bundespolitischen Fragen geht es in der Regel nicht um Aufgabenübertragung völlig neuer Aufgaben, sondern es geht um die Veränderung von Standards, es geht um qualitative Festlegungen. Es geht aber auch um Finanzierungsfestlegungen, die der Bund vornimmt. Ich nenne hier nur einmal als Beispiel die Kosten der Unterkunft.

Meine beiden Vorrednerinnen haben bereits auf eine Reihe von rechtlichen Regelungen hingewiesen, die Föderalismusreform des Jahres 2006 und alles, was damit in der Folge einhergegangen ist, die es einfach als relativ kompliziert erscheinen lassen, auch rechtlich kompliziert, hier das angestrebte Ziel tatsächlich zu erreichen. Das Urteil des Landesverfassungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom Oktober 2010, auf das Kollegin Schwebs zu Recht hingewiesen hat, macht diese Lage auch nicht unbedingt einfacher, denn das Urteil zu sagen, das, was der Bund hier an gesetzlichen Regelungen vorgenommen hat, muss, was die zusätzlichen Kosten angeht, durch das Land Nordrhein-Westfalen ausgeglichen werden, ist etwas, was eigentlich nicht in unserem Sinn ist.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Es ist in unserem Sinne, dass den Kommunen die Mehrkosten erstattet werden,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

aber es ist in unserem Sinne, dass der Verursacher, und das ist die Bundesebene,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja.)

dieses tut, und nicht unbedingt die Landesebene.

Sie sehen auch an diesem Urteil, meine Damen und Herren, dieses Problem ist ein juristisch und politisch ausgesprochen verwickeltes. Ich glaube, wir sind uns in der

Zielsetzung absolut einig, dass wir hier einen Schutzmechanismus für unsere Kommunen brauchen. Wir müssen uns aber sehr sorgfältig überlegen, wie dieser Schutzmechanismus ausgestaltet wird und wie man ihn dann rechtlich verankert.

Wer sich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 13.01.2011, also wenige Tage her, den Aufsatz „Ein Ruck für den Föderalismus“ anschaut – der Aufsatz stammt von Professor Dr. Hans-Günter Henneke, geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistages, also auf der nationalen Ebene der Kommunalpolitik einer der großen Interessenvertreter der kommunalen Ebene –, wo Henneke ein Stück weit zustimmend sogar die Formulierung „Politische Lösung statt Konnexität“ zitiert und wo er die juristischen Stolperdrähte, die es hier gibt, im Einzelnen detailliert darstellt, der weiß, so einfach, wie der Antrag der LINKEN es sich hier macht, so einfach geht es nicht. Ich empfehle den Aufsatz von Henneke Ihrer Lektüre.

Meine Damen und Herren, ich glaube, die Bundespolitik diskutiert im Moment eine Reihe von Dingen, die für unsere kommunale Ebene von großer Bedeutung sein können. Ich glaube, wir müssen hier sehr klar Forderungen formulieren und wir müssen hier auch die Forderungen unserer kommunalen Ebene unterstützen:

Es geht ganz sicher darum, die Gewerbesteuer für die Kommunen zu erhalten.

Es geht darum, ihre Bemessungsgrundlage auszubauen.

Es geht darum, und da schaue ich auch in die Richtung der geschätzten Kollegen von der FDP, dass es Steuersenkungen, die einfach auch die kommunale Einnahmesituation verschlechtern, nicht geben darf.

Es geht um eine Erhöhung der Beteiligungsquote des Bundes bei den Kosten nach SGB II.

Es geht darum, dass der Bund die Grundsicherung im Alter übernimmt.

Und es geht letztlich um ein bundesfinanziertes Leistungsgesetz für Menschen mit Behinderung.

Und es geht darum, dass wir einen Weg finden, wie wir unsere Kommunen wirkungsvoll vor Belastungen durch bundespolitische Entscheidungen schützen.

Das Ziel Ja, aber so einfach, wie es sich der Antrag macht, zu sagen, wir schreiben einfach das Konnexitätsprinzip in das Grundgesetz hinein, Nein.

(Harry Glawe, CDU: Das wird schwierig.)

Deswegen werden wir Ihren Antrag, liebe Kollegin Schwebs und liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, ablehnen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Nicht mal überweisen?)

Nein, Frau Borchardt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wenn es doch schwer ist, das klarzumachen?!)

Frau Borchardt, was soll denn ein Ausschuss des Landtags Mecklenburg-Vorpommern diskutieren, was auf der Bundesebene an Wegen zu finden ist? Das mögen bitte die Gremien auf der Bundesebene machen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ah!)

Der Deutsche Bundestag hat auf Initiative der SPD inzwischen einen Unterausschuss „Kommunales“ des Innenausschusses gebildet.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Oh, ja!)

Das wäre ein gutes Gremium, so etwas zu diskutieren. Auch der Justizbereich – hier hat nicht umsonst die Justizministerin gesprochen – wäre ein gutes Gremium, dieses zu diskutieren.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Und ihr sagt hier, es ist kein Handlungsbedarf.)

Ich glaube aber auch, dass die kommunalen Spitzenverbände, ich verweise noch einmal auf Henneke, dieses Thema diskutieren müssen.

Wir lehnen Ihren Antrag ab,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das fällt Ihnen aber schwer, was?!)

weil er einfach für das komplizierte Problem zu einfach und zu simpel ist. Wir lehnen ihn aber nicht ab, weil wir das Problem nicht sehen, sondern wir sind sehr gern bereit, über dieses Problem weiterzudiskutieren

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das war aber ein dreifacher Rittberger.)

und nach Lösungen zu suchen. Aber diese Lösung sieht nicht so einfach aus wie Ihr Vorschlag, deswegen die Ablehnung. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Müller.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Leonhard. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung nach einer grundgesetzlichen Absicherung des Konnexitätsprinzips ist bekanntermaßen nicht neu. Das haben auch meine Vorredner hier deutlich gemacht. Sie ist auch über Parteigrenzen schon häufig erhoben worden. Auch meine Fraktion, die Bundestagsfraktion, hat im Jahre 2006 einen eigenen Vorstoß gewagt. Im Grunde nach ist dieses Ziel auch nicht abzulehnen, meine Damen und Herren, dennoch wird die FDP-Fraktion diesem Antrag heute nicht zustimmen. Wir werden uns heute zu diesem Antrag enthalten.

Eine Bundesratsinitiative halten wir jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt für nicht sinnvoll. Sie ist zudem auch nicht der einzige mögliche Weg. Hinter diesem ordnungspolitischen Ansatz, das Konnexitätsprinzip im Grundgesetz zu verankern, steht das Ziel, den Kommunen dauerhaft verlässliche Einnahmen zu ermöglichen. Dem sollen etwaige Aufgabenübertragungen mit Kostenlasten nicht entgegenstehen.

Meine Damen und Herren, das Fundament unserer Gesellschaft sind die Kommunen. Das sind die Städte und die Gemeinden, die die Basis unseres Gemeinwesens sind. Um diese Basis dauerhaft zu erhalten, muss auch die grundsätzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung weiter gefestigt und gestärkt werden. In diesem Punkt sind wir uns sicher einig. Natürlich ist die garantierte kommunale Selbstverwaltung auch von der Bundespolitik zu beachten. Die Kommunen müs

sen auch in Berlin hinreichend Gehör und hinreichend Stimme haben.

Um eine finanzielle Stärkung der Kommunen zu erreichen, setzt sich die FDP schon seit längerer Zeit für eine konsequente Gemeindefinanzreform ein. Diese Reform ist dann auch eine Alternative zu dem im Antrag vorgeschlagenen Weg einer Grundgesetzänderung.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Dann hätten Sie mal unseren Anträgen zustimmen sollen zu dem Thema.)

Gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten ist eine verlässliche Einnahmebasis von besonderer Bedeutung. Dieses könnte statt des Gewerbesteueraufkommens einen entsprechenden Anteil am Umsatzsteueraufkommen und ein eigenes Hebesatzrecht auf die Körperschafts- und Einkommensteuer sein.