Protokoll der Sitzung vom 28.01.2011

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Insel Usedom strebt an, eine europäische Modellregion zu werden, eine Modellregion, in der sich nachhaltige Mobilität und Tourismus ergänzen. Die Inselgemeinden, das Bundesverkehrsministerium und das Landratsamt haben sich deshalb gemeinsam ein integriertes Verkehrskonzept unter der Losung „Usedom und Wollin 2015 – Gut erreichbar, verkehrsarm, aber sehr mobil“ erarbeitet. Und das Sahnehäubchen auf der praktischen Umsetzung dieses Verkehrskonzeptes wäre der Wiederaufbau oder besser gesagt der Neubau der Karniner Brücke mit der Wiederbelebung der dazugehörigen Eisenbahnstrecke von Berlin über Pasewalk nach Usedom.

Und alle sind dafür – der Ministerpräsident, der Verkehrsminister, der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Bundes- und Europaabgeordnete unterschiedlicher Couleur, auch die LINKEN, selbstverständlich die Region, die Bürgerinnen und Bürger in der Mehrzahl, die Parteien, die Verwaltung. Es gibt immerhin einen einstimmigen Kreistagsbeschluss im Landkreis Ostvorpommern und auch, was nicht so selbstverständlich ist, das haben wir heute schon zweimal gehört, eine Bürgerinitiative, die sich engagiert, die von der Wirtschaft aus der Region, aus Polen, aus Berlin, aus Sachsen und wer weiß woher noch unterstützt wird. Also auch die LINKEN unterstützen das Vorhaben, und das nicht erst seit gestern oder seit dem letzten Jahr, sondern seitdem dieses Vorhaben diskutiert wird.

Dennoch, meine Damen und Herren, muss man zu dem Antrag einige aufklärende Worte verlieren. Der Verkehrsminister sprach ja auch von offenen Worten, denn das Ziel dieses Antrages heute, meine Damen und Herren, ist klar. Es geht um die beste Ausgangsposition im Wahlkampf in der Region Ostvorpommern. Während vor Ort die SPD im Schulterschluss mit dem Minister das Geschehen dominiert, hat auf der parlamentarischen Ebene mit diesem Antrag die CDU jetzt die Nase vorn. Und damit komme ich zum Inhalt des Antrages.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Blowing in the wind.)

Seit eine Bürgerinitiative 1990 den Abriss der Brücke verhindert hat, und das haben sie gut gemacht, wird regelmäßig über den Wiederaufbau der Brücke diskutiert, so, wie Sie es in Punkt 1 fordern. Das wäre natürlich verkehrspolitisch sinnvoll, insbesondere wenn es dabei um Personen- und Güterbeförderung auf der Schiene geht. Das hätte positive Auswirkungen für die wirtschaftliche Entwicklung der Insel Usedom und auch der Region ÂwinoujÊcie. Aber auch die Tourismuswirtschaft und die auf der Insel Usedom in diesem Bereich Beschäftigten hätten durchaus Vorteile, wenn sie ihren Arbeitsweg mit der Bahn bewältigen könnten, denn immerhin arbeiten gut 16.000 Menschen im Hotel- und Gaststättengewerbe auf Usedom und ökologisch sinnvoller als ein Stop-andGo Tausender Pkws in der Urlaubssaison auf den Straßen Usedoms wäre eine zweite Zuganbindung sowieso.

Aber, meine Damen und Herren Koalitionäre, warum soll der Aufbau der Karniner Brücke da nicht Priorität unter allen Verkehrsprojekten in Mecklenburg-Vorpommern haben? Wer alles will, meine Damen und Herren, so wie Sie, wer keine Prioritäten setzt, wird am Ende gar nichts bekommen. „Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass!“, heißt hier wohl das Hintertürchen für die Koalitionäre bei den abzusehenden Nachfragen der Wählerinnen und Wähler in den nächsten Jahren, wenn sich in der Sache nichts bewegt.

Der Verkehrsminister hat klar und deutlich gesagt, wie problematisch die Umsetzung dieses Vorhabens sein wird. Konkreter und ehrlicher war der Minister da sowieso schon mal vor einem Jahr, als er der Bürgerinitiative Karniner Brücke signalisierte, er würde sich für die Karniner Brücke einsetzen, wenn man ihm ein anderes Verkehrsprojekt benennen würde, das dafür gestrichen werden könnte. Das gilt doch noch, Herr Minister Schlotmann, was Sie im letzten Jahr vor dem Neujahrsempfang in Ostvorpommern geäußert haben?

Der Punkt 2 des Antrages, meine Damen und Herren, die Brücke in den vordringlichen Bedarf aufzunehmen und ein wirtschaftliches Gutachten in Auftrag zu geben,

(Egbert Liskow, CDU: Nicht die Brücke, die Strecke.)

ist eigentlich überholt, denn genau das hat der Verkehrsminister mit seiner Karniner Erklärung bereits im letzten Herbst gefordert. Oder lesen Sie die Verlautbarung nicht gründlich, Herr Liskow?

(Egbert Liskow, CDU: Wir waren dabei, wir waren dabei.)

Genau, aber die Erklärung ist die des Ministers. Das hat er auch ganz deutlich gesagt. Und da trapst der Antrag nämlich wieder hinterher. Herr Minister Schlotmann hat hier gesagt, dass er das bereits beim Bund eingefordert hat.

(Egbert Liskow, CDU: Aber das Parlament soll sich dahinterstellen. – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Sicher ist sicher.)

Ach, das Parlament brauchen Sie dann immer in solchen Situationen, Herr Liskow, wenn es opportun erscheint.

(Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

Außerdem ist das wohl selbstverständlich und eine Voraussetzung für die Aufnahme in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes, dass das Vorhaben auf seine Wirtschaftlichkeit hin geprüft wird. Also ist auch dieser Punkt eigentlich nur heiße Luft.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Mit dem Punkt 3 des Antrages wird die Landesregierung aufgefordert zu prüfen, ob die EU zusätzliche Fördermittel zur Realisierung des Projektes bereitstellen könnte. Da die Wiederinbetriebnahme der Strecke auch ein Beitrag zum europäischen Zusammenwachsen wäre, ist das sinnvoll und wohl auch möglich, denn für grenzüberschreitende Verkehrsprojekte ist eine bis zu 50-prozentige Förderung durch die EU möglich.

Alles in allem, meine Damen und Herren, zusammenfassend kann man zu diesem Antrag sagen: Der Berg kreißte und gebar eine Maus, eine sehr schüchterne und verzagte Maus auch noch. Denn was bedeutet der Finanzierungsvorbehalt in Punkt 1 Ihres Antrages?

(Jochen Schulte, SPD: Aber, Frau Schwebs, am Schluss müssen Sie dem Antrag zustimmen. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Müssen müssen wir gar nicht.)

Also ich zitiere mal: „Dies“, also der Aufbau der Karniner Brücke und die dazugehörige Zugverbindung, „darf nicht zulasten anderer Vorhaben Mecklenburg-Vorpommerns gehen.“ Zitatende. Welche Vorhaben sehen Sie denn in Gefahr, wenn der Wiederaufbau der Karniner Brücke in den vordringlichen Bedarf aufgenommen werden wird?

(Heinz Müller, SPD: Ach, Frau Schwebs!)

Den Ausbau der Schienenstrecke Lübeck–Schwerin– Magdeburg, für den Sie gestern so lautstark und wortgewaltig gekämpft haben und für den auch der Finanzierungsvorbehalt besteht? Oder meinen Sie, die endgültige Fertigstellung des VDE Nr. 1 wird auf den Tag nach dem Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben, weil die Karniner Brücke am Sankt-Nimmerleins-Tag eingeweiht werden könnte? Was wäre denn, meine Damen und Herren Koalitionäre, wenn es zum Schwur kommen würde,

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

wenn entschieden werden müsste, Karniner Brücke oder Ausbau der Strecke Lübeck–Schwerin–Magdeburg infolge der Fehmarnbeltquerung, wenn entschieden werden müsste, weil für beide Projekte nicht genug Geld da ist? Welchen Wählerinnen und Wählern erklären Sie denn, warum Sie sich gegen das favorisierte Projekt entschieden haben?

(Michael Roolf, FDP: Nein, nein, warum ich mich für die Reihenfolge entschieden habe. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist aber das Gleiche, Herr Roolf.)

Das, was Sie mit diesem Antrag tun, meine Damen und Herren, ist der blanke Populismus. Sie bauen für die Öffentlichkeit ein Potemkinsches Dorf, stellen sich als die Helden dar.

(allgemeine Unruhe – Michael Roolf, FDP: Nein, das stimmt nicht! – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist jetzt Wortklauberei. – Michael Roolf, FDP: Nein, nein!)

Klopft man jedoch an die Fassade und fragt nach den Finanzen, dann klingt es nur hohl und fällt am Ende auch noch in sich zusammen. Das, meine Damen und Herren, haben Sie auch gestern bewiesen, als Sie unseren Antrag abgelehnt haben, in dem wir gefordert haben, die Bahndividende aus dem Sparpaket der Bundesregierung herauszunehmen. Der Minister hat darauf verwiesen, 500 Millionen sind das jährlich.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Argumentiert damit und trotzdem wird abgelehnt.)

Das haben Sie unter vielen Pirouetten abgelehnt.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich habe dennoch meinen Kollegen aus der Fraktion geraten, aus Respekt vor dem ehrlichen Engagement in der Region und aus der Überzeugung, dass das integrierte Verkehrsprojekt

(Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Michael Roolf, FDP: Oh! – Heinz Müller, SPD: Von hinten durch die Brust ins Auge für die Tränen und das Taschentuch in der Hand.)

Nein. Ich denke, meine Damen und Herren Koalitionäre, Sie haben nicht richtig zugehört. Ich habe es am Anfang gesagt. Wir stehen hinter dem Projekt, aber dieser Antrag

(allgemeine Unruhe – Heinz Müller, SPD: Und dann begründet, warum Sie da nicht hinter stehen.)

Nein. Ich habe Ihren Antrag als populistisch dargestellt

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das haben wir jetzt dauernd.)

und das ist er auch.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Aber weil wir davon überzeugt sind, meine Damen und Herren, dass dieses integrierte Verkehrsprojekt,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Wenn wir so über die Brücke fahren würden, kämen wir nie rüber.)

das sich die Insel Usedom vorgenommen hat, dass dort Konsens ist,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist eine Achterbahn über die Brücke.)

dass es sinnvoll ist, dieses Verkehrsprojekt umzusetzen, aus diesem Grunde würden wir diesem Antrag zustimmen, obwohl er – und nicht nur eigentlich – eine Farce und Wahlkampfgeplänkel ist. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Vielen Dank, Frau Schwebs.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr stringent.)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Frau Kollegin Schwebs, ich weiß, wie schwer das manchmal sein kann, zu Anträgen zu reden, um dann hinterher in der einen oder anderen Richtung doch noch zu dieser oder jener Stellungnahme für eine abschließende …