Protokoll der Sitzung vom 28.01.2011

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Und dann haben wir den Kollaps auf der Insel.

(Angelika Peters, SPD: Das ist bei uns auch so.)

Das mal als Vorbemerkung zu dem Gesamtthema.

Meine Damen und Herren, es gibt eine Menge von Diskussionen, auch jenseits des Landtages, über den Wiederaufbau der Bahnstrecke Ducherow–Swinemünde– Karniner Brücke, gerade in der Region auf Usedom und um Usedom herum. Diese alte Hubbrücke zwischen Usedom und dem Festland ist eine ständige Erinnerung daran, dass bei der Bahnfahrt von Berlin nach Heringsdorf bis 1945 Reisezeiten extrem kürzer waren, als das heute der Fall ist. Heute braucht man auf dieser Strecke rund viereinhalb Stunden, damals hat man rund zweieinhalb Stunden gebraucht. Das allein, denke ich mal, spricht schon für sich, hier tatsächlich Verkehr auf die Schiene zu bekommen. Das muss man da auch im Hinterkopf haben.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Es hätte viele Vorteile, wenn wir diese Strecke reaktiviert bekommen würden, nämlich die Anbindung der Kaiserbäder, aber aus Swinemünde sind sie schneller erreichbar. Das ist gut für den Tourismus. Wir bekommen mehr Tagesgäste aus Berlin. Eine Verkehrsentlastung wäre damit verbunden, denn der Bahnverkehr wäre logischerweise attraktiver. Aber auch, und das darf man dabei auf keinen Fall unterschätzen, das Zusammenwachsen der Grenzregion ist hier außerordentlich eng damit verbunden.

Deshalb, meine Damen und Herren, sind die verschiedensten politischen Initiativen gestaltet worden, um das Projekt voranzubringen. Ich kann Ihnen sagen, mein Haus und ich in Person oder mein Staatssekretär, Abtei

lungsleiter, Referatsleiter sind extrem häufig auf der Insel Usedom unterwegs,

(Udo Pastörs, NPD: Extrem!)

um genau diese Probleme mit den Betroffenen zu diskutieren, denn Sie wissen, das können Sie sich auch vorstellen, da sind längst nicht alle einer Meinung. Das würde uns auch wundern. Und deswegen versuchen wir einfach, die Fachkompetenz des Hauses da mit einzubringen, welche Lösung an welcher Stelle die richtige ist.

Und, meine Damen und Herren, dazu gehört auch, dass man über die Schwierigkeiten, die mit einem solchen Projekt verbunden sind, offen redet. Das mögen die einen oder anderen ungern hören, aber es gehört einfach dazu, wenn man ernsthaft diese Frage nach vorne bringen will.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Die Finanzierung – wir reden hier über eine Strecke von rund 43 Kilometern – würde Pi mal Daumen rund 140 Millionen Euro kosten. Das ist ein gewaltiger Betrag. Sie wissen, über welche Beträge wir hier teilweise heftig diskutieren, und diese Finanzierung muss durch den Bund erfolgen, da wir hier über eine internationale Fernverkehrsverbindung reden, nicht über eine Nahverkehrsstrecke. Das Ziel muss eigentlich sein, dass diese Strecke in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans kommt. Derzeit ist der Stand der, das Projekt ist im Bundesverkehrswegeplan, das wird häufig nicht ganz auseinandergehalten, aber eben nur mit dem Hinweis, dass weitere Untersuchungen erforderlich sind.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Es ist also nicht so, dass diese Strecke in einer Prioritätenliste schon auf Platz 1, 2, 3, 4 oder 5 steht, sondern mit der Anmerkung, dass hierzu weitere Untersuchungen erforderlich sind. Die hat es dann in der Vergangenheit auch gegeben, die aber nicht zufriedenstellend waren jeweils für die Seite der Befürworter oder derjenigen, die das nicht wirklich mögen.

Wir haben 2008 eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vom Bund mit einem Negativergebnis gehabt. Das heißt, der Wirtschaftlichkeitsfaktor war damals bei 0,73, also deutlich unter 1 angesiedelt. Damit wäre eine solche Strecke auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Fakt ist aber, in diesem Gutachten von 2008 ist zum Beispiel ein Güterverkehr, in welcher Form auch immer, ob Prognose oder Studie, nicht eingerechnet worden. Das heißt also, ein solcher Faktor ist außen vor.

Weitere Untersuchungen durch die DB International im Jahr 2010 zum Güterverkehr waren mit sehr positiven Ergebnissen verbunden, sind aber dann vom Bund – habe ich schriftlich von Herrn Ramsauer – nicht anerkannt worden. Das ist sicherlich sehr ärgerlich für alle, die hinter diesem Projekt stehen, und da haben einige unterschrieben, wie ich selbst in Augenschein nehmen konnte. Der Bund ist weiterhin nicht willens und ich glaube, wir müssen da einen besonderen Druck aufbauen, und zwar auch über die Bundestagsfraktion, auch über die Administration, die uns jeweils in unseren Konstellationen zugänglich ist.

Meine Forderung ist die, dass eine neue Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des Bundes in Angriff genommen wird, und zwar unter Einberechnung des Güterverkehrs. Und das will ich hier ausdrücklich betonen: Dabei müs

sen dann aber auch wirklich alle deutschen und alle polnischen Beteiligten mit am Tisch sitzen, weil es sonst keinen Sinn macht, weil diese Strecke, wenn sie dann wieder eröffnet wird, davon lebt, dass hiermit grenzüberschreitender Verkehr verbunden ist, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Deshalb freue ich mich über diesen Landtagsantrag, der diese politischen Initiativen, die auch wir als Haus in Gang gesetzt haben, unterstützt. Ich sage offen, das gehört zu der Ehrlichkeit dazu, das wird nicht leicht, das wird definitiv nicht leicht. Wir haben hier in den letzten Tagen auch diskutiert. Denken Sie an das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 1! Denken Sie an die Mittelkürzung bei der Bahn! Und ich sage, wenn man das wirklich will und das nicht als Tummelplatz von politischen Profilneurosen nutzen will, sondern wirklich ernsthaft dieses Projekt nach vorne bringen will, dann muss man die Probleme, die damit verbunden sind, auch offen thematisieren.

Und, Herr Roolf, mir ist vorhin etwas durch den Kopf gegangen, das muss ich Ihnen jetzt mal so sagen.

(Michael Roolf, FDP: Bleiben Sie friedlich!)

Ja, ich bin auch jetzt friedlich. Sie waren es ja nicht, der mich überholt hat. Sie haben gestern bei der Diskussion um die Bahndividende hier mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass, wenn die den Gewinn machen, die dann auch die 500 Millionen abgeben müssen und, und, und. Herr Roolf, mit diesen 500 Millionen, da sage ich, würden wir die Karniner Strecke, also die Ducherower Strecke dreimal bauen können.

(Michael Roolf, FDP: Ist doch unstrittig. – Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Das wäre überhaupt gar kein Thema gewesen, da könnten wir uns solche Diskussionen eigentlich dann ersparen und das wäre ein sinnvoller Einsatz dieser Mittel gewesen,

(Michael Roolf, FDP: Ja. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber der Antrag ist abgelehnt worden. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

statt sie auszuschütten und im Gesamthaushalt irgendwo aufgehen zu lassen.

Ja, Sie können sich ruhig darüber aufregen. Ich beziehe mich jetzt auf das Thema Karniner Brücke und Möglichkeiten der Gegenfinanzierung.

(Michael Roolf, FDP: Ja. – Irene Müller, DIE LINKE: Genauso ist es.)

Das beeinflusst aber die FDP und natürlich auch die Kollegen der CDU im Bund und der CSU, muss ich an der Stelle sagen.

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

Die Karniner Brücke liegt nicht in Bayern. Wahrscheinlich würden wir dann anders diskutieren.

(Michael Roolf, FDP: Das ist das Problem. – Heinz Müller, SPD: Vermutlich.)

Aber grundsätzlich betrachten Sie das jetzt mal nur als Randbemerkung.

Trotzdem sage ich, meine Damen und Herren, die Eisenbahnanbindung Karnin hat einen Pluspunkt, den wir bei den meisten anderen Projekten so nicht wirklich haben, nämlich das Interesse von Berlin, das Interesse von Brandenburg – denn vor allen Dingen die Berliner wollen schnell nach Usedom –, aber auch das Interesse Polens, und das müssen wir nutzen. Das müssen wir wirklich nutzen. Wir müssen mobilisieren und die Strategie, die bei uns zumindest dahintersteht, ist, gezielt überall zu werben. Das tun wir. Ich habe etliche Gespräche am Rande der Verkehrsministerkonferenz mit Herrn Ramsauer und den Kollegen aus Berlin und Brandenburg geführt und werbe immer wieder dafür. Wir haben im September 2010 in Anklam die Karniner Erklärung abgegeben, die von Berlin, Brandenburg, aber auch von der polnischen Seite unterstützt wird.

An der Stelle sei auch eingeflochten – und da gucke ich gar nicht durch die Parteibrille –, wenn sich Berlin als Land, wenn sich Brandenburg als Land bei solchen Veranstaltungen und Aktionen des Aktionsbündnisses fotografieren lässt als die großen Unterstützer, das sind ja auch Kollegen mit meinem Parteibuch, dann erwarte ich verdammt noch mal auch, dass sie einen LOI mit uns gemeinsam unterschreiben und wirklich Farbe bekennen, denn letztendlich geht der größte Teil dieser Strecke über das Territorium von Brandenburg und Berlin. Und das sind auch mit die größten Nutznießer. Also erwarte ich auch, dass sie sich per Unterschrift verbindlich dazu erklären. Daran arbeiten wir und dafür werbe ich und wir werden auch weiter Druck machen.

Wir haben als Land das Thema im Rahmen der Oderpartnerschaft auf die Tagesordnung bei vielen internationalen Gesprächen gesetzt und ich lade Sie alle noch einmal ganz herzlich ein. Wir werden am 24. Februar einen Parlamentarischen Abend in Mecklenburg-Vorpommerns Landesvertretung in Berlin zusammen mit dem Ministerpräsidenten durchführen, wo wir massiv für dieses Projekt werben, und wir hoffen auf die Mobilisierung vieler Unterstützer.

Machen wir uns gemeinsam auch über die Kosten Gedanken! Wir als Verkehrsministerium MecklenburgVorpommern stehen vor der Vergabe zu einer Expertise. Diese Expertise soll das klären, denn das ist immer so ein Diskussionspunkt, der nebulös mit eingespeist wird, aber dann, wenn es ernst wird, verflüchtigt sich alles, nämlich die Frage, ob und in welchem Umfange eigentlich europäische Fördermittel zur Verfügung stehen, damit wir auch diese Argumente in der Hand haben und sagen können, also wir reden nicht nebulös darüber, die EU soll gefälligst mitfinanzieren, sondern wir wollen klipp und klar sagen können, aus dem Programm der EU oder aus dem Programm kann man mit EU-Fördermitteln rechnen.

In dem Zusammenhang sei auch gesagt, die Idee einiger, das Land solle rund 250.000 bis 300.000 Euro in die Hand nehmen und ein neues, komplettes Gutachten erstellen lassen, das wird auf meinen entschiedensten Widerstand stoßen, denn wir reden hier nicht – ich habe es vorhin schon mal angedeutet – über Nahverkehr, sondern wir reden über internationalen Fernverkehr. Es ist also originär nicht unsere Aufgabe als Land, einen solchen Betrag zu dem jetzigen Zeitpunkt in die Hand zu nehmen und das zu finanzieren.

Wir sind auf die Unterstützung durch Sie alle angewiesen und ich möchte, ähnlich, wie das der Kollege Liskow getan hat, die Mannschaft um Günther Jikeli hier

ausdrücklich für das Engagement loben, das diese Aktionsgruppe über alle Parteigrenzen hinweg dort vor Ort zeigt. Das zeigt auch, wie bürgerschaftliches Engagement doch einiges bewirken kann, und es ist ein Signal, wie wichtig das Projekt für die Bürger in der Region ist.

Kollege Liskow, an einer Stelle muss ich Ihnen widersprechen, weil ich mir nachher, egal in welcher Funktion, nicht den Vorwurf machen lassen möchte, wir hätten den Leuten nach dem Mund geredet.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

So toll dieses Modell unten war, so toll diese Brücke war, ob es, wenn sie denn wieder aufgebaut wird, genau diese Brücke ist, dazu kann ich Ihnen nur sagen, ich habe gute Erfahrungen mit verschiedenen Modellen gemacht, die Ingenieure entwickelt haben, vor Ort hinzugehen und die Bürger mitdiskutieren zu lassen über die Brücke, die sie haben wollen, unter den Vorgaben, so viel Geld steht zur Verfügung, das sind die Varianten, denn es kommt uns, glaube ich, auf die Strecke als erste Priorität an und in zweiter Hinsicht dann auf möglicherweise denkmalorientierte Silhouetten einer Brücke.

Ich glaube, wenn wir uns da einig sind, dann sollten wir das auch so offen kommunizieren, nicht dass wir die Erwartung wecken, es kommt original die alte Karniner Brücke so, wie sie jetzt als Modell da unten präsentiert worden ist, hin, und nachher ist dann ein böses Erwachen, wenn es heißt, na ja gut, also für das Geld kriegen wir eigentlich nur eine moderne Brücke hin. Wenn wir uns da einig sind, dann haben wir schon viel gewonnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schwebs für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Insel Usedom strebt an, eine europäische Modellregion zu werden, eine Modellregion, in der sich nachhaltige Mobilität und Tourismus ergänzen. Die Inselgemeinden, das Bundesverkehrsministerium und das Landratsamt haben sich deshalb gemeinsam ein integriertes Verkehrskonzept unter der Losung „Usedom und Wollin 2015 – Gut erreichbar, verkehrsarm, aber sehr mobil“ erarbeitet. Und das Sahnehäubchen auf der praktischen Umsetzung dieses Verkehrskonzeptes wäre der Wiederaufbau oder besser gesagt der Neubau der Karniner Brücke mit der Wiederbelebung der dazugehörigen Eisenbahnstrecke von Berlin über Pasewalk nach Usedom.