Protokoll der Sitzung vom 28.01.2011

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

nach Paragraf 353b des Strafgesetzbuches.

Meine Damen und Herren, eine freie Presse ist ganz zweifellos Grundvoraussetzung einer transparenten und offenen Gesellschaft. Insoweit sind auch die angestrebten Gesetzesänderungen ein klares Bekenntnis zu einer freien und unabhängigen Presse. Dieses sollten wir heute in der vorgeschlagenen Form durch Zustimmung zu diesem Antrag deutlich machen. Journalisten sollen recherchieren können, ohne Sorge vor etwaiger Strafverfolgung wegen des Verdachts einer Beihilfe oder Geheimnisverrat. Die Pflicht, bestimmte Informationen geheim zu halten, trifft nur noch die jeweiligen Amtspersonen und nicht den Journalisten. Auch soll der Schutz von Journalisten vor Beschlagnahme verbessert werden. Zukünftig soll nicht bereits ein einfacher, sondern erst ein dringender Tatverdacht gegen den Journalisten ausreichen, um eine Beschlagnahme anzuordnen.

Meine Damen und Herren, damit kein Irrtum entsteht, es geht überhaupt nicht darum, Journalisten einen straf

rechtlichen Freibrief zu erteilen. Das wäre ja geradezu absurd.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ach!)

Auch Medienangehörige können an der Verletzung eines Dienstgeheimnisses oder einem Geheimnisverrat in strafbarer Weise beteiligt sein. Eine etwaige Anstiftung zum Verrat und die Förderung der eigentlichen Tathandlung bleiben nach wie vor strafbar.

Meine Damen und Herren, zu der Initiative auf Bundesebene gab es auch kritische Stimmen. Das gehört der Vollständigkeit halber bei der Einbringung dieses Antrags auch dazu. Kritiker meinten, es handele sich um Sonderregelungen für Journalisten und diese würden das verfassungsrechtliche Gefüge, in dem sich die Pressefreiheit befindet, zum Nachteil des Interesses an einer effektiven Strafverfolgung beeinträchtigen. Das geltende Recht in der Auslegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nach dieser Auffassung ausreichend. Man müsse also nichts ändern.

Diese Auffassung teilt meine Fraktion nicht, denn mithilfe von Ermittlungsmaßnahmen gegen Journalisten ist dem Vernehmen nach auch der Nebenzweck verfolgt worden, über den Journalisten an den eigentlichen Täter des Geheimnisverrats heranzukommen. Selbstverständlich ist es notwendig, undichte Stellen im Staatsapparat aufzuspüren, allerdings nicht über den Umweg der Verfolgung von Journalisten.

Auch die schon zitierte „Cicero“-Entscheidung hat keine allerletzte Klarheit geschaffen. Die dargestellte Praxis zeigt ja gerade, dass das geltende Recht eben nicht eindeutig genug Grenzen für unangebrachte Ermittlungsmaßnahmen gegen Journalisten setzt. Daher ist der Gesetzgeber gefragt und sollte selbst für Klarheit sorgen.

Meine Damen und Herren, neben den Präzisierungen zu einer etwaigen Strafbarkeit soll es auch eine Änderung im dazugehörigen Verfahrensrecht geben. Es geht um einen besseren Schutz der Journalisten vor Beschlagnahmen. Schon heute dürfen Polizei und Staatsanwaltschaft Material, das Journalisten von Informanten erhalten haben, nur unter engen Voraussetzungen und nach einer strengen Abwägung mit der Pressefreiheit beschlagnahmen.

(Angelika Peters, SPD: Ist das im Rahmen des Gesetzes?)

Diese Hürde soll zugunsten der Pressefreiheit noch etwas höher gelegt werden.

(Angelika Peters, SPD: Und wozu brauchen wir das Gesetz?)

Meine Damen und Herren, letztlich wird mit den geplanten Änderungen die Pressefreiheit besser als bisher geschützt werden. Damit werden dann auch die Bürgerrechte und das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat gestärkt. Und aus diesem Grund bitten wir den Landtag Mecklenburg-Vorpommern, dieses Gesetzesvorhaben auf Bundesebene ausdrücklich zu unterstützen. Und ich bitte aus diesem Grund um Unterstützung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke, Herr Leonhard.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart.

Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Peters von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Leonhard, ich weiß gar nicht, warum Sie in die 60er-Jahre zurückgehen.

(Gino Leonhard, FDP: Ich habe über WikiLeaks gesprochen, ganz aktuell.)

Nehmen Sie doch ganz einfach das Urteil vom 27. Februar 2007 des Bundesverfassungsgerichts, das sogenannte „Cicero“-Urteil! Da werden ja die Rechte der Journalisten deutlich gestärkt. Und Sie beklagen das Gegenteil.

Sie wissen ja auch, dass Anlass des Rechtsstreites bei diesem Urteil ein Artikel der Journalisten war in der Zeitschrift „Cicero“, in dem aus vertraulichem BKA-Material, also aus dem vertraulichen Papier eines Terroristen zitiert wurde. Die Verfassungsbeschwerde des Chefredakteurs dagegen, die daraufhin erfolgte, Durchsuchung der Redaktionsräume der Zeitschrift, war erfolgreich, also sie haben was gefunden, aber das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses im Sinne des Paragrafen 353b Strafgesetzbuch durch einen Journalisten nicht ausreicht, um wegen des Verdachts der Beihilfe zum Geheimnisverrat gegen ihn zu ermitteln. Es reicht nicht aus, so das Urteil.

Die Bundesjustizministerin möchte die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts nun in Gesetzesform gießen. Dieses Vorhaben stößt in der Fachwelt aber auf Ablehnung, meine Damen und Herren, völlig auf Ablehnung. Auch der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer hat sich entsprechend geäußert. So seien Sonderregelungen für Journalisten nicht erforderlich, besonders was einen Ausbau der strafprozessualen Möglichkeiten betrifft. Jede weitere Privilegierung von Medienangehörigen würde das verfassungsrechtliche Gefüge, in dem sich die Pressefreiheit befindet, aus der Balance heben. Also der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer hat sich dagegen ausgesprochen.

Ähnlich sieht es auch der Deutsche Richterbund. Schon das geltende Recht, so der Richterbund in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes, trage dem Ausgleich der verschiedenen Interessen hinreichend Rechnung. Die vorgeschlagene Regelung habe letztlich nur Symbolcharakter und könne in Zukunft mehr Fragen aufwerfen als bisher. Also auch der Richterbund spricht sich dagegen aus.

Meine Damen und Herren, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind Streitfragen, die es bis dahin gab, geklärt. Es ist kaum vorstellbar, dass jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen Journalisten – also zu dem Zeitpunkt jetzt auch ohne Gesetz – eingeleitet wird, die vertrauliche Dokumente veröffentlichen, nur vertrauliche Dokumente veröffentlichen. Die Beihilfe zu irgendwelchen Straftaten mit diesen Dokumenten, das ist natürlich klar, dass sie dann verfolgt werden. Wenn sie mit diesen Dokumenten Beihilfe leisten, müssen sie verfolgt werden.

Verfahren wird es nur geben, und das sagte ich eben, das zu Recht, wenn Journalisten sich aktiv an einem Verstoß gegen Paragraf 353b Strafgesetzbuch beteiligen, etwa in Form der Anstiftung, der Mittäterschaft und der Beihilfe. Die bloße, ich wiederhole noch mal, die bloße Veröffentlichung ist auf jeden Fall nicht strafbar. Die bisherige Rechtslage behindert investigativen Journalismus nicht.

Meine Damen und Herren, für die SPD ist die Pressefreiheit ein hohes Gut. Was den in Rede stehenden Gesetzentwurf anbelangt, drängt sich allerdings der Eindruck eines verzweifelten Profilierungsversuches auf. Es spricht für sich, dass der Bundesrat in seiner Sitzung am 15. Oktober 2010 von einer Stellungnahme zu dem Gesetz abgesehen hat, nachdem der federführende Rechtsausschuss dem Bundesrat zuvor mit ähnlichen Gründen wie die Juristenverbände empfohlen hat, den Gesetzentwurf abzulehnen. Also niemand will ihn. Wer braucht ihn?

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Na, so einfach ist es nun auch nicht.)

Ungeachtet der Frage, ob es sich lediglich um Symbolpolitik und Profilierungsstreben handelt, ist der hier vorliegende Antrag reine Selbstbeweihräucherung der FDP, meine Damen und Herren, ein Antrag frei nach dem Motto: „Freiheitsrechte schützen – Pressefreiheit stärken – Leutheusser-Schnarrenberger zujubeln“. So einem Antrag werden wir nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Frau Peters.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Vizepräsident Herr Bluhm von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Peters, so einfach ist es nicht. Ich glaube schon, die Frage, die am vorgestrigen Tage in der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages stattgefunden hat und wo man im Internet auf der entsprechenden Dokumentenseite des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages die dort Angehörten mit ihren schriftlichen Stellungnahmen studieren kann, macht schon deutlich, dass es eine relativ komplizierte Gemengelage gibt und dass es durchaus Vertreter der öffentlichen Meinung gibt, die eine entsprechende gesetzliche Novellierung für erforderlich halten. Ich komme im Zusammenhang meiner Rede darauf zurück.

Aber bleiben wir zuerst bei dem Antrag, den uns die Fraktion der FDP hier heute zur Behandlung vorgelegt hat.

Satz 1: „Der Landtag bekennt sich zu einer freien, unabhängigen Presse.“

Jawohl, meine sehr verehrten Damen und Herren, dagegen wird wohl kaum jemand außer einer Fraktion in diesem Hause etwas haben. Ich denke, wir haben auch im Rahmen anderer medienpolitischer Debatten diese Frage mehrfach hier öffentlich diskutiert und klar die Positionen ausgetauscht. Dem kann, dem Satz 1, meine Fraktion auch nur noch einmal ganz ausdrücklich zustimmen.

Aber deswegen werden wir dem Antrag trotzdem nicht zustimmen können, weil er sozusagen aus zweierlei Gründen eigentlich hier heute nicht hergehört. Erstens

ist es in der Tat ein ausschließliches bundespolitisches Rechtssetzungsthema, soweit es um die entsprechenden gesetzlichen bundesrechtlichen Regelungen geht, und dann, mit Verlaub, haben Sie in Ihrem Antrag auch etwas sozusagen an den Formulierungen gedreht, die es schwer machen, dem zuzustimmen.

Da heißt es dann in Satz 2: „Die Achtung der Pressefreiheit ist ein elementarer Bestandteil einer demokratischen gesellschaftlichen Ordnung.“

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht die Achtung der Pressefreiheit ist es, was die Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, sondern die Pressefreiheit selbst ist das Fundament. Wie stellt doch das Bundesverfassungsgericht in seinem „Cicero“Urteil fest? Die Pressefreiheit ist „konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung.“

Und in Satz 4 formulieren Sie, ich darf zitieren: „Damit Medienangehörige auch zukünftig ihrer Aufgabe zur Kontrolle des staatlichen Handelns ungehindert nachgehen können, ist der Gesetzentwurf auf Bundesebene zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht zu unterstützen.“

Nun, welchen Gesetzentwurf meinen Sie? Sie meinen sicherlich den der Bundesregierung. Aber es gibt im parlamentarischen Verfahren des Deutschen Bundestages auch noch einen zweiten einer Oppositionsfraktion, der ebenfalls zur Debatte steht. Und da ist dann schon die Frage, da es zwei Gesetzentwürfe gibt und aus Ihrem Antrag nicht so ganz klar ist, welchen Sie eigentlich unterstützen oder wir unterstützen sollen, ist es auch schwerlich möglich, sich zu diesem Satz in Ihrem Antrag zu verhalten, ganz einfach weil meine Fraktion mehr Sympathien für den Gesetzentwurf von Bündnis 90/ Die Grünen hat und diesbezüglich auch entsprechende Änderungsanträge in den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eingebracht hat. Also von daher werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Und diese Diskussion findet zu Recht auch auf der Bundesebene inhaltlich statt. Ich habe die am 26. Januar stattgefundene Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages bereits erwähnt. Und ich empfehle Ihnen in der Tat, die Stellungnahmen, die auch im Internet nachzulesen sind, tatsächlich noch mal anzugucken.

Und damit gibt es schon auch interessante Konstellationen, die eine entsprechende gesellschaftliche und gesetzespolitische Novellierung des geltenden Rechts anmahnen. Und ich möchte gerne verweisen auf einen Sachverhalt, der in Deutschland nicht so ganz üblich ist, nämlich eine gemeinsame Stellungnahme – eine gemeinsame Stellungnahme! – der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD), des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, des Deutschen Journalisten-Verbandes, der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, des Deutschen Presserates, des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger, des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien und des Zweiten Deutschen Fernsehens.

Und in diesem gemeinsamen Gutachten aller dieser so unterschiedlich an der Pressefreiheit Beteiligten, der Träger der Pressefreiheit in Deutschland, kann man sehr detailliert nachlesen, wie sie, also diese gemeinsam, die Entwicklung der Pressefreiheit bei uns in Deutsch

land novelliert sehen wollen. Und da finde ich für meine Fraktion schon eine ganze Menge Anknüpfungspunkte, aber wie gesagt, es ist ein bundesrechtliches Thema und gehört eigentlich nicht in eine parlamentarische Debatte hier.