Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

Der vorliegende Gesetzentwurf klärt Ziele, Inhalte, Verfahrenswege und Leistungsanforderungen in der Lehrerbildung. Er regelt auch inhaltliche und personelle Zusammenarbeit zwischen den an der Lehrerbildung beteiligten Institutionen.

Die Lehrämter, für die ausgebildet wird, sollen in ihrer Struktur dem Schulsystem in Mecklenburg-Vorpommern entsprechen. Das habe ich schon erwähnt. Für die Ausbildung in den verschiedenen Lehrämtern werden unterschiedliche Kompetenzprofile, aber auch ein gleichwertiges Anspruchsniveau vorausgesetzt. Die Kompetenzprofile korrelieren mit den spezifischen Qualifikationsanforderungen für die jeweiligen Lehrämter.

Der Vorbereitungsdienst wird verkürzt und in wesentlichen Teilen curricular neu gestaltet. Intendiert ist eine größere Praxisnähe und Orientierung an realen Schulbedingungen durch eine gestiegene Bedeutung und Verantwortung der ausbildenden Schule für den Erfolg des Vorbereitungsdienstes. Sowohl das Studium als auch der Vorbereitungsdienst schließen weiterhin mit einer Staatsprüfung ab.

Wie Sie sehen, ist es ein sehr umfangreiches Regelungswerk, das aber sehr bestimmend auch für die Bildung bei uns im Land sein wird. Und weil das so ist, möchte ich Sie zu einer größtmöglichen Zustimmung für eine Überweisung dieses Gesetzentwurfes bitten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Torsten Renz, CDU: Sehr richtig, Herr Reinhardt.)

Danke, Herr Renz.

Vielen Dank, Herr Reinhardt.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete und Vizepräsident Bluhm für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Reinhardt, ich hatte eben ein Déjà-vu.

(Matthias Mantei, CDU: War es schön?)

Fair wäre gewesen, Sie hätten gesagt, Sie zitieren jetzt aus der „Allgemeinen Begründung“ des Gesetzentwurfes. Es war sehr erbauend, noch einmal vorgetragen zu bekommen, was auf den Seiten 18 und 19 der von Ihnen eingebrachten Drucksache hier steht, mit Verlaub.

Aber wir haben nun den Tagesordnungspunkt 13. 13 ist manchen Kulturen...

Ja, aber wenn man ihn dann wortwörtlich zitiert aus der Begründung, dann sollte man zumindest so ehrlich sein zu sagen – mit dem Zitieren haben wir sozusagen unsere Erfahrungen der letzten Wochen –, woher dieses dann kommt.

(allgemeine Unruhe – Heinz Müller, SPD: Ja, ja.)

Ja, doch, das wird man sozusagen, wenn man das Protokoll dieser Landtagssitzung verfolgt, nebeneinanderlegen und gut mitlesen können. Ich habe es eben genauso gemacht.

(Torsten Renz, CDU: Dann passen meine Zwischenrufe ja gar nicht.)

Aber Tagesordnungspunkt 13, wie gesagt, in manchen Kulturen ist das eine Zahl, die Glück verheißt. In der deutschen ist es eher so, dass die 13, meistens jedenfalls, eine Unglückszahl ist. Und so steht, glaube ich, auch die ganze Geschichte dieses Lehrerbildungsgesetzes nicht unter einem glücklichen Stern.

Ich will hier auch gar nicht auf die ganzen historischen Verwerfungen eingehen, nur so viel, damit auch nicht wieder ein Vorwurf an meine Fraktion kommt: Ja, auch in der rot-roten Koalition stand ein entsprechendes Lehrerbildungsgesetz – das habe ich im Übrigen in der letzten Debatte schon gesagt – in dem Koalitionsvertrag. Und vor dem Hintergrund der nicht abgeschlossenen Vereinbarung der Kultusminister war es nicht mehr möglich, einen entsprechenden Gesetzentwurf zu Zeiten von Rot-Rot einzubringen. Aber, auch das habe ich schon gesagt, 2007 war man sich dann einig. Wir sind jetzt kurz vor dem Ende der Legislaturperiode und jetzt also dieser Gesetzentwurf.

Bevor ich zu dem eigentlichen Punkt komme – mich hat ja Mathias Brodkorb so ein bisschen in einer gewissen Art und Weise der Beratung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Schulreformgesetzes in eine Ecke gestellt. Ich will das noch mal deutlich sagen, der Rechtsverstoß,

den wir damals festgestellt haben, war die Neuordnung der ersten Phase ab dem 1. April 2010. Das hatte mitnichten etwas zu tun mit dem heute Vormittag verabschiedeten Gesetz von Ihnen.

(Mathias Brodkorb, SPD: Ja, na klar.)

Es ging nämlich damals nicht um die Verkürzung des Referendariats, sondern um die Neuordnung der Abläufe.

Wie wir in der heutigen Tagesordnung sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, erreicht das ministerielle Stakkato von Gesetzen und Verordnungen zum Ende der Legislaturperiode nun eine immense Taktfrequenz. Und um in einem Bild zu bleiben, die Spielzeit geht zu Ende. Und da die Planung dieser Spielzeit inzwischen aus dem Ruder läuft, dürfen jetzt vermehrt die Koalitionsfraktionen als Solisten in diesen Aufführungen auftreten.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Wie wahr!)

Gleich bei zwei Gesetzentwürfen, die wir heute behandeln, stehen die Koalitionäre im bildungspolitischen Rampenlicht, während der Bildungsminister im Orchestergraben den Taktstock schwingt. Wenn die Partitur am Ende des Aktes nicht stimmen sollte, kann der Dirigent immer noch auf den mangelhaften Resonanzraum der Vorsänger verweisen, der der Qualität der Aufführung nicht entsprach. Und die aufgeführten Stücke heißen Gesetzentwurf zur Verkürzung des Vorbereitungsdienstes, das wurde heute Morgen schon aufgeführt, und jetzt also Akt 13, ein Lehrerbildungsgesetz für MecklenburgVorpommern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was hier aufgeführt wird, könnte man als schlechte Komödie abtun. Für die Politik in diesem Land jedenfalls ist es eine parlamenta rische Tragödie. Trotz dieser etwas provokanten Beschreibung des Bildes ist das Thema, über das wir hier reden, bitterernst.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das war aber die Realität, Andreas.)

Im Koalitionsvertrag 2006 beschlossen, mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen 2007 untermauert und seitdem mehrfach angekündigt, liegt er nun heute auf dem Tisch des Hauses, der Entwurf eines Lehrerbildungsgesetzes. So muss, so der erklärte Wille der Koalitionsfraktionen und der Landesregierung, dieser Entwurf bis zum Juli 2011 abschließend behandelt sein, weil er zum 01.08. in Kraft treten soll.

Neben dem Schulgesetz ist ohne Frage ein Lehrerbildungsgesetz eines der wichtigsten gesetzlichen und juristischen Grundsatzdokumente für den Bildungsbereich, das man sich überhaupt denken kann. Die Tatsache, dass dieser Gesetzentwurf aus rein zeitlichen Gründen von den Koalitionsfraktionen vorgelegt werden muss, ist ein Armutszeugnis. Darüber habe ich heute Morgen zu einem anderen Tagesordnungspunkt schon gesprochen.

Eigentlich gehört die Vorlage eines solchen Gesetzentwurfes zu den Kernaufgaben eines Bildungsministeriums. Wir haben zwar immer wieder ein Lehrerbildungsgesetz angemahnt, aber so, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie es jetzt vorliegt und wie das Verfahren ausgestaltet werden wird, wäre es besser gewesen, es in der nächsten Legislaturperiode erneut in Angriff zu nehmen, und zwar ausdrücklich nicht im Hinblick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung der LINKEN, sondern im Hinblick auf ein vernünftiges, solide ausgestaltetes,

perspektivisches Verfahren, das den neuen Anforderungen gerecht wird.

Ich halte es schlichtweg für abenteuerlich, ein juristisch und bildungswissenschaftlich so komplexes Gesetzesvorhaben nicht in einer dafür angemessenen Zeit zu beraten. Ich habe auch große Zweifel, die will ich an dieser Stelle schon mal kundtun, ob der vorliegende Gesetzentwurf überhaupt den selbst gestellten Anforderungen gerecht wird. Denn sieht man sich die Formulierungen im Einleitungstext des Gesetzentwurfes genauer an, so muss man den Eindruck gewinnen, die Hauptzielstellung ist nicht eine grundlegende Reform der Lehrerbildung, die auch meine Fraktion befürwortet, sondern zuerst die Bekämpfung des perspektivischen Lehrermangels und die damit verbundene Sicherung der Unterrichtsversorgung.

Die Ausgestaltung und Sicherung einer qualitätsgerechten und zukunftsweisenden Lehrerbildung als Grundlage für die Umsetzung der Forderungen des Schulgesetzes findet nur am Rande statt. Über die haushalts neutrale Finanzierung des Studiums, des Vorbereitungsdienstes und der Fort- und Weiterbildung will ich erst gar nicht reden. Das ist unrealistisch, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Was wir als Entwurf bekommen haben, lässt sich wie folgt beschreiben: Wir haben ein Lehrerbildungsgesetz mit 22 Paragrafen, davon allein 3 für Verordnungsermächtigungen und Übergangsbestimmungen. Und für die Umsetzung der restlichen 19 Paragrafen gibt es über 20 weitere Verordnungsermächtigungen. Was wir hier haben, ist ein Rumpfgesetz mit Verordnungsermächtigungen. Da wäre es doch einfacher gewesen zu sagen, Paragraf 1: Wir machen Lehrerbildung in MecklenburgVorpommern. Paragraf 2: Der Minister wird ermächtigt, alles dafür Notwendige zu regeln. Aus die Maus!

(Zuruf von Matthias Mantei, CDU)

Die konkrete, wirklich inhaltliche und juristische Ausgestaltung der Lehrerbildung, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird komplett in der Perspektive dem Bildungsministerium überlassen. Wir alle wissen aus schmerzlicher Praxis, dass damit der Gesetzgeber, also wir, seine Gestaltungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten freiwillig aufgibt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf ist nicht das Ergebnis einer vorher stattgefundenen breiten Diskussion in Fachkreisen. Die Universitäten wurden nur marginal einbezogen. Das Zentrum für Lehrerbildung hat erst mit Schreiben vom 7. Februar dieses Jahres eine Stellungnahme abgegeben. Selbst die wenigen im Land vorhandenen Bildungs- und Erziehungswissenschaftler oder Fachdidaktiker wurden nicht hinzugezogen. Dafür soll nun nach Paragraf 3 Absatz 4 ein neuer Beirat für Lehrerbildung und Bildungsforschung beim Bildungsministerium eingerichtet werden. Er soll, Zitat, „beratend“ und unterstützend tätig werden und er soll vor der Umsetzung konzeptioneller Veränderungen angehört werden. Wirkliche Befugnisse und Eingriffsmöglichkeiten hat er damit nicht.

Das Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung erhält umfangreiche Aufgaben nach Paragraf 3 Absatz 3 und Paragraf 4 Absatz 5. Wie aber, meine sehr verehrten Damen und Herren Koalitionäre, das das ZLB überhaupt bewältigen soll, ist völlig offen. Das ZLB besteht derzeit aus einem Hochschullehrer als Leiter und zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern.

Besonders irritierend ist die Festlegung in Paragraf 20 Absatz 1, wonach das Bildungsministerium ermächtigt werden soll, ich zitiere, „durch Rechtsverordnung das Nähere zu den Aufgaben, der Organisation und den Befugnissen des Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung zu regeln“. Ende des Zitats. Wie verträgt sich das mit Hochschulautonomie, meine Damen und Herren von der Koalition?

(Zuruf von Minister Henry Tesch)

Der Bildungsminister hat am 22. Januar 2009 das ZLB offiziell eröffnet. In einer großen Presseerklärung hat er damals den umfangreichen Arbeitsbereich beschrieben. Fairerweise will ich nicht verschweigen, dass der Minister auch damals schon darauf verwies, dass die Kompetenzen des ZLB mit einem Lehrerbildungsgesetz verankert werden sollen. Das findet sich ja jetzt da auch. Aber das Verfahren übertragen heißt, wir gründen erst einmal und sehen dann, was wir damit anfangen können.

Was den Teil der universitären Ausbildung betrifft, bin ich ohnehin sehr gespannt auf die Anhörung. Die derzeitige personelle und finanzielle Ausstattung wird den Anforderungen insbesondere in Bezug auf die Didaktik überhaupt nicht gerecht. Ich gehe mal davon aus, dass den Universitäten nicht wirklich klar dargestellt wurde, was sie mit den Zielvereinbarungen bezogen auf die Lehrerbildung wirklich unterschrieben haben.

Und für besonders kritikwürdig halte ich die in Paragraf 6 ausgewiesenen Lehrämter und die dazu ausgewiesenen inhaltlichen Vorgaben. Es handelt sich aus Sicht meiner Fraktion hier um eine rückwärtsgewandte Struktur, die das gegliederte Schulsystem zementiert. Sie entsprechen in keiner Weise den aktuellen und perspektivischen Erfordernissen eines zukunftsweisenden Bildungssystems und sie sind damit auch völlig ungeeignet, den Anforderungen einer inklusiven Bildung auch nur im Ansatz gerecht zu werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Und wie das die Kolleginnen und Kollegen der SPDFraktion mit ihren politischen Grundsätzen vereinbaren, ist mir schleierhaft. In anderen Bundesländern geht man über zu den schulartübergreifenden Lehrämtern, was auch meine Fraktion favorisiert.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ach, selbst das Bildungsministerium schreibt das in seinen Maßnahmenplan.)

In anderen Ländern hat man längst erkannt, dass perspektivisch eine hohe Flexibilität beim Einsatz der Lehrkräfte erforderlich wird. Die Einteilung von Lehrämtern in die starren Formen von Schularten wird dort sukzessive abgeschafft, bei uns aber beibehalten. Die zunehmende Zahl von integrativen, insbesondere kooperativen Gesamtschulen, von Schulverbünden oder Gemeinschaftsschulen auch bei uns im Land wird überhaupt nicht berücksichtigt. Gerade sie erfordern doch aber eine flexible und schulstufenübergreifende Organisation der Lehrämter.

Nun mag man wieder den Vorwurf der Ideologie postulieren, Herr Mantei, vielleicht, aber wenn eine der wesentlichen Begründungen für den Gesetzentwurf der drohende Lehrermangel ist, dann ist nicht zu verstehen, warum man auf die Möglichkeiten einer Flexibilität beim Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern in diesem Land von vornherein in der Ausbildung schon begründet verzichtet.

Und bei den inhaltlichen Vorgaben der Lehrämter in Paragraf 6 gibt es eine Reihe von Widersprüchen. Ich nenne sie hier nur exemplarisch. Warum gibt es bei den Grundschulen und bei den Förderschulen keine verbindlichen Vorgaben für die Fachdidaktik? Warum liegt der verbindliche Anteil der Fachdidaktik und Bildungswissenschaften bei den Regionalen Schulen bei 30, bei den anderen aber nur bei 20 Prozent? Beim Gymnasium wird der Anteil zu dem jetzigen Zustand sogar reduziert. Er beträgt gegenwärtig nämlich 22 Prozent.

Warum tauchen die in Paragraf 1 Absatz 2 für den Lehrerberuf relevanten Professionsfelder zur individuellen Förderung oder zu pädagogischen Kompetenzen bei sozialpädagogischen Problemstellungen nicht auf,