Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe mit meinen Ausführungen deutlich gemacht, dass die Regierungsfraktionen einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der in allen Aspekten

(Peter Ritter, DIE LINKE: Der in Ihrem Hause entstanden ist.)

verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Anregungen der Sachverständigen aus der Anhörung wurden aufgenommen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Welche denn?)

wie zum Beispiel im Fall der Umsetzung des Ratsbeschlusses von Prüm. Und ich möchte noch einmal betonen, wenn einige behaupten, manche Vorschriften seien unnötig, weil sie angeblich zu wenig angewendet werden, liegen Sie falsch.

(Torsten Renz, CDU: Richtig. – Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz. )

Einige Vorschriften stellen wegen ihrer Eingriffsqualität zu Recht sehr hohe Voraussetzungen an ihre Anforderungen, teilweise bedürfen sie deswegen ja sogar einer richterlichen Entscheidung. Dessen ist sich die Polizei stets bewusst und geht deshalb sehr verantwortungsbewusst mit ihren Befugnissen um. Wenn nun in einem Fall die körperliche Unversehrtheit oder gar ein Leben geschützt werden konnte, hat sich diese Vorschrift, und sei sie noch so selten benutzt worden, bewährt. Wir reden hier über Menschenleben, und die sollten doch, lieber Herr Ritter, im Vordergrund stehen.

(Torsten Renz, CDU: Richtig. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Wir sollten uns glücklich schätzen, dass die Polizei in unserem Land nicht häufiger auf solche Befugnisse zurückgreifen muss. Mit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes wird Mecklenburg-Vorpommern wieder über ein aktuelles und an die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes angepasstes Polizeigesetz verfügen. Unsere Polizeibeamten und die Mitarbeiter der Ordnungsbehörden erhalten alle notwendige Eingriffs befugnisse, um die Sicherheit in unserem Land bestmöglich zu gewährleisten. Das ist der Zweck dieses Gesetzes und darauf kommt es an.

Noch ein Wort zu Ihnen, meine lieben Kollegen von der LINKEN, und teilweise auch zu Ihnen, meine lieben Kollegen von der FDP: Mit abgehobenen und mit weltfremden juristischen Diskussionen kann man die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern nicht gewährleisten.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Oh, das ist ein schwerwiegender Satz!)

Sie folgen in der Innenpolitik dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Vincent Kokert, CDU: Richtig.)

Nein, nein, Herr Ritter, hier muss man sich bekennen

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja.)

und auch bereit sein, im Interesse seiner Landesbediensteten Verantwortung zu übernehmen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das wollen wir gerne tun.)

Sicherheit für unsere Bürgerinnen – Ja oder Nein?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sein oder Nichtsein?)

Das ist letztendlich hier die Frage.

Und deswegen sage ich Ihnen, Sie täten gut, wenn Sie wie die Regierungsfraktionen Ja zu diesem Gesetz sagen würden, Ja zu dem Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja.)

und Ja zur Sicherheit unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Einsatz.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich bedanke mich bei allen, die so tatkräftig an der Beratung im Fachausschuss mitgewirkt haben. – Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Heinz Müller, SPD: Jawohl.)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Leonhard von der Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon manchmal etwas erstaunlich, wie selbst ein Minister mit dem Thema Rechtsstaat umgeht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Wenn wir, und das nehme ich jetzt für meine Fraktion in Kauf und für meine Person in der Funktion des innen politischen Sprechers, durchaus der Auffassung sind, dass es hier sehr deutliche verfassungsrechtliche Bedenken gibt,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

dann steht das weiterhin so im Raum. Das hat nichts damit zu tun, dass ich es nicht als vordringlich ansehe, dass der Schutz der Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern gewährleistet sein muss.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP)

Das will ich dann hier noch mal vorwegschicken. Aber wir haben hier auch nur sehr wenig Redezeit, insofern will ich mich auf den eigentlichen Gesetzesentwurf konzentrieren.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aber das musste doch gesagt werden.)

Mit der Mehrheit – und mein Kollege Ritter hat das hier ja angedeutet –,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da lacht der noch.)

mit der Mehrheit der regierungstragenden Fraktionen

(Peter Ritter, DIE LINKE: Rechtsstaat, Rechtsstaatspartei, da lacht der noch.)

von SPD und CDU wird der Landtag heute den Gesetzesentwurf zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes verabschieden. Meine Fraktion wird diesem Entwurf nicht zustimmen. Nach wie vor gibt es zu unterschiedliche Auffassungen, ob einzelne Maßnahmen wirklich dauerhaft erforderlich und damit letztlich auch angemessen sind. Und die Anhörung im Innenausschuss hat die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einzelner Regelungen eher noch verstärkt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Ein Kritikpunkt ist sicher nach wie vor im Bereich der allgemeinen Befugnisse zur Datenerhebung zu sehen. Mit einer Ergänzung im Sicherheits- und Ordnungsgesetz soll nun etwas nachgeholt werden, was angeblich längst gängige Praxis ist, nämlich das Speichern bestimmter personenbezogener Daten entsprechend dem Landesdatenschutzgesetz. Nach den dortigen Grundsätzen ist die Verarbeitung personenbezogener Daten, zu denen übrigens auch eine etwaige Gewerkschafts- oder Parteizugehörigkeit zählt, unter anderem nur zulässig, wenn eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder zwingend voraussetzt. Ob in der Vergangenheit personenbezogene Daten trotz fehlender Rechtsgrundlage im SOG erhoben worden sind, wurde auch stark in der Öffentlichkeit diskutiert. Jedenfalls soll es jetzt eine ausdrückliche Rechtsgrundlage dafür geben.

Die Neuregelung zu Bild- und Tonaufzeichnungen an öffentlich zugänglichen Orten halten wir ausdrücklich für zu weitgehend. Wir hatten vorgeschlagen, die Vorschrift restriktiver zu fassen. Dieses sollte sich nach unserer Auffassung auch bei der entsprechenden Dokumentation der Anordnung durch den Behördenleiter widerspiegeln. Nach der Formulierung im Gesetzesentwurf reicht ab sofort bereits ein, der Innenminister hat es definiert, die Öffentlichkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schädigendes Ereignis. Was auch immer man hier hineininterpretieren darf, meine Damen und Herren, damit ist die Hürde für eine mögliche Überwachung in Bild und Ton vergleichsweise niedrig angelegt und nach unserer Auffassung deutlich zu niedrig.

Für zu weitgehend halten wir auch die Regelung zu dem Einsatz von Automatischen Kfz-Kennzeichenlesesystemen. Nach Auffassung der Koalitionsfraktion soll das Kfz-Kennzeichenscreening auch zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität zulässig sein. Das hält meine Fraktion, das halten wir für verfassungsrechtlich bedenklich und werden uns aus diesem Grund auch ausdrücklich dagegen aussprechen. Erfahrungswerte aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass es nur sehr wenige sogenannte Treffer gibt. Das allerdings setzt eben nur eine flächendeckende Videoüberwachung voraus und das ist für uns ein zu hoher Preis.

Meine Damen und Herren, der Gesetzesentwurf sieht vor, diese Taser, also die sogenannten Elektroschocker, zukünftig als Waffe zuzulassen. Das Gesetz selbst wird zukünftig keine Einschränkungen machen, wer diese Waffen einsetzen darf. Aus der Begründung zum Gesetzesvorhaben geht hervor, dass an den Kauf von nur wenigen dieser Taser und nur für die Spezialkräfte gedacht wird.

(Heinz Müller, SPD: Sechs Stück!)

Mithilfe einer Entschließung wollten CDU und SPD nun deutlich machen, dass nur speziell geschulte Beamte diese Geräte einsetzen dürfen. Gleichwohl bleibt es dabei, wenn das Gesetz heute so verabschiedet wird, dann werden die Taser nach diesem Gesetz für jeden Polizisten im Einsatz zulässig sein. Etwaige Einschränkungen beziehungsweise Voraussetzungen werden dann nicht mehr durch den Gesetzgeber vorgenommen. Das ist an dieser Stelle noch einmal zu betonen, meine Damen und Herren. Zur Vollständigkeit gehört an dieser Stelle auch, und das unterscheidet uns eben zu dem Änderungsantrag der Kollegen von den LINKEN, dass wir den Einsatz der Taser für besonders ausgebildete Beamte wie die Spezialkräfte im Land in einem engen Anbindungsbereich durchaus befürworten.

Meine Damen und Herren, letztlich ist der Gesetzentwurf insbesondere im Bereich der Erhebung personenbezogener Daten kritisch zu betrachten. Und daher ist es auch folgerichtig, dass wir dem Entwurf heute nicht zustimmen können. Zusätzliche Eingriffsbefugnisse bringen nicht zwangsläufig mehr Sicherheit. In der Debatte zur Einbringung dieses Gesetzentwurfes hatte ich bereits darauf hingewiesen. Fraglich bleibt, ob wirklich alle Befugnisse in diesem Ausmaß benötigt werden.

Der Innenminister Herr Caffier hatte seine ganz eigene Sicht der Dinge dem Vernehmen nach in der SVZ vom 03.09.2010 so dargestellt, ich darf zit ieren: „Wenn die Polizei diese Befugnisse derzeit weniger nutzt, würde dies nicht bedeuten, dass sie nicht gebraucht würden.“

Mit dieser Totschlagargumentation, meine Damen und Herren, lässt sich natürlich alles begründen. Wer Freiheit und Bürgerrechte allerdings ernst nimmt, der kann diesem Gesetzesentwurf mit seinem zum Teil rechtlich fragwürdigen Regelungen nicht zustimmen, meine Damen und Herren.