Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

Ja, das ändert ja nichts an der Tatsache, mein lieber, geschätzter Kollege.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sie lassen sich doch überzeugen.)

Denn die eigentlichen Probleme der Juristenausbildung sind nicht Inhalt des Gesetzentwurfes. Zu lange Ausbildungszeiten, die nach wie vor zu einseitige Fokussierung auf die Richterlaufbahn und zum Teil fehlende Praxisnähe sind seit langer Zeit Kritikpunkte bei der Ausbildung von Juristen. Insoweit ist auch die Schaffung der Möglichkeit einer Wiederholungsprüfung selbst bei Bestehen des Examens eher Kritik an dem Prüfungsverfahren selbst. Mit dem Gesetz wird der Landtag demnach lediglich einen Nachteil gegenüber anderen Bundesländern beseitigen, nicht mehr und nicht weniger, meine Damen und Herren.

Die Fraktion DIE LINKE hat im Beratungsverfahren versucht, formale Qualitätsstandards der Ausbildung in den Gesetzentwurf zu bringen. Es ist aber heute bereits nicht immer leicht, Richter oder Rechtsanwälte als Ausbilder zu gewinnen. Die Sorge vor der Schaffung von etwaigen formalen Anfechtungsgründen ist nicht völlig unbegründet. Deshalb haben die Versuche zwar das richtige Ziel, die Qualität der Ausbildung verbessern zu wollen, aber die formalen Anforderungen an die Prüfer können dies kaum leisten. Sinnvoller erscheint mir angesichts der Kritik von Studenten und Referendaren eher eine grundsätzliche Überlegung, wie Juristen auch angesichts zunehmender Globalisierung zukünftig ausgebildet werden sollen.

Was ist beispielsweise mit den Themenbereichen der Rechtsgestaltung? Traditionell beschäftigt sich die Juristenausbildung eher mit der rechtlichen Bewertung des Geschehenen. Rechtsgestaltung spielt aber entgegen der Praxis nach wie vor eine sehr untergeordnete Rolle. Was ist mit der Möglichkeit, Prüfungsteile abschichten zu können? Und wie sieht es mit der Möglichkeit aus, sich bereits früher auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisieren zu können? All dies sind eher Fragen einer grund

sätzlichen Reform der Juristenausbildung und nicht das Herumdoktern an Symptomen.

Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion wird sich zu diesem Gesetzentwurf heute enthalten, weil die eigentlichen Probleme in der Juristenausbildung ganz woanders liegen, meine Damen und Herren. – Vielen Dank.

Danke schön.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An sich ist es eine gute Idee, Rechtsreferendaren die Möglichkeit einzuräumen, auch eine bestandene Prüfung zum Zwecke der Notenverbesserung zu wiederholen. Aber aus der Grundstruktur der zweiten juristischen Staatsprüfung ergeben sich hinsichtlich dieser möglichen Wiederholungsprüfung zur Notenverbesserung auch Nebenwirkungen.

Das zweite Staatsexamen ist eine Alles-oder-nichtsAngelegenheit. Man stelle sich vor, es gäbe während eines Schuljahres keine benoteten Arbeiten. Die Leistungen in diesem Zeitraum spielten überhaupt keine Rolle. Dann am Jahresende finden Prüfungen statt, deren Ergebnis allein über die Versetzung entscheidet, je zwei schriftliche Arbeiten und 15 Minuten mündliche Prüfung pro Hauptfach. Da könnte es durchaus geschehen, dass ein solider Dreierschüler sitzen bleibt oder aber auch mit einer Eins abschneidet, weil Glück oder Pech oder einfach die Tagesform eine unverhältnismäßige Rolle spielen. Die Menge des Lehrstoffes beim zweiten juristischen Examen und auch dessen Komplexität übertreffen das Abitur bei Weitem.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Soll es ja auch. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Dagegen ist das Abitur ein Witz. Das ist keine Kritik, das ist eine Feststellung.

Alles, was ein Prüfling zum Beispiel über Strafrecht weiß, wird laut Verordnung zur Durchführung des Juristenausbildungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern in ganzen zwei Klausuren und 15 Minuten mündlicher Prüfung abgefragt, wenn er nicht den Aktenvortrag zum Strafrecht macht, und das deckt natürlich nur einen Bruchteil des Wissens ab, des Prüfungsstoffs ab. Schon jetzt setzen einige da voll auf Risiko, konzentrieren sich auf Teile des Stoffs und hoffen, dass das auch drankommt. Und wenn sie richtig gewettet haben, schneiden sie natürlich besser ab als diejenigen, die sich alles angesehen haben. So kann man mit erheblichen Wissens lücken Prädikatsexamen machen oder umgekehrt mit nur geringen Wissenslücken schlecht abschließen oder gar durchfallen, wenn es der Teufel will.

Wenn es jetzt möglich wird, zur Notenverbesserung die Prüfung zu wiederholen, werden viele diese Gelegenheit nutzen und diese Risikostrategie auch anwenden. Das würde ich mir auch überlegen. Geht es schief, haben sie nichts verloren, geht es gut, machen sie das Spitzenexamen mit Minimalkenntnissen in wesentlichen Gebieten. Ich kenne Leute, die das gemacht haben auch ohne Wiederholungsversuch, und einige sind damit durchgekommen. Das kann man doch keinem vorwerfen, weil in der Tat die Note allein ausschlaggebend ist für den späteren Berufsweg. Und da kommt es nur auf die Note an im Jurastudium, nicht auf irgendwelche Kenntniserwerbe. Das machen die Leute halt und werden dann vielleicht sogar Richter mit solchen leichtfüßig errungenen Examina, Prädikatsexamina.

Der Zufallsfaktor spielt eine so große Rolle, dass man zum Beispiel in meiner Referendargruppe diejenigen, die durchgefallen sind – und das waren etwa ein Drittel, die Durchfallquoten in Sachsen-Anhalt sind heftig –, hätte auch auswürfeln können. Das waren weder die Besten, das waren auch nicht die Schlechtesten, die hatten einfach Pech. In Sachsen-Anhalt gab es einen Prüfer, der hörte auf den Spitznamen „2-Punkte-Braun“. Wer zu dem kam, der fiel durch. Der war knallhart und andere Prüfer waren wohlwollender. Es war eine reine Glückssache, ob man überlebte oder nicht.

Dieses Alles-oder-nichts-Examen muss weg. Es stellt kein rationales Verfahren zur Ermittlung der Tüchtigsten dar, sondern eher ein archaisches Machodurchhalteritual, wie etwa den Apachenmarsch, bei dem die jungen Krieger mit einem Mund voll Wasser stundenlang durch die glühend heiße Wüste marschieren mussten, ohne herunterzuschlucken, um zu zeigen, wie hart sie waren.

Was wäre denn so schlimm daran, wenn durch die gesamte Referendarzeit Aufsichtsarbeiten angefertigt würden, wie etwa in den Schuljahren vor dem Abitur, mit denen man dann eingereicht würde, damit man wenigstens einen Teil der Note hätte, der auf langfristigen Leistungen beruht. Das wäre gerechter, würde das wirkliche Wissensniveau besser abbilden und würde verhindern, dass vielleicht gute Leute, weil sie Pech haben und „2-Punkte-Braun“ erwischen, schlecht abschneiden und eher schlechte Leute ihren Glückstag erwischen und gut abschneiden. Da das hier wenigstens ein Schritt in die richtige Richtung ist, enthalten wir uns der Stimme.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Jäger von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Herr Leonhard, vor Ihnen steht einer, der so einseitig ausgebildet worden ist, wie Sie das beklagen. Es hat sich in der Tat in der Juristenausbildung nicht allzu viel geändert, weil sie sehr stark auf den Richterberuf ausgeht. Aber die Ministerin hat darauf hingewiesen, das ist zwingend, weil mindestens das müssen sie bringen, um Richter werden zu können.

Deswegen glaube ich, dass wir nicht am System rumfummeln sollten, sondern wir sollten, so, wie unser Ausschussvorsitzender auch das Ergebnis unserer Beratungen dargelegt hat, das tun, was uns möglich ist, um die Chancen unserer jungen Leute zu verbessern. Das ist mit diesem Gesetzentwurf, so sehe ich das, auch nach einer umfangreichen Anhörung gelungen. Der Kandidat, der nicht durchgefallen ist, sondern der das Examen bestanden hat und der sich zutraut, dass er in einer besseren Form – und jetzt sage ich, auch ohne den Druck, dass er durchfallen kann, denn er hat ein Examen – den zweiten Versuch machen darf, hat eine bessere Chance. Und das gönne ich persönlich unseren jungen Leuten.

Wenn er dieses System für sich so in Anspruch nimmt, dann ist es auch fair und ordentlich, wenn es dafür Gebühren zu zahlen gilt. Und es ist auch richtig, wenn jemand eine Prüfungsentscheidung überprüfen lassen will. Dann ist das auch so, das ist dann ein Verwaltungsakt, das wissen wir. Bei einem Verwaltungsakt gibt es immer eine Möglichkeit, Widerspruch einzulegen, es sei denn, wir schließen das aus – wir werden darüber in

einem späteren Tagesordnungspunkt noch reden –, dass das teilweise bei uns im Land so ist. Aber dafür muss man dann, wenn der Widerspruch erfolglos ist, auch bezahlen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Muss man nicht. Muss man nicht.)

Frau Borchardt, doch, das muss man.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Nicht bei allen Verwaltungsentscheidungen muss man das.)

Entschuldigung, dann muss es besonders gesetzlich geregelt sein und es muss einen Grund dafür geben.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Dann könnten wir es ja jetzt gesetzlich regeln.)

Ja, ich will Ihnen aber zu Ihrem Änderungsantrag vielleicht doch einiges sagen. Der enthält nämlich eine Beurteilung der Beurteiler, die ich so nicht teile. Es ist richtig, dass ein einzelner Sachverständiger sich sehr über seine Kollegen dort ausgelassen hat. Das ist zulässig, das darf man tun. Er hat insgesamt infrage gestellt, ob die Ausbilder und die Prüfer denn wirklich geeignet seien.

Ich will mal vom Ergebnis her etwas sagen. Ich habe bis vor wenigen Jahren noch junge Kollegen nach dem Examen im Beruf kennengelernt als Anwalt. Und ich kann Ihnen sagen, und davon bin ich sehr überzeugt, dass diese jungen Menschen, die ich da kennengelernt habe, exzellent ausgebildet waren mit dem vorhandenen System, und sie auch später in der Praxis – man braucht nämlich in dem praktischen Beruf nicht nur Leute, die Theoretiker sind – erfolgreich waren. Darauf kommt es an, darauf muss eine Prüfung auch ausgerichtet sein.

Ich bin wie Sie der Meinung, dass jemand, der prüft, und dass jemand, der ausbildet, eine hohe Qualifikation braucht. Und ich bin bestimmt nicht verdächtig, wenn ich sage, dass ich nichts von guten Examina halte. Sie können mal in meiner Venia nachsehen, da kann man vergleichen. Aber ich weiß auch aus meiner eigenen beruflichen Erfahrung von vielen Kollegen, die nicht mit so einem guten Examen kamen, dass die anschließend in der Praxis durch die Art und Weise, wie sie an sich gearbeitet haben, dass die dann richtig gute, exzellente Fachleute und auch Ausbilder geworden sind.

Ich möchte nicht – und das sage ich hier sehr deutlich von diesem Platz aus –, dass man die Kollegen, die damals am Anfang, als dieses Land neu konstruiert wurde, als die Justiz in diesem Land neu konstruiert wurde, als wir die gar nicht hätten bekommen können in die Justiz, die wir heute mit den Qualitätsexamina haben... Darauf hat die Ministerin hingewiesen. Wir haben heute die Auswahl und können uns das leisten, dass wir nur Leute mit Qualitätsexamina in den Staatsdienst und insbesondere in den richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst aufnehmen. Das war aber damals nicht so. Ich gehe mit Ihnen jede Wette ein, dass unter diesen Kollegen sehr viele sind, die durch die Arbeit, ihre praktische Arbeit, so viel Lebenserfahrung, so viel fachliche Erfahrung, so viel fachliches Können sich angeeignet haben, dass sie hoch geeignet sind als Ausbilder und auch als Prüfer. Und deswegen, nicht, weil wir jetzt recht haben wollen, sondern weil Ihr Antrag da in die falsche Richtung geht, hier den Kollegen …

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Davon habe ich nicht gesprochen.)

Sie müssen sich den Antrag ja nur ansehen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ich habe davon nicht gesprochen.)

Sie müssen sich den Antrag nur ansehen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sie haben gesagt, Qualitätskriterien festschreiben im Gesetz.)

Sie verlangen, dass die praktischen und theoretischen Ausbilder selbst über überdurchschnittliche Rechtskenntnisse verfügen müssen

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja.)

und eine mindestens dreijährige Erfahrung nachweisen können.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja, aber das ist keine Wertung.)

Entschuldigung, das habe ich Ihnen aber im Ausschuss auch gesagt. Wie weist denn dieser Kollege seine überdurchschnittlichen Rechtskenntnisse nach? Doch nur durch eine Prüfung.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Da steht noch mehr.)

Wollen Sie also in einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren oder in einem Widerspruchsverfahren dann die Rechtskenntnisse erst mal des Prüfers ermitteln, um dann festzustellen, ob er zu Recht als Prüfer eingesetzt war? Sie tun unseren jungen Leuten mit solchen Attitüden keinen Gefallen, sondern Sie verunsichern das Prüfungsergebnis, und dagegen bin ich.

Deswegen bitte ich ganz herzlich, erstens, dass Ihr Änderungsantrag abgelehnt wird, weil er in die völlig falsche Richtung geht. Das sage ich als Praktiker. Ich habe sehr viele junge Leute ausgebildet, ich weiß, wovon ich rede. Ich weiß auch, wie schwierig es ist, in Prüfungssituationen das richtige Urteil als Prüfer zu bilden. Aber ich weiß auch, dass einfach die Fairness es gebietet, mit den Kollegen, die heute im Prüfungsgeschehen tätig sind, dass wir ihnen nicht den Stuhl vor die Tür setzen und sagen, ihr könnt das gar nicht.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das haben wir nicht damit gemacht.)

Sie haben den Beweis erbracht, dass sie das können. Ich sage Ihnen, die jungen Leute, die ich erlebt habe, die aus den Prüfungen herauskamen, sind richtig gut und auf die können wir stolz sein.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wir haben die Ausbilder nicht infrage gestellt.)

Deswegen bitte ich um Zustimmung zu dem unveränderten Gesetzentwurf, so, wie der Ausschussvorsitzende das auch vorgetragen hat. – Vielen Dank.