Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns. Wir bewegen uns in dem Spannungsfeld, dass die Enquetekommission des Landes Mecklenburg-Vorpommern sehr klar und sehr deutlich einen Beschluss gefasst hat, in dem sie nämlich sagt, dass die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen verbessert werden soll. Und wenn wir es ehrlich meinen, müssen wir in der Kommunalverfassung mit sauberen Strukturen arbeiten. Ad 1, die Koalition hat die Variante, den Mut zu beweisen und den Beschluss der Enquetekommission auch in die Kommunalverfassung reinzunehmen, oder wir werden in der Enquetekommission einen neuen Antrag stellen und diesen dort gefassten Beschluss wieder zurücknehmen.

Das, was wir wollen an wirtschaftlicher Betätigung, und da sind wir dann in dem entscheidenden Bereich, der auch mit zu regeln ist, wir wollen nicht, dass die Maler, Elektriker und Tischler der Wohnungsbaugesellschaft am Standort A sich an öffentlichen Aufträgen beteiligen dürfen. Das wollen wir nicht. Wir wollen auch nicht, dass der Bauhof im Ort B sich an öffentlichen Aufträgen beteiligt und diese öffentlichen Aufträge ausführt. Und wir wollen auch nicht, dass die freien Berufe weiter ausgegrenzt werden durch den Eingriff des Staates, wie es im Augenblick gemacht wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Wir legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, mit der Bitte, ihn in die Ausschüsse zu überweisen. Ich habe mir keinen genauen Überblick verschafft, in welche Ausschüsse alles die Kommunalverfassung und das Vergabegesetz überwiesen worden sind. Ich möchte beantragen, in genau dieselben Ausschüsse auch unser Gesetz zu überweisen, federführend natürlich in den Wirtschaftsausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Gino Leonhard, FDP: Jawohl.)

Danke schön, Herr Roolf.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat um das Wort gebeten der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Herr Seidel. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Also ich glaube, man darf einmal erwähnen an dieser Stelle, dass das Besondere der deutschen Wirtschaft ein Merkmal ist, was besonders hervorsticht und was sich dann auch ganz schnell in der Praxis ablesen lässt, nämlich, dass die deutsche Wirtschaft durch den Mittelstand in besonderer Weise geprägt ist.

(Hans Kreher, FDP: Genau, richtig.)

Ich glaube, man darf auch hier sagen, dass es, ich meine, jede Regierung in Deutschland sich auf ihre Fahnen geschrieben hat, den Mittelstand in besonderer Weise zu entwickeln, ihn zu unterstützen, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass am Ende auf diesem Wege zukunftssichere Arbeitsplätze entstehen. Das nehme ich auch für die jetzige Landesregierung natürlich in 150-prozentiger Art und Weise in Anspruch.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Michael Roolf, FDP: Also 6,0.)

Oh, jetzt mit der 6,0, ja. Da habe ich was vorgegeben.

(Hans Kreher, FDP: 15.)

Ich gehe noch mal zurück. Das war übrigens auch die Aussage des ersten Wirtschaftsministers hier in Mecklenburg-Vorpommern. Das war ein Liberaler, ConradMichael Lehment. Ich habe das mal raussuchen lassen. Der hat gesagt: „Ziel unserer Politik ist die weitere Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Mecklenburg-Vorpommern.“ Und dann hat er die besondere Bedeutung des Mittelstandes hervorgehoben. Das, glaube ich, kann jeder unterschreiben. Und das ist nach wie vor Maßstab meines Handelns.

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Das nehme ich für mich in Anspruch. Die spannende Frage ist: Wie gelingt denn das in der täglichen Praxis?

(Hans Kreher, FDP: Ja, genau.)

Und es wird Sie nicht sehr wundern, das nehme ich schon in Anspruch, dass wir mit jeder Entscheidung, die wir getroffen haben, die ich getroffen habe, sehr sorgsam abgewogen haben, ob die Entscheidung für den Mittelstand gut, schlecht oder was weiß ich ist, ob sie ihn vielleicht gar nicht berührt.

(Michael Roolf, FDP: Aber Sie haben ja noch einen Koalitionspartner.)

Ja, dem würde ich aber auch nichts unterstellen, um das gleich klar zu sagen, dass er vielleicht nicht den Mittelstand hier in Mecklenburg-Vorpommern entwickeln wollte.

(Rudolf Borchert, SPD: Das wäre ja ein starkes Stück.)

Wir sollten auch nicht so tun, als ob wir nicht hier in Mecklenburg-Vorpommern eine Wirtschaftsstruktur hätten, was wir wissen, die absolut kleine und mittelständische Betriebe umfasst.

Wir haben es ausgerechnet, der durchschnittliche Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern liegt bei round about 16/18 Beschäftigten. Also wir haben es mit Mittelstand, mit kleinen Unternehmen zu tun.

(Hans Kreher, FDP: Ja, deswegen muss ja mehr getan werden.)

Und ich nehme das für mich, für uns in Anspruch. Das geht bei der Förderung los. Es gibt immer wieder Zweifler, wenn man in Veranstaltungen geht. Dann kann ich aber relativ locker nachweisen, dass 90 Prozent aller Förderfälle – wenn man sich das mal vom Volumen anguckt, dann sind es nicht ganz 90 Prozent, aber 70/80 Prozent kommen auch raus, also vom Wertumfang – absolut an den Mittelstand gegangen sind. Ich nehme dabei die EUDefinition, die lege ich zugrunde.

Ich nehme dies auch in Anspruch für uns im Fall des Konjunkturprogramms. Wenn Sie sich daran erinnern, wir haben eine ganz kleinteilige Förderung im Rahmen des sogenannten ZIP hier in Mecklenburg-Vorpommern organisiert. Wie man sieht, hat sie dem Mittelstand, im Bau zum Beispiel, auch sehr geholfen. Ich nehme das in Anspruch für gemeinsame Aktivitäten bei Imagekampagnen, Werbekampagnen, für Nachwuchs. Ich nehme das auch in Anspruch für das ganze Thema Forschung, wo wir die gesamte Forschung so umgebaut haben, dass genau kleine mittelständische Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern Forschung und Entwicklung betreiben können, indem wir gesagt haben, Verbundforschung müssen wir machen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Wir brauchen eine Lösung, dass auch mal ein Professor einer Universität durch einen kleinen Betrieb am Ende überhaupt, ich will nicht sagen, bezahlbar ist, das wäre das falsche Wort, aber überhaupt eine solche Zusammenarbeit wirklich auf solide Füße gestellt werden kann.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.)

Meine Damen und Herren, insofern ist das Ganze natürlich nicht so furchtbar neu, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag, aber ich will gern zugeben, in der Tat gibt es ein Gesetz aus dem Jahr 1993, was im Moment noch Gültigkeit hat. Das ist ein sehr weit gefasstes Gesetz. Übrigens, das war aber damals Absicht,

(Michael Roolf, FDP: Ja, das war Absicht.)

dieses Gesetz auch sehr flexibel auszugestalten, um eben erhebliche Spielräume zu lassen.

(Michael Roolf, FDP: Das ist immer noch so.)

Insofern muss man natürlich sagen, dass sich auch in den 20 Jahren – na, ganz 20 Jahre sind es ja nicht, aber 17 Jahre von mir aus – die Umstände geändert haben. Ich will nur beispielhaft erwähnen die demografische Entwicklung, die Sicherung des Fachkräftebedarfes oder das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, was in seiner Bedeutung, glaube ich, an Umfang gewonnen hat, und, und, und. Elektronische Verfahren wurden schon erwähnt, ich will das nicht weiter ausführen.

Nun ist es ja so, dass der vorgelegte Entwurf der FDP für sich in Anspruch nimmt, die mittelständische Wirtschaft zu stärken, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu fördern, die Gründung und Festlegung von selbstständigen Existenzen sowie im Fall von Übernahmen dann die Dinge zu erleichtern. Das kann man ohne Weiteres als Ziel abnehmen. Man muss sich dann die Dinge doch etwas genauer anschauen. Ich will gleich sagen, natürlich begrüße ich auch all diese Ziele, allerdings wird die immer wieder vorgetragene Forderung, zum Beispiel nach Entbürokratisierung, dann doch nicht ganz so ernst genommen, wenn man mal detailliert in den vorliegenden Entwurf geht.

Ich will das mal an ein paar Beispielen deutlich machen. Für meine Begriffe schießt die FDP deutlich über die von ihr selbst gesetzten Ziele hinaus, wenn sie versucht, den Entwurf eines Mittelstandsförderungsgesetzes dazu zu nutzen, möglichst jeden Einzelsachverhalt zum Wohle der mittelständischen Wirtschaft regeln zu wollen. Die Problematik ist schon kurz angerissen worden. Ich meine, Sie können jetzt sagen, Sie wollen alles von Vergabe über, wie gesagt, alles, was hier in dem Entwurf widergespiegelt wird, Sie wollen das alles in einem Gesetz regeln. Dann bin ich jemand, der dafür ist, dass man sich die Realität anschaut, und die Realität ist so, dass wir gerade gegenwärtig über ein Vergabegesetz reden.

Sie haben das in Paragraf 15 drin. Sie haben eben noch mal Ihr Plädoyer für das Thema „Wirtschaftliche Betätigung“ angesprochen. Sie wissen ganz genau, das wird geregelt in der Kommunalverfassung. Wie jetzt auch immer, ich will das Thema gar nicht aufmachen. Ich glaube, dass es nicht so ist, wie Sie sagen, Herr Roolf. Das wird sicherlich zu keiner gewaltigen Veränderung in Mecklenburg-Vorpommern führen, aber wie gesagt, es wird geregelt in einem anderen Gesetz. Und jetzt zu sagen, das wollen wir alles nicht, wir wollen das in unserem Gesetz auch enthalten haben, das ist für meine Begriffe schon wieder, gegen die eigenen Prinzipien zu reden.

(Michael Roolf, FDP: Nö.)

Insofern will ich das auch deutlich machen an dem Thema „Einheitliche Ansprechpartner“. Sie haben es eigentlich selbst erläutert. Ich glaube nur, ein Zusammenhang ist Ihnen nicht ganz klar: Wir haben diesbezüglich ein Gesetz beschlossen. Das haben wir nun wirklich beschlossen.

(Helmut Holter, DIE LINKE, und Michael Roolf, FDP: Richtig.)

Es gibt das Gesetz zur Errichtung von Stellen mit der Bezeichnung „Einheitlicher Ansprechpartner“ und zur Übertragung von Aufgaben auf die Wirtschaftskammern. Dieses Gesetz gilt natürlich auch für einheimische Firmen, das ist ganz klar geregelt.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Also wir haben, das war eine Diskussion damals, gesagt, es kann nicht angehen, dass wir ein solches Gesetz machen und das gilt dann für ausländische Unternehmen aus den EU-Staaten und für die eigenen vielleicht nicht. Das geht natürlich nicht. Also das gilt. Insofern läuft diese Forderung wirklich ins Leere, das muss man schlichtweg so sagen.

Wenn Sie dann schreiben in Paragraf 7, Sie wollen Förderrichtlinien für den Mittelstand haben, dann, finde ich,

ist das so unspezifisch, wie es dort ausgedrückt ist, auffällig daneben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Also ich habe immer gedacht, wir wollen auch sehen, dass wir wirklich nur das regeln, was wir regeln müssen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr wahr, sehr wahr.)

Das schien mir immer ein Grundsatz zu sein, der wichtig ist.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)