Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Sie weisen darauf hin, dass die Landesregierung – in Vertretung des Sozialministeriums –

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

sich gegen die Sätze 2 und 3 der Extremismusklausel auf Bundesebene gewendet habe – aus verschie

denen Gründen, darauf gehe ich gleich noch mal ein –, dass aber die Landesregierung den Satz 1 der Erklärung, nämlich das klare Bekenntnis der Träger politischer Bildung zum Grundgesetz keinesfalls, also weder sachlich noch rechtlich, für beanstandungsfähig hält.

Ihr Antrag fordert uns allerdings auf, die Extremismusklausel in Gänze abzulehnen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es.)

und nicht nur die Sätze 2 und 3, also auch das klare Bekenntnis zum Grundgesetz, das den Trägern abverlangt wird. Und das ist aus unserer Sicht dann ein etwas überzogener Anspruch.

Deswegen ganz klar, der Antrag wird von uns in dieser Form auch aus inhaltlichen Gründen abgelehnt. Und dies hat nicht in erster Linie etwas mit juristischen Dingen zu tun. Herr Ritter, Sie haben ja auf die Gutachten verwiesen. Es gibt insgesamt drei. Wenn man sich das mal vor Augen führt, ist die Gutachterlage so differenziert, dass man sich wirklich aussuchen kann, was man will.

Da gibt es zum Beispiel Herrn Battis, der hat keine Bedenken gegenüber dem Satz 1, das haben Sie ja selber als Position der Landesregierung auch vorgetragen, allerdings Bedenken bei den Sätzen 2 und 3. Herr Georgii wiederum hat Restzweifel bei Teil 1 von Satz 1 und keine Bedenken bei Teil 2 von Satz 1 und hat auch keine Bedenken bei Satz 2 und 3.

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es, ja.)

Und Herr Professor Ossenbühl hat keine Bedenken bei Satz 1, keine Bedenken bei Satz 2 und keine Bedenken bei Satz 3.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Das heißt, sogar eine Mehrzahl, also eine Mehrheit der Gutachter ist der Auffassung, dass rechtlich die Sätze 2 und 3 nicht zu beanstanden sind. Es ist eine Mehrheit der Gutachter der Auffassung der Bundesministerin, nicht eine Minderheit.

Gleichwohl stellen die Gutachter die Frage, ob das sachlich sinnvoll ist, ob dem nicht praktische Hürden entgegenstehen. Und dies würde ich auch gerne so bewerten, das ist auch meine Position, das will ich ausdrücklich sagen. Das, was dort verlangt wird von den Trägern, auch in den Sätzen 2 und 3, ist alles andere als rechtsstaatlich anrüchig. Das ist ein legitimer Akt im rechtlichen Sinne aus meiner Sicht. Das Gutachten von dem Professor Ossenbühl, das die Bundesministerin stützt, halte ich für weitaus überzeugender als die anderen Gutachten an dieser Stelle. Die Frage kann man aber trotzdem diskutieren, ob man es für sinnvoll hält, in der Sache so vorzugehen.

Und da bin ich wieder bei Ihnen. Sie haben selber darauf hingewiesen, dass die Inhaftungnahme eines Fördermittelempfängers für dessen Kooperationspartner manchen Problemen begegnet. Da war die Frage, wie sollen die eigentlich überprüfen, ob die Kooperationspartner alle so richtig ticken, ich sage das jetzt mal etwas salopp. Und dann wird darauf verwiesen, es gibt doch Verfassungsschutzberichte.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Da kann man doch nachgucken, kann man doch nachschlagen, wer als verdächtig gilt.

Und dann haben Sie völlig zu Recht, Herr Ritter, darauf hingewiesen, dass wir es zum Beispiel mit folgenden Situationen zu tun haben: Da kassiert der Bayrische Verwaltungsgerichtshof am 23. September 2010 die Tatsache, dass der Verfassungsschutz in Bayern ein antifaschistisches Informations- und Dokumentationsarchiv als linksextremistisch bezeichnet hat, weil auf dessen Internetseite ein Link zu einer linksextremistischen Organisation war. Daraus wurde geschlussfolgert, das seien Linksextremisten – vom Verfassungsschutz offiziell veröffentlicht, Sie kennen ja die Debatten dazu, der Gerichtshof kassiert das.

Also Sie wissen ja, dass es da so ein Internetportal gibt mit dem Namen „Endstation Rechts“. Zu wie vielen links- oder rechtsextremistischen Organisationen wir aus Informationsgründen verlinken, aber nicht deshalb, weil wir uns diese Auffassungen zuteil machen, möchte ich gar nicht zählen.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Das ist das eine Beispiel.

Ein anderes Beispiel: Am 24. Mai 2005 stellt das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung der Grundrechte der Inhaber und Beteiligten der „Jungen Freiheit“ fest, bekanntermaßen eine rechtskonservative Wochenzeitung. Der eine oder andere von Ihnen schaut da ja ab und zu auch mal hinein, kann man sogar in der Landtagssitzung verfolgen.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Und diese Zeitung wurde vom Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen als rechtsextremistisch etikettiert und das Bundesverfassungsgericht weist dies zurück. Wir haben also in Nordrhein-Westfalen, etwas polemisch zugespitzt, einen etwas links ausgerichteten Verfassungsschutz, in Bayern einen etwas rechter ausgerichteten Verfassungsschutz und sie kommen zu unterschiedlichen Einschätzungen.

(Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Michael Andrejewski, NPD)

Und wenn ich mir jetzt also vorstelle, dass einzelne Träger der politischen Bildung mit dem Dokumentationsarchiv in München nicht mehr zusammenarbeiten dürfen, weil die auf ihrer Internetseite einen Link zu irgendjemandem haben, das erscheint auch mir etwas obskur. Deswegen würde ich gar nicht in rechtlicher Hinsicht, aber doch in sachlicher Hinsicht die Kritik an den Sätzen 2 und 3 durchaus teilen, auch wenn ich sie rechtsstaatlich für legitim halte. Das sind Dinge, die man tun kann, auch wenn sie vielleicht sozusagen nicht zweckdienlich sein mögen.

Was ich allerdings nicht verstehen kann, ist die Aufgeregtheit der Debatte um dieses Ganze.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Seit Monaten wird jetzt in der Republik hoch und runter diskutiert, ob man so ein paar Sätze unterschreiben soll oder nicht. Da werden Briefe geschrieben, ganze Artikel, Veranstaltungen gemacht. Also die Aufregung und der Sachgehalt stehen, glaube ich, nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander,

(Marc Reinhardt, CDU: Richtig.)

denn natürlich kann man so argumentieren, dass man es gar nicht nötig hat, Träger der politischen Bildung darum zu bitten, sich zum Grundgesetz zu bekennen,

da das selbstverständlich sei. Nun, dann kann man natürlich auch genau umgekehrt argumentieren und sagen, gerade weil das selbstverständlich ist, dürfte es ja auch niemandem ein Problem bereiten, diese Erklärung zu unterschreiben, jedenfalls zumindest, soweit es den Satz 1 betrifft. Und es gibt auch viele, die sogar den Satz 1 infrage stellen und nicht nur die Sätze 2 und 3.

Meine persönliche Position ist, zumindest was den Satz 1 angeht, tun gerade Träger der politischen Bildung gut daran, als Vorbilder in Erscheinung zu treten bei der Verteidigung der Demokratie und unseres Grundgesetzes.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Und deswegen sollte dies auch in der Debatte so berücksichtigt werden.

Ich vermute auch, muss ich sagen, dass sich dahinter etwas anderes verbirgt. Denn in Wahrheit ist es doch so, dass wir, seitdem die schwarz-gelbe Bundesregierung im Amt ist, diese Debatte haben, nicht erst, seitdem es diese Extremismuserklärung gibt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Schon die Ankündigung der Bundesregierung, dass man nun die Förderprogramme neu justieren und auf den Linksextremismus und den religiösen Fundamentalismus stärker ausweiten wolle, bereits diese Ankündigung hat heftige Diskussionen und Kritik ausgelöst.

Und meine persönliche Position: Ich kann diese Kritik nicht verstehen. Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland konstituiert unseren Staat als einen Staat der wehrhaften Demokratie. Und wehrhafte Demokratie bedeutet, dass es den Verfassungsauftrag gibt, jedweden Verfassungsfeind zu bekämpfen. Und da ist es unerheblich, ob das religiös-fundamentalistisch, links- oder rechtsextremistisch motiviert ist, das betrifft jeden. Insofern ist das, was die Bundesregierung an dieser Stelle tut, Verfassungsauftrag.

Nun kann man darüber streiten, ob sie das geschickt und in angemessener Art und Weise macht, ob die Schwerpunktsetzungen richtig sind. Da, glaube ich, kann man verschiedener Meinung sein, aber der Grundsatz, dass alle Demokraten in diesem Land sich daran per Verfassungsauftrag zu beteiligen haben, Extremismus jeder Couleur zu bekämpfen – Ministerin Schwesig hat darauf auch hingewiesen –, sollte auch für uns eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Und mein Eindruck ist, wir haben es eigentlich eher mit einem Stellvertreterkrieg bei dieser Extremismusklausel zu tun. Eigentlich geht es um die Frage, ob wir uns alle, genauso wie wir uns theoretisch der Bekämpfung des Rechtsextremismus widmen wollen, auch bereit sind, der Bekämpfung des Linksextremismus und des religiösen Fundamentalismus zu widmen, auch wenn dies hier in Mecklenburg-Vorpommern sicherlich nicht unser Kernproblem ist. Darüber sind wir uns alle einig.

(Stefan Köster, NPD: Fast alle.)

Und deswegen möchte ich eigentlich dafür plädieren …

Herr Köster, dass Sie mit mir nicht einer Meinung sind, ehrt mich ein bisschen

(Stefan Köster, NPD: Manchmal schon, manchmal schon.)

und macht mich auch zufrieden,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

denn von Ihnen ist ja unter anderem hier die ganze Zeit die Rede.

Ich möchte an einen Konsens erinnern,

(Michael Andrejewski, NPD: Welche Ehre!)