Protokoll der Sitzung vom 14.04.2011

So könnten wir zukünftig verhindern, dass Paare wegen der nicht unerheblichen Kostenbeteiligung von 50 Prozent an den ersten drei Versuchen auf eine reproduktionsmedizinische Behandlung verzichten oder die Versuche hierzu vorzeitig abbrechen. Um Paaren mit Kinderwunsch auch in schlechteren wirtschaftlichen Verhältnissen den Zugang zu den Methoden der modernen Reproduktionsmedizin zu ermöglichen, ist dies sogar zwingend angezeigt.

Sachsen hat als erstes Bundesland eine zusätzliche Förderung der künstlichen Befruchtung aus den Mitteln eines Landeshaushaltes beschlossen und damit eine Vorreiterrolle übernommen. Das Land zahlt seit März 2009 für die zweite und dritte Behandlung zur künstlichen Befruchtung jeweils bis zu 900 Euro, für die vierte bis zu 1.800 Euro. Dieser Weg scheidet für uns in Mecklenburg-Vorpommern als ärmstes, wirtschaftlich schwächstes Bundesland, das in den kommenden Jahren mit stetig sinkenden Einnahmen für den Landeshaushalt leben muss, aus.

Hier ist vielmehr der Bund gefordert, diese gesamtdeutsche Aufgabe einer stärkeren finanziellen Entlastung für alle Kinderwunschpaare in der Bundesrepublik zu übernehmen. Ich bitte somit um Zustimmung für unseren Antrag und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Rühs.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass sich der Landtag erneut mit der künstlichen Befruchtung befasst und die Initiative „Wunschkinder – Zukunft für Deutschland“ in ihrem Bestreben unterstützt, eine 25-prozentige Mitfinanzierung von Kinderwunschbehandlungen aus Bundesmitteln zu erreichen.

Aus meiner politischen Überzeugung, aber auch ganz persönlichen Überzeugung steht für mich fest, Kinder sind das größte Glück. Deswegen ist es für mich ein besonderes politisches Anliegen in unserem Land, Familien und vor allem die Kinder zu unterstützen. Für eine moderne Familienpolitik sollte Familie aber nicht erst mit der Geburt eines Kindes beginnen, sondern bereits schon mit den Unterstützungen, die zur Kinderplanung gehören. Wir müssen Familien unterstützen, die sich nichts sehnlicher wünschen als Kinder.

Für Mecklenburg-Vorpommern als Kinderland zählt dazu, dass wir eben auch diese Paare unterstützen, die einen Kinderwunsch haben, der sich derzeit nicht erfüllt. Wir haben es bereits getan. Wir haben mehrere Bundesratsinitiativen unterstützt, wieder zur alten Regelung zu kommen, dass Kinderwunschbehandlungen grundsätzlich kostenfrei sind. Mit der Gesundheitsreform 2004 wurden Einschränkungen eingeführt. Kinderwunschbehandlungen müssen Paare zur Hälfte selbst tragen und die Behandlungen wurden beschränkt auf eine Zahl von drei.

Die Beschränkung unterstütze ich aus gesundheitlichen Gründen. Die war damals richtig, denn es zeigte sich, dass eigentlich ab einem vierten Versuch der Erfolg einer künstlichen Befruchtung massiv nachließ. Hier gibt es gesundheitliche Gründe, die man nachvollziehen kann und sagen kann, da muss dann auch irgendwann Schluss sein, da darf die Frau, das Paar nicht überbelastet werden. Aber die anteilige Finanzierung der Paare halte ich für falsch. Es war damals ein Fehler. Und wir haben hier im Landtag schon genug oder viel darüber debattiert und sind uns da auch einig, dass das nicht richtig ist, dass hier gerade Paare ausgegrenzt werden, die sich diese Kosten nicht leisten können.

Wenn man bedenkt, dass ein Versuch der künstlichen Befruchtung 3.200 Euro kostet, dann liegt es auf der Hand, dass sich nicht alle Paare leisten können, die 1.600 Euro dazuzubezahlen. Ich finde es eigentlich Wahnsinn, dass wir ständig beklagen, dass die Bevölkerung immer älter wird, dass zu wenig Kinder geboren werden, und hier werden materielle Hürden aufgestellt, Kinder zu bekommen. Deswegen ist es gut und richtig, dass der Landtag hier mehrfach festgestellt hat, dass wir wollen, dass wir wieder zu der Regelung zurückkommen, dass die Kinderwunschbehandlung finanziert werden muss und dass hier keine materiellen Hürden für die Paare aufgestellt werden dürfen.

Deshalb haben wir uns mehrfach Bundesratsinitiativen entsprechend auch der Landtagsbeschlüsse des Hohen Hauses hier angeschlossen. Bedauerlicherweise ist es aber so, dass die Bundesregierung Schwarz-Gelb diese Initiativen, die auch Mehrheiten gefunden haben, nicht unterstützt, dass es derzeit nicht beabsichtigt ist, durch die Bundesregierung hier zur Verbesserung für diese Familien zu kommen. Deswegen finde ich es richtig, dass der Landtag hier einen Beschluss fasst, einen neuen Versuch zu starten und eine Finanzierungsregelung zu finden, die sozusagen dreigeteilt ist, zu 50 Prozent von den gesetzlichen Krankenkassen, also Gesundheitsfinanzierung, zu 25 Prozent dann steuerfinanziert aus Bundesmitteln und zu 25 Prozent Eigenfinanzierung.

Ich sage hier ganz deutlich, natürlich wäre es wünschenswert, dass diese 25 Prozent Eigenfinanzierung nicht stehen und wir wieder auf null kommen. So verstehe ich den Änderungsantrag der FDP, die ja möchte, dass dieser Part aus dem Antrag gestrichen wird. Ich sage aber ganz deutlich, dann brauchen wir keinen Beschluss, denn diesen Grundsatzlandtagsbeschluss, dass wir grundsätzlich die Kostenfreiheit wollen, den haben wir.

Wir als Landesregierung haben auch mehrere Initiativen unternommen, aber wir bekommen keine Unterstützung von der schwarz-gelben Bundesregierung. Deswegen finde ich das klug und richtig, einen differenzierten Vorschlag zu machen und mit dem jetzt noch einmal in die Diskussion zu gehen, und kann deswegen den Änderungsantrag der FDP nicht unterstützen.

Ich will auch etwas zum Änderungsantrag der Linkspartei sagen. Natürlich, wie kann es anders sein, wenn irgendwo der Bund sich zurückzieht, kommt der Antrag der Linkspartei, bitte, Land, dann übernehmt ihr die Kosten. Die Linkspartei beantragt hier, dass zukünftig auch Mecklenburg-Vorpommern ein Landesprogramm auflegen soll, diese Kosten zu übernehmen, ähnlich wie Sachsen. Sachsen hat dafür in den Landeshaushalt 700.000 Euro eingestellt. Das klingt gut und es ist wünschenswert, aber ich würde diesen Antrag gern beantworten mit dem Zitat Ihres eigenen Landesvorsitzenden Herrn Bockhahn: „Für die Linkspartei reicht es nicht, wenn sie einfach immer mehr fordert als alle anderen.“

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Irene Lück, DIE LINKE)

Deshalb werbe ich dafür, dass wir den realistischen Weg gehen, und zwar den des Antrages der Großen Koalition des Landes Mecklenburg-Vorpommern, einen erneuten Versuch zu starten,

(Irene Lück, DIE LINKE: Einen Schritt vorwärts, zwei zurück, ne?)

Verbesserungen zu erzielen für die Paare, die sich nichts sehnlicher wünschen als Kinder, und zwar mit einer Drittelfinanzierung: 50 Prozent GKV,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Dann müssen wir aber bis 2013 warten.)

25 Prozent Steuermittel und 25 Prozent Eigenbeteiligung. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich würde mich freuen, wenn es heute im Landtag dafür eine breite Unterstützung gibt und wenn Sie, Personen, die das hier auch so offensiv mit vertreten, vielleicht Ihre Möglichkeiten nutzen, wenn Sie sie denn haben, auch einmal in der Bundesregierung ein bisschen zu bohren,

dass die Bundesregierung sich nicht dem Kinderwunsch vieler Menschen in Deutschland verschließt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Marianne Linke von der Fraktion DIE LINKE.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist schon sehr, sehr nachdenklich stimmend, worüber in dieser Stunde so an verschiedenen Orten dieser Bundesrepublik diskutiert wird.

Wir machen uns Gedanken über Kinder, Kinder, die geboren werden können in Familien, wo es schwierig ist, Kinder zur Welt zu bringen, und parallel macht sich der Deutsche Bundestag Gedanken darüber, wie man möglichst frühzeitig Kinder aussortieren kann über die sogenannten PID-Methoden, ein Verfahren, was ich vollkommen ablehne, weil es doch letzten Endes eine Frühselektion von unwertem Leben darstellt. Wir sind auf der Seite derjenigen, die Kinder wollen und Kinder, so, wie sie sind, auch gern annehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Frau Ministerin, Sie sagten, dass wir, wenn wir die Gelegenheit haben, bei der Bundesregierung bohren sollen. Also ich darf noch einmal daran erinnern, dass dieses Gesetz, dieses GKV-Modernisierungsgesetz im Jahr 2004 eingeführt wurde und die damals rot-rote Landesregierung 2003 im Bundesrat dem Gesetz nicht zugestimmt hat, nicht nur wegen der ungleichen Belastung oder der Nachteile für die Versicherten, sondern weil wir eben auch mit diesen Passagen zur Förderung von Kinderwunsch in Familien, die nur mit großen Schwierigkeiten Kinder zur Welt bringen können, weil wir mit diesen Regelungen nicht einverstanden waren.

Es war nicht möglich, dieser SPD-geführten Bundesregierung mit der Bundesgesundheitsministerin Schmidt nahezubringen, dass das eine unsoziale Lösung ist. Also bohren Sie in Ihren eigenen Reihen, bohren Sie bei Ihrer Fraktion,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

versuchen Sie es auf Ihrer Seite, hier einfach wieder hinzubiegen, was Sie damals verbogen haben! Und versuchen Sie jetzt nicht, einen hervorragenden Beschluss auszuhebeln, den dieser Landtag hier gefasst hat. Nämlich zwischen Ende November 2008 bis März 2009 wurde die Frage gestellt: Wie kann man Familien, die Kinder wünschen, aber keine kriegen, fördern, wie kann man sie unterstützen, wie kann man sie entlasten? Es ist doch letztendlich eine finanzielle Frage. Wir haben damals einen Beschluss gefasst, der wurde von der CDU ziemlich knurrend aufgenommen, egal, aber Sie haben zugestimmt.

(Harry Glawe, CDU: Knurren können wir gar nicht, Frau Linke. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Und wir gedenken überhaupt nicht, diesen Beschluss hier auszuhebeln, nur weil es Ihnen, Herr Glawe, nicht gelingt, über Ihre Bundestagsfraktion hier einen anderen Beschluss zustande zu bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Regine Lück, DIE LINKE: So ist es.)

Ich denke, auf CDU, FDP und SPD, die hier im Bundestag vertreten sind, und auf unsere Fraktion im Bundestag können Sie mit Sicherheit rechnen, dass wir dann Ihren Initiativen auch zustimmen würden.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Also meine Fraktion ist nicht gewillt, hier irgendwelche Veränderungen vorzunehmen. Und es ist richtig, Frau Ministerin hat darauf hingewiesen, wir haben einen Änderungsantrag eingebracht, wie man die gegenwärtige Situation für Frauen und Männer, also für Familien, die einen Kinderwunsch haben, verbessern kann im Land. Gestern waren sie alle hier, die tollen Genderparteien,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

haben erklärt, was sie alles schon machen, waren der Meinung, alle finanziellen Bedarfe sind gedeckt. Dann zeigen Sie das einfach! Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, damit für die Familien, die hier betroffen sind, wirklich eine gute Lösung auf den Weg gebracht wird! Mittel sind im Haushalt ausreichend vorhanden. Ich denke, wir müssten nur die entsprechenden Beschlüsse fassen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Irene Müller, DIE LINKE: Ja, man kann das Geld von den Pflegestützpunkten nehmen.)

Vielen Dank, Frau Dr. Linke.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Dr. Linke, Sie hören auch nicht immer richtig zu. Hier geht es keineswegs darum, unsere ehemals getroffenen Beschlüsse fallen zu lassen, sondern uns geht es darum, obwohl wir auf Bundesebene zurzeit noch keinen Erfolg verzeichnet haben, zu versuchen, doch wieder einen Schritt in die richtige Richtung zu kommen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das können Sie auch mit dem Beschluss.)

Und Sie haben vollkommen recht, es war wahrlich keine Sternstunde der rot-grünen Bundesregierung in Bezug auf die damalige Gesundheitspolitik, das Gesetz zu erlassen, das die Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung unnötig erschwert hat neben all den Hürden, die Paare, die den Kinderwunsch haben, erfüllen müssen, um überhaupt in den Genuss dieser Krankenversicherungsleistung zu kommen. Diese Hürden sind sehr hoch. Herr Rühs hat das vorhin schon ausgeführt, was dazu überhaupt erforderlich ist. Dieses auch noch so einzugrenzen, war schon ein harter Schlag für viele Paare, die einen Kinderwunsch haben, das aber allein nicht bewältigen können.

In Mecklenburg-Vorpommern sind dies, wenn man dem „Nordkurier“ glauben darf, 16.000 Paare, die einen Kinderwunsch haben und diesen nicht realisieren können. 16.000 Paare, das ist eine sehr hohe Zahl. Wenn man noch einmal reflektiert, wie hoch die Kosten sind, die auf jedes Paar zukommen unter den jetzigen Bedingungen, und wenn man sich vergegenwärtigt, wie die Einkommen in Mecklenburg-Vorpommern aussehen, ist so ein Wunsch praktisch unter den jetzigen Voraussetzungen für viele einfach gänzlich unerfüllbar geworden.