Protokoll der Sitzung vom 28.06.2011

(Torsten Renz, CDU: Oha!)

dass wohl niemand wollen kann, dass Kommunen als Produzenten von Herrensocken auftreten.

(Hans Kreher, FDP: Man muss sie aber trotzdem warnen, die Kommunen.)

Natürlich bleibe ich bei dieser Auffassung – ich denke, das steht doch in dieser Kommunalverfassung drin –, dass ausschließlich Gewinne zu erzielen natürlich kein öffentlicher Zweck ist, sondern dass wir nach wie vor einen öffentlichen Zweck benötigen, und der ist in einigen Ausnahmefällen sicherlich auch beim besten Willen nicht zu erblicken. Aber deswegen das Kind mit dem Bade auszuschütten und deswegen insgesamt kommunale Wirtschaft versuchen einzuschränken, das schießt bei Weitem über das Ziel hinaus. Das kann nicht im Sinne einer vernünftigen Entwicklung unserer Kommunen sein.

Im Gegenteil, wir sehen kommunale Wirtschaft als einen wichtigen Dienstleister für unsere Bürgerinnen und Bürger. Wir sehen sie auch als einen wichtigen Partner für die private Wirtschaft. Und da fragen Sie mal bei den Handwerkern nach, wie viele dort beispielsweise von den Aufträgen von Stadtwerken leben. Wir glauben, dass sie nicht nur Zukunft haben, sondern dass ihre Bedeutung in der Zukunft wachsen wird und wachsen muss.

Wenn dann, Herr Roolf, und das klang auch in Ihren Ausführungen hier und heute an, mit Krokodilstränen geweint und gesagt wird, ach du liebe Güte, da gibt es eine Gewinnorientierung, ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass kommunale Unternehmen auch Gewinne abwerfen sollen, wenn dadurch der öffentliche Zweck nicht gefährdet wird, das steht in der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpom

mern, solange es eine Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern gibt. Und dadurch ist die private Wirtschaft in diesem Land weiß Gott nicht kaputt gemacht worden,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das sieht der Bürgermeister Kreher ganz genauso. – Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

sondern eine solche Gewinnerzielungsabsicht gehört notwendigerweise zur wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden dazu. Gewinnerzielung ist notwendig, um die nötigen Investitionen zu finanzieren, um den nötigen technischen Fortschritt zu finanzieren. Aber kommunale Unternehmen, da macht überhaupt niemand einen Hehl daraus, sollen auch eine vernünftige Verzinsung des eingesetzten Kapitals abwerfen und insofern auch einen Beitrag zu den kommunalen Haushalten liefern. Das war schon immer so und das muss, denke ich, auch so bleiben. Daraus jetzt einen Popanz zu machen, das ist völlig neben der Sache.

(Michael Roolf, FDP: Ach!)

Auch die Formulierung, dass die Kommunen sich doch eigentlich nur wirtschaftlich betätigen dürften, wenn sie das besser als Private machen, auch diese Diskussion

(Michael Roolf, FDP: Ist ganz wichtig.)

ist viele, viele Jahre alt.

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

Und seit vielen, vielen Jahren haben wir in der Kommunalverfassung eine Regelung stehen, die sinngemäß sagt, sie dürfen sich betätigen, wenn sie dies genauso gut tun wie Private.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Auch das hat sich in der Praxis bewährt. Das hat nicht dazu geführt, dass sie jetzt in irgendeine Form von Staatswirtschaft oder sonstigen furchtbaren Ungeheuern geraten würden.

(Toralf Schnur, FDP: Mit Sieben- meilenstiefeln in die Staatswirtschaft.)

Da wird eine Angst geschürt, die keine sachliche Grundlage hat, um hier bestimmte ideologische Positionen durchzusetzen.

Und lassen Sie mich noch eines zum Thema Energiebereich sagen. Wenn wir im Strombereich gesetzlich in einer Situation sind, dass der Kunde seinen Stromlieferanten frei wählen kann, und das ist gut so, das ist auch im Sinne von Wettbewerb, dann ist das Örtlichkeitsprinzip des Freiherrn von der Stein’schen Prägung doch etwas sehr Antiquiertes. Dann sollten wir uns von solchen Einschränkungen verabschieden und dann sollten wir hier vernünftige kommunale wirtschaftliche Betätigungen ermöglichen.

Natürlich sehen wir auch, und da sind wir doch gar nicht so einseitig, wie man uns gerne hinstellt, die berechtigten Interessen der jeweiligen örtlichen privaten Wirtschaft. Deswegen haben wir auch im Innenausschuss eine Änderung vorgenommen und einen Satz eingefügt, dass vor einer Entscheidung über wirtschaftliche Betätigung die Kammern zu hören sind, damit hier tatsächlich eine vernünftige Abwägung in der Gemeindevertretung stattfinden kann. Aber wie diese Abwägung ausgeht, meine sehr verehrten Damen und Herren, das möchte ich dann doch schon der kommunalen Selbst

verwaltung überlassen und nicht von vornherein definieren, eine Abwägung ist nur dann vernünftig, wenn meine Position die Mehrheit bekommen hat. Nein, so sehen wir das nicht. Sie sollen auf der Basis umfassender Informationen entscheiden, aber sie sollen dann bitte selbst entscheiden.

Mit den Industrie- und Handelskammern – lieber Herr Roolf, da werden Sie verstehen, dass ich das nicht so gerne vertiefe, aber vielleicht ist das auch ein Stückchen Reflexion dessen, was wir bei der Anhörung erleben mussten –, mit den Industrie- und Handelskammern und mit den Handwerkskammern haben wir die notwendige Kompetenz und, ich möchte das sehr deutlich unterstreichen, die notwendige Sachlichkeit

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

für eine solche Diskussion in den Gemeindevertretungen garantiert. Und deswegen diese Regelung.

Und ein Letztes: Sie sagen, die müssen doch klagen dürfen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der ausdrücklichen Einführung einer gesetzlich normierten Rechtsschutzmöglichkeit für betroffene Wirtschaftsunternehmen gegen kommunalverfassungsrechtlich unzulässige wirtschaftliche Betätigungen bedarf es nach meiner Auffassung nicht. Der Paragraf 68 Absatz 2 verfolgt auch heute schon den Zweck, die Privatwirtschaft vor einer Beeinträchtigung ihrer berechtigten Interessen zu schützen. Da es eine solche Norm im Gesetz gibt, sehe ich hier selbstverständlich auch die Möglichkeit, wenn man sich in seinen Rechten verletzt sieht, sich durch eine Klage zu wehren.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir dies alles zusammennehmen – ich könnte jetzt weitermachen zum Thema „Anschluss- und Benutzungszwang“ und viele andere Punkte im Detail aufgreifen –, dann müssen wir feststellen, was die eine Seite wie die andere Seite vehement beklagt. Von den kommunalen Verbänden höre ich, das, was da an Anschluss- und Benutzungszwang steht, ist eigentlich viel zu wenig, um unsere Ziele, die auch mit Klimaschutzüberlegungen begründet werden, durchzusetzen. Und von betroffenen Wirtschaftsunternehmen höre ich, das ist eigentlich viel zu viel, weil damit wird uns ein Unrecht angetan, selbst wenn wir in Richtung Klimaschutz unterwegs sind.

Meine Damen und Herren, wenn ich von beiden Seiten auf diese Weise attackiert werde, dann kann ich zwar nicht sicher sein, aber ich kann dann doch vielleicht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sagen, dass ich einen richtigen Weg gefunden habe, wenn ich mich nämlich auf einem Mittelweg hier bewege und versuche, beiden ein Stück weit gerecht zu werden. Ich glaube, eine Linie, bei der sich eine Seite komplett durchsetzen würde, die würde die andere so weit in die Ecke stellen, dass dies politisch nicht vernünftig wäre.

Jetzt wollte ich Ihnen eigentlich empfehlen, diesem Gesetzentwurf in der Fassung, wie sie der Innenausschuss vorgelegt hat, zuzustimmen. Allerdings sehe ich mich durch das, was wir heute als Tischvorlage bekommen haben, doch noch gemüßigt, auf den Änderungsantrag, so hat der Präsident es formal korrekt bezeichnet, der FDP einzugehen, der ja bei Lichte besehen aus 22 Änderungsanträgen besteht.

(Michael Roolf, FDP: Den haben Sie am Montagvormittag bekommen als Tischvorlage.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist es absolut zulässig, hier Änderungsanträge in einem Umfang zu machen, wie es dem Antragsteller beliebt. Ich möchte dieses Recht auch nicht in Abrede stellen. Ich möchte aber hier die Frage aufwerfen, wozu wir eigentlich Ausschussberatungen machen und ob viele dieser Anträge, wie sie hier und heute erneut auf den Tisch gelegt worden sind, nicht im Ausschuss behandelt werden müssen, damit man dann im Ausschuss zu einer Meinung kommt. Ich will ja niemandem absprechen, zu sagen: So, die paar Highlights, die bringe ich dann auch noch mal im Plenum als Änderungsantrag ein. Aber wenn wir alles oder zumindest einen sehr großen Teil dessen, was wir im Ausschuss schon eingebracht haben, hier noch einmal einbringen, dann sind wir bald in einer Situation, dass wir uns Ausschussberatungen sparen können. Ich glaube, das wäre nicht sehr gut.

Und was das Inhaltliche angeht, jetzt wird der Kollege Schnur gleich hierherkommen und in seiner bekannten Art und Weise sagen, wir hätten ja mit seinen Anträgen Schindluder getrieben und hätten sie nicht anständig beraten. Liebe Kollegen von der FDP, Sie müssen auch mal schauen, welche Qualität Ihre Anträge haben. Heute hat mich der Kollege Grabow noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass einer der 22 Anträge ja gar nicht im Innenausschuss gewesen ist, weil es nämlich ein neuer sei. Das ist der mit den Beiräten für Behinderte und für Alte.

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, das wäre ein wunderschöner Antrag für einen Ausschuss gewesen. Wir hätten uns dann vielleicht im Ausschuss damit auseinandersetzen können, wie man die Belange Älterer oder Behinderter in der kommunalen Wirklichkeit besser berücksichtigt, mit einem Antrag, der aber von seiner Formulierung her, lieber Ralf Grabow, so unausgegoren ist, dass er sagt, die Gemeinden – und das sind 800, über 800 – benennen für die Belange von Behinderten Beauftragte oder bilden dafür Beiräte.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Wollen wir wirklich im 200-Einwohner-Dorf einen Behindertenbeirat zur Unterstützung der Gemeindevertretung einführen?

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Ich glaube, auch gut gemeinte und sachlich und fachlich vielleicht gar nicht schlechte Anträge kann man durch schusselige und schlampige Arbeit so schlechtmachen, dass sie hier leider nicht zustimmungsfähig sind.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Ich glaube, bei allem Respekt, wir werden die Änderungsanträge der FDP hier ablehnen und wir werden nicht unsere eigene Ausschussarbeit konterkarieren. Was anderes haben Sie auch nicht erwartet.

Im Übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, glaube ich, dass Sie mit dieser Novelle der Kommunalverfassung etwas sehr Gutes, etwas sehr Zukunftsweisendes, etwas sehr Richtunggebendes für unsere kommunale Wirklichkeit tun. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zum Gesetzentwurf in der Fassung des Innenausschusses. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Müller.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Měšťan. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

(Torsten Renz, CDU: Ich dachte, Herr Ritter kommt jetzt, aber das ist ja gar nicht so. Ach, die Geheimwaffe! Jetzt verstehe ich auch die Pressemitteilung.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schuldenbremse,

(Torsten Renz, CDU: Ah, das hatten wir schon.)

Kommunalverfassung, gleich anschließend folgt das Finanzausgleichsgesetz.

(Heinz Müller, SPD: Ah, das hatten wir schon. Ich freue mich schon drauf.)

Für die Kommunen unseres Landes ist dies heute insgesamt aus Sicht meiner Fraktion ein rabenschwarzer Tag.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Dass das subjektiv ist, das wissen Sie. – Dr. Ulrich Born, CDU: Ein guter Tag, ein guter Tag.)