Protokoll der Sitzung vom 01.07.2011

(Michael Roolf, FDP: Richtig.)

Und ich halte es wirklich für besser, wenn wir dort mehr Flexibilität bekommen durch Erhöhung der Entscheidungskompetenzen. Gerade bei den einzelnen Fachvermittlern soll eben den sehr unterschiedlichen persönlichen Voraussetzungen der Ausbildungs- und Arbeitsuchenden in Zukunft besser entsprochen werden. Ich halte das für richtig, weil ich meine, die Vermittler kennen die Personen besser. Sie haben tagtäglich mit ihnen zu tun.

Und positiv ist nach meiner Auffassung auch, dass der bereits mit der Einführung des Vermittlungsbudgets eingeschlagene Weg der Zusammenfassung mehrerer Instrumente durchaus fortgesetzt wird. Das ist eine alte Klage, dass man dort zu viele Instrumente nebeneinander hat und diese zusammenfassen sollte. Das ist von den Ländern, ich glaube, ziemlich übereinstimmend gefordert worden.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Mit der Einführung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins erfolgt eine sinnvolle Erweiterung der Möglichkeiten der individuellen bedarfsgerechten Unterstützung über den bisherigen reinen Vermittlungsgutschein. Das SGB III, also das Recht der Arbeitsförderung, bleibt weiterhin das Referenzgesetz für die Eingliederungsleistungen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Das bedeutet, alle Änderungen bei den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten im Recht der Arbeitsförderung gelten grundsätzlich auch im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Diesen ganzheitlichen Ansatz der rechtskreisübergreifenden Arbeitsmarktpolitik will ich ausdrücklich unterstützen, weil damit eben die gesamtwirtschaftliche Entwicklung beachtet wird – der Aufbau von Beschäftigung und der Abbau von Arbeitslosigkeit.

Der aktuell vorliegende Gesetzentwurf ist Teil der Umsetzung des im Juni 2010 von der Bundesregierung beschlossenen Zukunftspaktes. Sie haben das erwähnt. Sie wissen, dass infolge der größten Wirtschafts- und Finanzkrise eine Haushaltskonsolidierung dringend nach wie vor notwendig ist. Eckpunkte dieses Pakets waren auch Maßnahmen der Arbeitsvermittlung. Oberstes Ziel soll es aber nach wie vor sein – und das zu unterstellen, finde ich, ehrlich gesagt, einfach zu schlecht, um es mal ganz deutlich zu sagen –, Menschen wieder in Arbeit zu bringen, Jobvermittlern mehr Entscheidungsspielraum zu geben, um Arbeitslose mit passenden Fördermaßnahmen dann wieder in Arbeit zu vermitteln.

Es macht Sinn, sogenannte Pflichtleistungen in Ermessensleistungen umzuwandeln. Hier tritt also dann kein gesetzlicher Automatismus mehr ein. Es wird im Einzelfall geprüft, was zur Aufnahme von beruflicher Tätigkeit tatsächlich notwendig ist. Dabei können Sie nicht immer vermeiden, dass dann auch Fehlentscheidungen getroffen werden. Das wird im Leben immer wieder so

sein. Trotzdem halte ich diese größere Flexibilisierung für möglich.

Und, meine Damen und Herren, in der Tat war es so, dass die Inanspruchnahme der Instrumente beobachtet werden muss, und den Gründungszuschuss kann man tatsächlich von zwei Seiten sehen. Auch das kann ich Ihnen dokumentieren. Da gibt es sehr verschiedene Aussagen diesbezüglich.

Die Fraktion DIE LINKE fordert in ihrem Antrag die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die beschlossenen Kürzungen zurückgenommen werden, der Etat der BA nicht weiter belastet wird. Dazu muss man natürlich sagen, dass der Haushalt der Bundesagentur für Arbeit im laufenden Jahr weniger Mittel für den Qualifizierungsbereich eingestellt hat. Im Vergleich zur Planung des Vorjahres wird aber natürlich auch die Entwicklung der Arbeitslosen dabei berücksichtigt.

Und jetzt will ich Ihnen die Zahlen doch noch einmal nennen. Sie kennen sie, davon gehe ich aus. Damit Sie die Entwicklung noch mal sehen, gleiche Zahl, gleiche Zählweise, damit mir keiner sagt, da ist anders gezählt worden: Juni 2011 jetzt 101.500, Juni 2005 ungefähr 175.000 und im Übrigen, das will ich an dieser Stelle auch noch mal sagen, heute mit einer Zahl von 12.500 arbeitsmarktentlastenden Maßnahmen weniger. Also die oftmals kritisierten Ein-Euro-Jobs und Qualifizierungsmaßnahmen sind reduziert minus 12.000 und trotzdem dieser deutliche Rückgang. Ich finde, das muss man auch akzeptieren. Darüber können wir uns grundsätzlich freuen. Ich glaube, das tun wir auch. Und dabei dürfen wir trotzdem nicht die Spezifik dieses Themas unterschätzen.

(Udo Pastörs, NPD: Das zweithöchste Ergebnis der ganzen Bundesrepublik Deutschland, 5,9 Prozent.)

Für weniger Arbeitslose also braucht man am Ende auch weniger Geld. Das ist der Haushaltsansatz.

Sie fordern in Ihrem Antrag, die Förderung Erwerbsloser an deren individuellem Bedarf auszurichten und ohne Zwang zu gestalten. Ja, das ist eine hehre Forderung, aber dazu muss man natürlich betonen, dass grundsätzlich die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Prinzip des Förderns und Forderns erfolgt. Hierbei finden die individuellen Bedarfe auch gerade bei der Förderung des Einzelnen Berücksichtigung. Gleichzeitig haben aber erwerbsfähige Leistungsberechtigte auch alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit natürlich auszuschöpfen und dieses mit Nachdruck zu fordern, notfalls dann im Einzelfall mit Sanktionen zu belegen. Ich glaube, das ist richtig. Wer Leistungen der Grundsicherung erhält und damit ja Mittel der Steuerzahler, muss alle Möglichkeiten ausschöpfen, seine Hilfebedürftigkeit zu beenden.

Mit dieser Forderung, dass die Vermittlung in Niedriglohnbereiche und in Stellen, die nicht der Qualifikation des Erwerbslosen entsprechen, ausgeschlossen sein soll, meine Damen und Herren, das ist nun wirklich ein Thema der Vergangenheit. Das sollten wir endlich mal beendet haben.

Die Diskussion der vergangenen Tage wurde bestimmt vom Fachkräftemangel

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, ja.)

und wird ja nach wie vor auch zukünftig noch mehr bestimmt werden vom Fachkräftemangel und dem

Anstieg der Zahl der offenen Stellen. Typisches Beispiel: Hier drüben können Sie sehen, da werden in den Vorgärten inzwischen Schilder aufgebaut, dass man in dem Fall sehr qualifizierte Leute sucht. Glauben Sie wirklich, dass ein Jobcenter oder eine Arbeitsagentur eine gut geeignete Fachkraft auf eine Hilfstätigkeit vermittelt, wenn eine der Qualifikation entsprechende Stelle zur Verfügung steht?

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Und wenn dies nicht so ist, dann halte ich es immer noch für besser zu arbeiten, als nicht zu arbeiten. Das bleibt für mich der bessere Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, Sie fordern, dass die Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber nur bewilligt werden, wenn nicht untertariflich beziehungsweise unterhalb des einzuführenden gesetzlichen Mindestlohns von 10 Euro pro Stunde entlohnt wird. Ich finde, auch das ist ja ein Thema, was Sie natürlich penetrant immer wieder bringen. Die Argumentation bleibt dieselbe. Ich sehe nicht, dass uns ein solcher Mindestlohn für Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich helfen würde. Gehen Sie mal hin zum Frisör und sagen Sie mal, dort müssen jetzt ab heute 10 Euro pro Stunde entlohnt werden. Da bin ich mal gespannt. Selbst die Gewerkschaft hat diese Forderung nicht erhoben. An dieser Stelle will ich mir das aber jetzt schenken. Ich will grundsätzlich sagen: Lohnkostenzuschüsse orientieren sich am tariflichen oder, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist, am ortsüblichen Entgelt. Auch da sage ich wieder, es ist besser zu arbeiten, als nicht zu arbeiten.

Meine Damen und Herren, die Forderung der Fraktion DIE LINKE, dass die öffentlich geförderte Aus- und Weiterbildung von Erwerbslosen gestärkt wird, ist in dem Antrag formuliert. Dazu will ich sagen, dass die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um Arbeitslosen, deren berufliche Eingliederung an mangelnder Qualifikation scheitert, durch entsprechende Anpassungs- und Fortbildungsmaßnahmen dort eine Arbeitsaufnahme zu ermöglichen.

Das ist natürlich im Interesse der Versichertengemeinschaft der Steuerzahler und wenn hier etwas falsch läuft, auch solche Beispiele kenne ich, muss man den Dingen nachgehen, dann muss man darüber reden. Aber man muss natürlich auch hier sagen, es geht nicht, dass ein Prinzip „Wünsch dir was“ eingeführt wird. Auch das kenne ich aus den vielen Schreiben, die wir diesbezüglich erhalten.

Zum Schluss wollte DIE LINKE, dass die öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnisse voll sozialversicherungspflichtig sein müssen, einschließlich der AV der Freiwilligkeit unterliegen und nicht unter 10 Euro pro Stunde entlohnt werden. Den Betroffenen muss damit der Ausstieg aus dem Hartz-IV-System ermöglicht werden. Ich will sagen, dass mit gutem Grund öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse seit vielen Jahren nicht versicherungspflichtig zur Arbeitslosenversicherung sind. Dieses sollen die in der Vergangenheit praktizierten Drehtüreffekte zwischen Arbeitslosengeld und früherer Sozialhilfe ALG I und ALG II vermeiden, das wissen Sie.

(Regine Lück, DIE LINKE: Deshalb muss man es auch ändern.)

Meine Damen und Herren, Fazit: Dieser Antrag ist nicht ernst gemeint. Das Thema ist ernst, aber Sie versuchen einfach, hier eine Rolle rückwärts zu machen. Sie hätten mehr konkrete Überlegungen anstellen müssen. Ich habe das schon einmal gesagt, wie wir besser umgehen können mit den circa 20.000 Menschen, wo in der Tat die Problematik steht, dass sie kaum Chancen, vielleicht gar keine Chancen haben auf dem ersten Arbeitsmarkt,

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

aber das kann nicht ein nach oben gehaltener öffentlicher Beschäftigungssektor sein. Wir kommen nachher noch zu einem Punkt mit der Bürgerarbeit.

Lassen Sie uns darüber nachdenken, wie man Bürgerarbeit gangbarer machen kann. Wie kann man das vielleicht etwas entbürokratisieren? Dabei bleibt das Thema immer wieder, dass man sie nicht in Konkurrenz stellen darf zur Arbeit auf dem ganz normalen ersten Arbeitsmarkt.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, und das, finde ich, gehört auch zur Ehrlichkeit, dass natürlich diese Einsparungen – darüber ist kein Geheimnis gemacht worden – eine Kompensation sind für die Übernahme der Grundsicherung im Alter durch die Bundesregierung. Das ist nie ein Geheimnis gewesen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Jawohl, das wissen wir auch.)

Das war ein großer Kompromiss.

Gut, dann ist es eben so, jedenfalls die SPD, die CDU halten das für richtig.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das halten wir aber für falsch.)

Diesen Kompromiss tragen die großen Parteien und ich glaube, dass das auch vernünftig ist.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Wenn wir feststellen, dass das im Land nachkorrigiert werden muss, dann seien Sie ganz sicher, dann tun wir das, dann bemühen wir uns darum. Ich bin gegenwärtig dabei zu sehen, wie können wir den Abstieg bei den Qualifizierungen, bei den Maßnahmen der Arbeitsgelegenheiten etwas abfedern in drei Kreisen, in Mecklenburg-Strelitz, in Uecker-Randow, in Demmin. In der Tat ist die Kurve dort recht steil. Diese drei Kreise haben weniger Möglichkeiten im Hinblick auf Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt. Aber, meine Damen und Herren, das löst man nicht mit einem Antrag nach Rollback.

Zum Schluss will ich Ihnen noch einmal sagen, weil mich das auch geärgert hat gerade bei dem vorhergehenden Punkt, das ist so diese Art und Weise der Oppositionsarbeit. Da wird gesagt, ein Zusatzantrag „Energie“ wurde eingebracht, gestern hat DIE LINKE im Bundestag gegen den Atomkompromiss gestimmt, gestern ist man dagegen und hier heute fordert man uns auf, die Energiewende zu beachten. Dass ich nicht lachen kann!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP – Regine Lück, DIE LINKE: Sprechen Sie mal zum Thema!)

So einen Unsinn habe ich selten erlebt.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Weil es eben nicht schnell genug geht, weil es nicht schnell genug geht.)

Insofern danke ich für die Aufmerksamkeit, aber dieser Antrag hilft uns leider nicht weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Danke, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte. Bitte, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde definitiv keine 40 Minuten heute Morgen reden.

(Michael Roolf, FDP: Schade. – Torsten Koplin, DIE LINKE: Aber Sie könnten. – Helmut Holter, DIE LINKE: Ich würde sogar zuhören.)

Auch da bin ich mir relativ sicher, Herr Holter.

Aber lassen Sie mich auf den Antrag kommen und die Frage, Arbeitsmarktpolitik neu auszurichten.