Sie wissen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass es – ich will es mal eine Bandbreite von unterschiedlichen Auffassungen nennen, die die Parteien von CDU und SPD und natürlich auch die Koalitionspartner hier in diesem Land zu diesem Thema Arbeitsmarktinstrumente generell haben – natürlich immer wieder schwierig ist, mit einem solchen Antrag, der doch sehr stark ausgerichtet ist auch auf Positionen, die von meiner Bundespartei vertreten werden, umzugehen. Aber lassen Sie mich trotzdem versuchen, mit diesem Antrag so umzugehen, damit hinterher nicht wieder der Vorwurf kommt von Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, hier wird das alles nur in Bausch und Bogen abgelehnt, weil es ein Antrag einer Oppositionsfraktion ist.
Arbeitsmarktinstrumente – und so habe ich jedenfalls den Inhalt dessen verstanden, auch was Herr Minister Seidel eben gesagt hat – müssen sicherlich die Problemvielfalt, die es in den einzelnen Regionen gibt, abbilden. Herr Minister Seidel, da gebe ich Ihnen durchaus recht, dass Flexibilisierung dann auch der richtige oder ein richtiger Weg sein kann. Aber die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist doch, ob die jetzigen Versuche, die von der schwarz-gelben Bundesregierung gemacht werden, zu flexibilisieren, dann tatsächlich der richtige Weg sind.
Die Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, so, wie sie uns jetzt dargestellt worden sind in den letzten Wochen und Monaten, soll 2012 in Kraft treten. Die schwarz-gelbe Bundesregierung verspricht sich dadurch eine effektivere und effizientere Arbeitsmarktpolitik. Sie will dieses, und darauf hat Minister Seidel eben auch noch mal abgestellt, dadurch erreichen, dass die Frage der Entscheidungsfreiheit oder die Möglichkeit der Entscheidungsfreiheit vor Ort erhöht wird.
Die Entscheidungsfreiheit vor Ort ist sicherlich dann auch ein Weg, der zur Problemlösung führen kann. Nur die Frage, die sich in dem Zusammenhang stellt, ist doch auch, wenn man Ermessen einräumt, dann muss man auch – und das gilt ebenfalls für die finanziellen Spielräume – die entsprechenden Ermessensspielräume einräumen, die dann tatsächlich die Ermessensausübung erst ermöglichen.
Wenn man sich dann die vorliegende Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente anschaut, dann muss man auch bereit sein zu sehen, ob das tatsächlich unter den derzeitigen Gesichtspunkten der richtige Weg ist. Mehr als eine Entscheidungsfreiheit bedeutet nämlich momentan, dass die Rechtsansprüche der Arbeitsuchenden auf bestimmte Leistungen der Arbeitsmarktpolitik, zum Beispiel Existenzgründerzuschuss durch die Umwandlung von Pflicht in Ermessensleistung, tatsächlich eingeschränkt werden.
Gleichzeitig, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wird die finanzielle Basis der Bundesagentur für Arbeit dadurch durchlöchert, dass bestimmte Förderleistungen, die dann im Ermessen stehen, mangels Geld schlicht und ergreifend nicht mehr gewährt werden können. Wenn man das sieht, wo denn eigentlich gekürzt worden ist, wo die jährlichen Einsparbeträge dann umgesetzt werden sollen, und da hat man tatsächlich manchmal den Eindruck, dass die Arbeitsmarktpolitik weniger von Frau von der Leyen gemacht worden ist, sondern mehr von Herrn Minister Schäuble, dann kann man nur feststellen, dass zum Beispiel durch die Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistungen jährlich ein Betrag gekürzt oder eingespart werden soll, der einen Betrag ab dem Jahr 2014 zum Beispiel von 15 Milliarden Euro erreicht.
Im Bundeshaushalt 2011 werden dann schon im Bereich für die aktive Arbeitsmarktpolitik, im Bereich Eingliederungsleistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II die bereitgestellten Gelder drastisch zusammengestrichen, nämlich um 1,3 Milliarden Euro für den Zeitraum oder im Unterschied von 2010 auf 2011 von 6,6 auf 5,3 Milliarden. Es gibt noch weitere Beispiele.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das vielleicht nur einmal als Hintergrund, dass man bei allen berechtigten Diskussionen darüber, wie man auch in einer sich verändernden Umwelt, auch in einer sich verändernden arbeitsmarktpolitischen Umwelt natürlich darüber nachdenken muss, welche Maßnahmen wie möglicherweise neu gestaltet werden können. Aber es kann nicht im Grunde allein die Überlegung sein, dass aus haushalterischen Gesichtspunkten dann Arbeitsmarktpolitik reduziert wird.
Für uns als SPD ist eines wichtig, und ich glaube, das ist auch die Kernaussage, die man in diesem Zusammenhang treffen muss: Arbeitsmarktpolitik kann oder muss darauf ausgerichtet sein, dass sie trotz aller Schwierigkeiten natürlich als Erstes – und da sind wir dann, glaube ich, im Konsens – ausgerichtet sein muss auf eine Vollbeschäftigung für die Menschen in unserem Land. Aber damit verbunden, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, muss auch das Ziel sein, dass wir eine Spaltung des Arbeitsmarktes in diejenigen, die langzeitarbeitslos sind und die wir vielleicht trotz aller Bemühungen sowohl der Bundesagentur als auch von allen anderen Beteiligten und insbesondere natürlich auch der Arbeitsuchenden nicht wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingliedern können, und andererseits tatsächlich fehlende Fachkräfte hier vermeiden müssen. Wir dürfen keine Spaltung des Arbeitsmarktes hinnehmen.
Vor diesem Hintergrund, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bleibt meine Partei, bleibt meine Fraktion der Auffassung, dass wir uns für den Bereich – und vielleicht sind wir tatsächlich gar nicht so weit auseinander, Sie haben ja selbst die Zahl noch genannt, die wir möglicherweise mit allen Anstrengungen tatsächlich auch
nicht in Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt bringen können – natürlich dann ernsthaft überlegen müssen, dass wir den Arbeitsuchenden eine dauerhafte Perspektive geben. Es kann nicht angehen, dass wir sie immer wieder nur von einer Maßnahme in die andere schieben, um dann irgendwann mal das Renteneintrittsalter zu erreichen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, bei allem Respekt vor Ihrem Antrag und bei allem Respekt vor der Zielsetzung Ihres Antrages, das, was Sie hier vorgeschlagen haben, da bin ich mir nun ehrlich nicht sicher, ob diese Mittel, wenn man sie nur in diesen Punkten so sieht, tatsächlich geeignet sind, auch dieses Ziel, das wir uns stellen, zu erreichen. Ich habe das gestern auch noch mal gegenüber einem Journalisten geäußert: Das vordringliche Problem, das wir in unserem Land haben, ist tatsächlich die Chance und das Potenzial, was wir bei denjenigen auch heute noch haben, die Arbeit suchen, so zu heben, dass wir sie tatsächlich in den ersten Arbeitsmarkt bringen können. Das muss das vorrangige Ziel sein und deswegen müssen unsere Anstrengungen zunächst darauf ausgerichtet sein.
Was Ihren konkreten Antrag, insbesondere den Punkt 2 betrifft, Sie wissen ganz genau, dass Sie bei einer Landesregierung, die, gerade was das Thema Arbeitsmarktpolitik angeht, nun doch unterschiedliche Auffassungen bei den Koalitionspartnern hat, einen solchen Antrag hier nicht beschlossen bekommen durch die Koalitionsfraktionen. Ich meine, so dumm ist auch die Fraktion DIE LINKE nicht. Das war jetzt nicht böse gemeint, Herr Professor Tack.
Ich meine, das muss ja jedem klar sein. Aber auf der anderen Seite wissen Sie auch ganz genau – und ich kann mir durchaus vorstellen, dass der Kollege Holter gleich noch zu dem Thema reden wird und das dann noch einmal aufgreift –, dass gerade vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Positionen natürlich der Ministerpräsident dieses Landes vielleicht an der einen oder anderen Stelle oder die Partei der SPD in diesem Land Einfluss nehmen kann über die jeweiligen Gremien.
Wir werden uns natürlich dafür einsetzen, dass eine entsprechende Arbeitsmarktpolitik, die darauf ausgerichtet ist, wie ich es eben geschildert habe, gerade eine Spaltung auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern, von uns unterstützt wird. Deswegen werden wir an dieser Stelle, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Ihren Antrag heute hier ablehnen. – Danke schön.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Fraktionsvorsitzende Herr Roolf. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Arbeitsmarktpolitik neu ausrichten und nachhaltig finanzieren – ich denke, wir sind uns alle einig, dass wir unsere Arbeitsmarktpolitik unter das Motto „Fördern und fordern“ setzen sollten.
Wenn wir uns darüber einig sind, dass das unser Ziel ist, dann sind wir uns auch darüber einig, dass die Probleme derjenigen, die gern in den Arbeitsmarkt integriert und eingeführt werden wollen, immer individueller werden, immer einzelner auch auf die Biografien und auf die Lebensweise zu fokussieren sind, dass die Antworten, die wir haben müssen, auch immer individueller sein müssen und dass die Schablonen immer schlechter passen, sondern wir individuelle passgenaue Arbeitsmarktprogramme haben wollen.
Das, was Sie hier aber mit Ihrem Antrag machen, führt uns zu dem Ziel nicht hin, weil es ist auf der einen Seite – und das hat Frau Lück in ihrem Vortrag noch einmal gezeigt – eine Unterstellung in Richtung Arbeitgeber und auf der anderen Seite sind es Forderungen, die bei der Arbeitsmarktförderung völlig wirr und überhaupt nicht nachvollziehbar sind.
Ich will einfach mal beginnen bei den Forderungen, die Sie stellen, also bei Ihrem Punkt 2, dass Sie sagen, die Vermittlung in Niedriglohnbereiche ist auszuschließen. Wenn der Kollege Holter nachher noch spricht oder Frau Lück, dann sagen Sie mir bitte einmal genau, wann ist eigentlich ein Lohn im Niedriglohnbereich, ist er nach Ideologie bei 10 Euro, ist er bei 9,99 Euro ein Niedriglohn, wann ist ein Niedriglohn ein Niedriglohn, dass wir das vielleicht alle mal gemeinsam verstehen.
(Udo Pastörs, NPD: Schauen Sie mal auf die Lebenshaltungskosten! Dann lassen Sie sich mal was einfallen!)
Und dann sind Sie bei der Thematik Ihres zweiten inhaltlichen Ansatzes, dass Sie sagen, wir nehmen eine Grenze von 10 Euro. Also meine Definition heißt, 9,99 Euro ist bei Ihnen ein Niedriglohn.
Dann sagen Sie, bei allen denjenigen, die unter 10 Euro sind, sollen keine Zuschüsse gezahlt werden und da soll nicht aktiv begleitet werden. Das heißt, das ist Ihr Ansatz, Ihr politischer Ansatz zu sagen, alle Tarifverträge, alle Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sind im Prinzip im Niedriglohnbereich, die sich unter 9,99 Euro befinden, und die sind für Sie nicht akzeptabel.
Das, was Sie weiterhin dann aber auch sagen – und das hat Frau Lück gesagt, jetzt ist sie leider nicht mehr da, ach doch, da hinten ist sie –, bedrückt mich ein wenig, indem Sie hier das Bild malen und sagen, Arbeitgeber würden sich aus der Verantwortung flüchten, was die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung anbelangt.
Meinem Erkenntnisstand nach ist die Arbeitslosenversicherung immer noch paritätisch in der Finanzierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich, mir wäre es am allerliebsten, wenn die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern alles, aber auch alles auszahlen, was sie als Bruttolohn bekommen, also auch den Arbeitgeberanteil, damit die Arbeitnehmer endlich am Ende des Tages noch einmal sehen,
(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Alles Theorie, die in die Hose gegangen ist. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)
wie viele Beiträge an das Sozialsystem abgeführt werden, denn es ist immer eine Zahl, die nicht greifbar ist, die nicht zu sehen ist.
Deshalb ist mein Wunsch, dass man das den Arbeitnehmern auszahlt, dann wissen sie genau, welcher Beitrag geleistet wird.
Dann ist da dieses Bild in Richtung M-V, Frau Lück, das tut mir natürlich als Vertreter des Handwerks besonders weh. Ich glaube, Herr Minister Seidel hat in den letzten zwei Jahren keine Debatte hier ausgenommen, in der er nicht darauf hingewiesen hat, dass gerade diejenigen, die das Rückgrat in Mecklenburg-Vorpommern bilden, nämlich die Handwerksunternehmen hier in diesem Land, es in den letzten zwei Jahren nicht gemacht haben, ihre Arbeitnehmer nicht auf die Straße gesetzt haben. Gerade dort ist der Beschäftigungsgrad so hoch geblieben in den letzten zwei Jahren. Das hätte ich mir auch von Ihnen mal gewünscht, eine Anerkennung der Arbeitgeber hier in Mecklenburg-Vorpommern. Das, was Sie machen, ist eine Vorverurteilung, und das bringt uns im Ergebnis nicht weiter.
dann sollten Sie bitte auch eine ungerechtfertigte Subventionierung mit Ort und Datum nennen, denn ungerechtfertigte Subventionierungen will kein Demokrat.