Protokoll der Sitzung vom 14.03.2007

Die Unternehmenssteuerreform haben wir bei den Steuereinnahmen als Risikofaktor ebenfalls berücksichtigt. Die Bundesregierung rechnet aktuell mit einem Gesamtsteuerausfall von knapp 6,5 Milliarden Euro im ersten Jahr. Das wird sich natürlich auch auf den Landeshaushalt auswirken. Ob es bei dieser Zahl bleibt oder ob sich kassenmäßig höhere Ausfälle ergeben werden, ist noch nicht abzuschätzen. Möglicherweise wird es erforderlich sein, hier Sicherheitsabschläge einzubeziehen. Dennoch unterstütze ich die Bundesregierung bei ihrem Anliegen,

den Steuerstandort Deutschland international noch wettbewerbsfähiger zu machen. Den immer weiter gehenden Forderungen, insbesondere aus dem Unternehmerlager, möchte ich jedoch eine Absage erteilen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Im Gesetzgebungsverfahren, meine Damen und Herren, darf der vorliegende Vorschlag nicht um zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden, die zu weiteren Mindereinnahmen führen würden.

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

Eine Achterbahnfahrt der Steuereinnahmen wie zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode können wir uns nicht noch einmal leisten.

Auf ein anderes Problem des Gesetzentwurfes möchte ich Sie ebenfalls aufmerksam machen. Das Konzept zur Unternehmenssteuerreform sieht eine Aufkommensneutralität bei der Gewerbesteuer für die Kommunen vor. Wir müssen aber aufpassen, dass diese nicht nur im bundesdeutschen Schnitt erreicht wird, sondern auch für die spezifi sche Situation im Osten gilt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, richtig. – Heike Polzin, SPD: Genau.)

Durch die wesentlich kleinteiligere Wirtschaftsstruktur können sich die Vorschläge negativ für unsere Kommunen auswirken. Diesen Aspekt müssen wir im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens aufmerksam verfolgen.

Eines möchte ich jedoch festhalten: Wir erleben zurzeit eine kleine Renaissance des Staates. Von ihm wird immer mehr verlangt: mehr Kinderbetreuung, eine bessere Schule, eine saubere Umwelt, mehr Sicherheit und viele Investitionen, um nur ein paar Schlagwörter zu nennen. Ein starker vorsorgender Sozialstaat wie beispielsweise in Skandinavien ist aber nur mit einer angemessenen Steuerquote zu haben.

(Beifall Rudolf Borchert, SPD, Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

Wer wenig Steuern zahlen will, muss nach angelsächsischem Vorbild mit einem „Nachtwächterstaat“ vorliebnehmen. Aber vom Staat Sparsamkeit im Allgemeinen und Freigiebigkeit im Besonderen zu fordern, wird nicht mehr lange gut gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, in der vergangenen Woche hat die Kommission für die Föderalismusreform II ihre Arbeit aufgenommen. Ziel ist es, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Die Diskussionen werden uns sicher die nächsten Monate begleiten und die Ergebnisse werden Einfl uss auf die Entwicklung unseres Bundeslandes haben. Eines möchte ich aber vorwegstellen: Der erst vor zwei Jahren in Kraft getretene neue Länderfi nanzausgleich und der Solidarpakt II sind für uns nicht verhandelbar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Ich sage dies so ausdrücklich, weil sich insbesondere die Geberländer zunehmend Hoffnungen machen, das ganze Paket aufschnüren zu können, um es zu ihren Gunsten zu verändern.

Meine Damen und Herren, Sie kennen die fi nanzpolitische Perspektive des Landes. Ab dem Jahr 2009 werden die Mittel aus dem Solidarpakt deutlich weniger. Auch mit den EU-Mitteln können wir nur bis zum Jahr 2013 rechnen. Hinzukommen die Einnahmeverluste durch die jährlich weiter abnehmende Bevölkerung. Ab 2020 sind wir dann nur noch ein Bundesland unter vielen, denn dann müssen wir allein mit unseren eigenen Einnahmen und den Geldern aus dem Finanzausgleich auskommen. Wir haben unsere gesamte Politik auf diese Perspektive ausgerichtet. Wir haben zurückgerechnet, um zu wissen, wann wir bei welchem Ergebnis sein müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Eine Schlechterstellung im Finanzausgleich oder im Solidarpakt würde dies alles zunichte machen und es würde einen herben Vertrauensbruch bei den Bürgern Ostdeutschlands bedeuten.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Dies dürfen wir nicht zulassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Ausdrücklich unterstützen sollten wir allerdings alle Maßnahmen, die zu einer wirksamen Begrenzung der Staatsverschuldung führen. Die ostdeutschen Länder haben in 15 Jahren so viel Pro-Kopf-Schulden angehäuft wie die alten Bundesländer seit ihrem Bestehen. Sollten wir es schaffen, ab dem Jahr 2010 etwa 100 Millionen Euro jährlich zu tilgen, bräuchten wir immer noch 100 Jahre, um schuldenfrei zu werden.

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Wir hinterlassen also nicht nur unseren Kindern ein schweres Erbe, sondern sogar noch unseren Ururenkeln. Es ist zwar schön, wenn man den Nachkommen in Erinnerung bleibt, aber ob wir uns in dieser Form unsterblich machen wollen, sollten wir uns genau überlegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und Michael Roolf, FDP)

Ich persönlich kann mir daher auch ein grundsätzliches Schuldenverbot vorstellen. Über Modalitäten und Ausnahmefälle wird zu reden sein.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das sieht das Parlament aber anders.)

Zumindest für die ostdeutschen Länder wäre dies dringend notwendig, bedenkt man die von mir beschriebene Perspektive bis 2020.

Meine Damen und Herren, der Entwurf des Nachtragshaushaltes 2007 liegt Ihnen vor. Ich freue mich auf die erfahrungsgemäß guten und konstruktiven Beratungen im Finanzausschuss. Schon morgen werden die ersten Einzelpläne im Ausschuss beraten. Die Zweite Lesung und die Beschlussfassung werden dann voraussichtlich auf der regulären Landtagssitzung am 9. Mai 2007 vollzogen.

Meine Damen und Herren, seit mehr als 16 Jahren beteilige ich mich in verschiedenen Funktionen an der Arbeit des Finanzausschusses dieses Landtages. Gestatten Sie mir deshalb an dieser Stelle eine Anmerkung zu

unserer gemeinsamen Ausschussarbeit. Ich wende mich dabei insbesondere an die FDP-Fraktion mit ihrem Ausschussmitglied Herrn Schnur. Ich muss Ihnen sagen, Herr Schnur, Ihr Verhalten gegenüber der Öffentlichkeit, aber auch gegenüber Ihren Ausschusskollegen hat mich entsetzt. Sie wissen, ich spreche von der Finanzausschusssitzung am 18. Januar 2007, in der ich ausführlich über den Subventionsbetrug in Sassnitz und die Vergabe der Investitionszulage berichtet habe. Sie haben danach gegenüber der Presse behauptet, es wäre auf der Ausschusssitzung, die im Übrigen nicht öffentlich ist, von einem Schadensbetrag in Höhe von 60 bis 70 Millionen Euro die Rede gewesen. Das ist eine freie Erfi ndung. Das lässt sich auch beweisen, da es bei jeder Ausschusssitzung einen Tonmitschnitt gibt.

Ich bin der Landtagsverwaltung und der Ausschussvorsitzenden dankbar, dass sie nach Prüfung dieses Mitschnitts klargestellt hat, dass Ihre Aussage, Herr Schnur, nicht richtig ist. Darüber hinaus haben Sie auf der besagten Ausschusssitzung nicht eine einzige Nachfrage zu diesem Thema gestellt. Dass Sie danach vor die Presse gehen und den Aufklärungswillen des Finanzministeriums bezweifeln, ist indiskutabel. Und nicht nur das, Sie stellen als neuer Abgeordneter mit Ihren Äußerungen auch die Integrität der Ausschussvorsitzenden und langjährigen Abgeordneten Frau Gramkow infrage und unterstellen schließlich dem Ausschussbüro von Frau Arnold eine manipulierte Protokollführung. Sie ziehen nach den ersten sechs Finanzausschusssitzungen Ihres Abgeordnetenlebens die höchsten Register, wenn Sie sagen, ich zitiere: „Die Basis für eine Zusammenarbeit mit Frau Gramkow ist zerstört.“ Und das alles tun Sie – ich wiederhole es noch einmal – aufgrund einer nachweisbaren Falschaussage.

Ich bitte Sie, Herr Roolf, das nächste Mal nicht einfach nur den Angaben Ihres Kollegen Schnur zu glauben, sondern lieber noch einmal selbst den Sachverhalt zu prüfen, insbesondere bevor Sie dann öffentlich Mitgliedern der Regierung den Rücktritt nahelegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Meine Damen und Herren, doch zur Verbreitung der Falschmeldung hat auch die „Ostsee-Zeitung“ beigetragen.

(Raimund Borrmann, NPD: Kommen Sie doch mal zur Sache!)

Ihr Landeskorrespondent Herr Köpke schreibt am 1. März: „Wie drei Ausschuss-Mitglieder der OZ unabhängig voneinander erklärten, fehlen in der Mitschrift wichtige Details.“

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Ausgenommen die Abgeordneten Schnur und Köster haben wir inzwischen mit allen anwesenden Ausschussmitgliedern geredet. Niemand hat diese Angabe bestätigt. Nimmt Herr Köpke wirklich an, dass drei Ausschussmitglieder öffentlich und offensichtlich die Unwahrheit sagen mit dem Wissen, dass es einen Originalmitschnitt gibt? Ich glaube ihm dies nicht. Es gibt keine drei Quellen für die Zeitungsente des Herrn Schnur. Und das ist besonders deshalb ärgerlich, meine Damen und Herren, weil Medien Macht über Meinung haben. Da hilft es nichts, wenn man wie Herr Köpke in wohlklingenden

Kommentaren den zivilgesellschaftlichen Kampf gegen die Rechtsextremisten einfordert, aber gleichzeitig durch verfälschte Berichterstattung den Vorurteilen vieler Menschen gegenüber der Politik weiter Nahrung gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Raimund Borrmann, NPD)

Damit man mich nicht falsch versteht, ich schätze die Funktion der Presse in unserer Demokratie sehr, aber sie muss auch der Wahrheit verpfl ichtet sein. Und die Wahrheit, meine Damen und Herren, ist in der Regel komplizierter, als es die Schlagzeilen oft vermuten lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Dr. Harald Ringstorff.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Es sind Schlagzeilen wie „Das Ostseeküstenwunder“ oder „Mecklenburg-Vorpommern macht es vor: Keine neuen Schulden“, die man in den letzten Wochen in vielen Zeitungen zwischen Flensburg und Garmisch lesen konnte.

(Udo Pastörs, NPD: Sie sind das Wunder, Herr Ringstorff. – Heiterkeit bei Stefan Köster, NPD)

Und in der Tat, es ist ein historisches Ereignis, dass wir im vergangenen Jahr erstmals ohne neue Schulden ausgekommen sind. Ein Wunder, meine Damen und Herren, ist der ausgeglichene Landeshaushalt des vergangenen Jahres aber nicht. Sicher stimmte die konjunkturelle Großwetterlage: Das Wirtschaftswachstum zog an. Die Steuereinnahmen waren deshalb um rund 300 Millionen Euro höher, als ursprünglich erwartet worden war. Und auch das niedrige Zinsniveau hat geholfen, hat uns mehr als 60 Millionen Euro erspart. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist: Seit Jahren fahren wir einen strikten Sparkurs, setzen Schwerpunkte und investieren in zukunftsfähige Strukturen. Alle Bereiche wurden auf den Prüfstand gestellt. Vielfältige Sparanstrengungen kommen zusammen. Besonders hervorheben möchte ich die 50 Millionen Euro, die wir im vergangenen Jahr infolge des 2004 beschlossenen sozialverträglichen Personalabbaus in der Landesverwaltung eingespart haben.

(Udo Pastörs, NPD: Sehr sozialverträglich.)

Das war und ist nur mit dem guten Willen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich. Für sie ist damit manche Belastung und Einschränkung verbunden. Das wissen wir. Deshalb möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um allen Beschäftigten im Landesdienst ausdrücklich zu danken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)