Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

Danke schön, Herr Schulte.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der Linkspartei.PDS die Abgeordnete Frau Dr. Linke. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! In der Begründung zum Antrag wird deutlich herausgestellt, dass Alkohol als Ursache von Unfällen nach wie vor eine große Rolle spielt. Unfälle, wer weiß das nicht, bedeuten viel Leid für die Betroffenen und deren Familien. Unfälle verursachen erhebliche volkswirtschaftliche Schäden. Das alles ist seit Langem bekannt und wird wie in einer Endlosschleife dennoch gern von Politikern beklagt, von denen sich die meisten allerdings nicht dazu entschließen können, endlich die 0,0-Promille-Grenze im Straßenverkehr einzuführen.

(Beifall Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Lobbyarbeit der Weinbauern, der Bierbrauer, aber auch alte lieb gewordene Gewohnheiten

(Heike Polzin, SPD: Aber gegen die Raucher vorgehen.)

erweisen sich in der Praxis als sehr zählebig und erfolgreich. Ohne Zweifel ist es eine Frage von Verantwortungsbewusstsein und auch Selbstdisziplin, vor Antritt einer Fahrt mit dem Auto oder mit dem Motorrad auf jeglichen Alkoholkonsum zu verzichten. Warum wird aber dennoch allzu häufi g dem Alkohol zugesprochen und anschließend der Weg motorisiert angetreten? Warum ist weder in der Rechtsetzung noch im täglichen Leben durchgesetzt, dass Trinken und Auto- oder Motorradfahren einander vollkommen ausschließen sollten?

Wir reden über die Droge Alkohol und müssen einfach konstatieren, dass Alkohol in der Alltagskultur unserer Gesellschaft einen festen Platz hat, sprich eine hohe Akzeptanz hat – das Gläschen Bier zum Essen, das Glas Wein zum Gespräch mit Freunden, der Cocktail vor, der Cognac nach dem Essen, das Glas Sekt zum Betriebsjubiläum

(Volker Schlotmann, SPD: Wer macht denn so was?)

und so weiter und so weiter. Das sind alles ganz gewöhnliche Alltäglichkeiten.

(Heike Polzin, SPD: Das verbieten wir auch noch.)

In internationalen Studien zeigt sich das auch an den Antworten von 15- bis 16-jährigen Jugendlichen.

(Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

85 Prozent von ihnen bescheinigen dem Alkohol eine hohe Akzeptanz. Mehr als 80 Prozent der befragten 16-Jährigen geben an, schon einmal in ihrem Leben betrunken gewesen zu sein. Alkoholkonsum in Diskotheken, das seit etwa drei Jahren immer wieder thematisierte Kampftrinken, neuerdings locken Diskotheken mit einer Flatrate, also für 5 bis 15 Euro trinken bis zum Umfallen – alles ist bekannt.

Es ist auch bekannt, dass der Schritt vom gelegentlichen geselligen Trinken zum regelmäßigen Bier, Wein oder Wodka nach Auffassung von Fachleuten schon den Schritt vom Genuss zum Suchtkonsum darstellt. Gesellen sich dann hierzu noch persönliche Probleme, dann ist der Rausch oft vollkommen. Dann ist damit ein Kreislauf in Gang gesetzt, aus dem die Betroffenen allein sehr schwer wieder herausfi nden. Dieser Kreislauf nimmt wie vieles andere auch seinen Anfang in der Familie, beim Vorbild der Eltern, und setzt sich in Discos unter Freunden und im Arbeitsalltag fort. Kinder und Jugendliche wachsen hinein – so muss man es leider sagen – in eine Trinkerkultur. Alkohol setzt die Hemmschwelle herab, verändert das Reaktionsvermögen, verleitet zur Selbstüberschätzung. Alkohol sollte wegen seines langfristigen Suchtpotenzials, aber auch wegen dieser kurzfristigen Wirkungen, die besonders verheerend sind, wenn man sich ans Steuer setzt, nur in Maßen oder überhaupt nicht genossen werden.

Eine solche Einstellung erreicht man nur bedingt mit Appellen. Eine solche Haltung muss gelebt, muss erlebt und muss vorgelebt werden. Hier möchte ich ganz deutlich sagen: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beeinträchtigt wird. Das ist beim durch Alkohol bedingten Verkehrsunfall der betroffene andere. Geben wir unseren Jugendlichen ein gutes Beispiel! Fangen wir selbst mit der Abstinenz im Alltag an, dann werden sie begreifen, dass es uns auch ernst ist mit ihnen und ihren Verhaltensweisen.

Wie fast immer im Leben wird sich auch hier nur etwas ändern, Herr Innenminister hat darauf hingewiesen, wenn es einen gesellschaftlichen Konsens zur Veränderung gibt, wir diesen Konsens befördern und selbst ein Vorbild geben. Setzen wir uns also deshalb dafür ein, dass das, was wir alle gemeinsam hier als Auffassung formuliert haben, auch eine gesetzliche Form annimmt! Setzen wir uns dafür ein, dass für alle Verkehrsteilnehmer gilt: Ohne Alkohol ans Steuer! Ich plädiere ausdrücklich dafür, diesen Weg so, wie in unserem Antrag formuliert, über den Bundesrat zu gehen. Wir wissen alle, das Bun

desratsverfahren ist sehr umfangreich, es geht nur mit den Ausschüssen des Bundesrates und setzt sich über Ministerkonferenzen fort, bis es dann selbst in den Bundesrat gelangt.

Ich denke, wir alle haben eine große Verpfl ichtung, wenn wir dieses Thema so akzeptieren, auch auf unserem Gebiet, jeder in seinem Verantwortungsbereich, die erforderlichen Schritte zu gehen. Ich plädiere für die Annahme unseres Antrages.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Dr. Linke.

Es hat das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Stein. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Krux der späten Rede ist, dass schon vieles gesagt wurde und ich nicht alles wiederholen möchte. Verkehrssicherheit ist ein Thema, über das sicherlich ständig und oft debattiert werden kann, weil immer wieder neues Zahlenmaterial auch über die Presse vorgelegt wird. Wir haben gerade dazu von Frau Schwebs etwas gehört. Dabei muss man natürlich festhalten, dass in den letzten Jahren schon viele Regelungen hin zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr eingeführt und geändert worden sind. Grundsätzlich sind wir der Überzeugung, man muss aufpassen, dass nicht durch zu viele bürokratische Verfahren dabei zu viele Freiheiten eingeschränkt werden. Denn eines ist bei allen Vorschriften ganz wichtig: Sie müssen in hervorgehobener Weise von all denen, die sie betreffen, auch verstanden, ernst genommen und akzeptiert werden können.

Vor diesem Hintergrund sind nach meiner Auffassung grundsätzlich alle die Bürgerfreiheiten irgendwie einschränkenden gesetzgeberischen Initiativen zuallererst zu betrachten. Der Antrag der Linkspartei.PDS beschäftigt sich jetzt im ersten Punkt mit der 0-Promille-Grenze. Da gibt es Für und Wider. Das ist überhaupt keine Frage, das haben wir auch innerhalb unserer Fraktion natürlich mit Für und Wider diskutiert und sicherlich auch keine einheitliche Meinung erzielen können. Das muss man ganz klar sagen. Ich denke aber, das ist in fast allen Fraktionen so, denn Hand aufs Herz: Wer von den hier Anwesenden, die Besucher eingeschlossen, hat sich nicht dabei ertappt zu denken, huch, jetzt ist das Gläschen Wein doch in den Mund geglitten und mein Auto steht noch draußen? Wer hat sich selbst noch nicht dabei ertappen können?

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Man muss es vorher schon bestellt haben.)

Einige sicherlich, aber die Mehrheit, denke ich, spreche ich hier an. Wer hat sich nicht dabei ertappt, mit diesem einen kleinen Gläschen oder mit dem kleinen Uso nach dem Essen beim Griechen dann doch an einer Polizeistreife vorbeizufahren und ein bisschen Herzklopfen zu haben? Ich denke, das ist den meisten irgendwann schon einmal so ergangen.

(Heike Polzin, SPD: Ich fahr immer mit 0,0. – Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Wenn es kein Wider gäbe, dann wäre es auch so, dass wir die 0-Promille-Grenze in Deutschland schon hätten, dass wir sie wahrscheinlich schon europaweit hätten.

(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Das wäre besser. – Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Wir haben sie ja schon gehabt. – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das ist wohl wahr.)

Ich will nur darauf hinweisen, dass zuletzt am 1. April 2001 die Promillegrenze von ehemals 0,8 auf 0,5 in Deutschland abgesenkt wurde. Das ist beispielsweise unter wissenschaftlicher Bewertung – auch da gibt es natürlich unterschiedliche Wissenschaftler, wie so oft – der Wert, die Grenze, über der die Auffälligkeiten im Verkehrsverhalten sozusagen erst signifi kant ansteigen. Das ist natürlich immer ein Begriff, bei dem man genau weiß, signifi kant ansteigen heißt, es gibt auch Werte, die darunter liegen. Seit der Einführung dieser Grenze von 0,5 gehen die alkoholbedingten Vergehen im Straßenverkehr bundesweit kontinuierlich Jahr für Jahr um etwa fünf Prozent zurück. Das ist natürlich auch nur eine statistische Größe, denn zeitgleich muss man feststellen, dass es generell zu einem grundsätzlich veränderten Trinkverhalten in der Bevölkerung gekommen ist. So geht der Alkoholkonsum in Deutschland insgesamt seit mehreren Jahren ohnehin kontinuierlich zurück,

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ja? Das glaube ich nicht.)

was beispielsweise auch die Braumeister immer wieder boykottieren, bemängeln und bedauern und natürlich den Werbeetat entsprechend hochfahren.

Diese Reduzierung des Alkoholkonsums, ich sage jetzt einmal, des Alkoholmissbrauchs, gilt leider nicht für Fahranfänger und übrige Drogenkonsumenten, die sich auch im Straßenverkehr bewegen. Diese etwa 25 bis 30 Prozent der Unfälle gehen nur von diesen 8 Prozent der Bevölkerungsgruppe aus. Auch das ist Statistik. Deshalb war es folgerichtig, gerade diese Bevölkerungsgruppe der jungen Fahranfänger in die 0-Promille-Grenze aufzunehmen. Nach allem, was bisher bekannt ist, ist diese Aktion ein Erfolg einer in erster Linie erzieherischen Maßnahme gegenüber noch lernenden Verkehrsteilnehmern. Ob hier, das werden die Erfahrungen sicherlich zeigen, noch Ausweitungen erforderlich, sinnvoll und notwendig sind und wie weit solche Ausweitungen dann auch erfolgen können – die jüngste Debatte in den Medien, gerade heute wieder im Radio, zeigt das –, da muss man wirklich einmal statistische Erhebungen zugrunde legen, wenn das mal ein bisschen gelaufen ist, um so eine Aktion zu bewerten.

Nicht zuletzt muss man beachten, wenn man Grenzen einführt, dass sich natürlich auch in der Handhabung, da spreche ich jetzt den Innenminister zum Beispiel an, etwas ändern wird. Das ist beispielsweise so, wenn man eine 0-Promille-Grenze als Exempel einführt, dass es für die kontrollierenden Beamten zu Mehraufwand kommen wird, weil man natürlich jeder kleinen Überschreitung gegebenenfalls nachgeben müsste und das Ganze, soweit ich weiß, immer mit Protokollen verbunden ist.

(Unruhe bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Zuruf von Minister Lorenz Caffi er)

Das sind alles Aspekte, die ich jetzt einmal völlig unbewertet stehen lassen möchte.

Es wurde schon angesprochen, wir haben natürlich auch in Europa eine gewisse Ess- und Trinkkultur, an die man sich über viele Generationen gewöhnt hat. Das ist sicher

lich eine Geschichte, die man möglicherweise mit Einführung einer 0-Promille-Grenze beeinfl ussen kann. Ob man grundsätzlich jedoch Beeinfl ussung erzielt, das sei einmal dahingestellt, denn es sind bei Weitem nicht die Genießer, die die schweren Verkehrsunfälle verursachen, sondern es sind gerade die, die sich bereits heute nicht an gültige Regeln und Grenzen halten oder die Alkohol im Zusammenhang mit Medikamenten, mit Übermüdung oder auch mit andern Drogen konsumieren. Ich nenne jetzt einmal als Beispiel diesen Raser von Rügen, der sicherlich als Extrembeispiel gelten mag, aber exemplarisch schon irgendwo zu bewerten ist. Wir denken, genau diese Gruppe sollte man zuallererst betrachten, will man im Bereich Alkoholismus wirklich die Verkehrssicherheit verbessern.

Der zweite Punkt des Antrages fordert die Einführung von Tempo 130 auf Autobahnen. Da greife ich jetzt einmal Ihr Leitthema Verkehrssicherheit auf. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei.PDS, den größten Beitrag zur Verkehrssicherheit in Mecklenburg-Vorpommern hat maßgeblich die CDU geleistet

(Hans Kreher, FDP: Mit der FDP bitte!)

in der 1. Legislaturperiode, als nämlich die Autobahn A 20 mit der F.D.P. zusammen durchgesetzt wurde.

(Heiterkeit bei Minister Lorenz Caffi er)

Das ist – da bin ich relativ unbescheiden, da bin ich auch ziemlich sicher – die größte Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im Land Mecklenburg-Vorpommern gewesen und das ist sie auch immer noch. Darauf können wir stolz sein.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Da braucht man ja nichts mehr zu machen oder was?!)

Das zeigt, dass auf deutschen Autobahnen auch ohne generelles Tempolimit die sichersten Straßenverhältnisse in Europa gegeben sind. Das sei nur einmal vorweggestellt.

Wir sind fest davon überzeugt, dass gerade auch bei Temporegelungen Vorschriften verstanden und akzeptiert werden müssen, um wirklich wirken zu können. Das erleben wir an jeder Autobahnbaustelle, wenn da ein vergessenes Schild nach Abbau der Baustelle steht. Eine Weile hält man sich daran und irgendwann fragt man sich, was das Ganze soll, und nimmt es nicht mehr wahr. Das betrifft leider auch immer wieder Beschilderungen, die überhaupt nicht zu verstehen sind. Wir erleben das. Deshalb denke ich, generelle Regelungen müssen akzeptiert und verstanden werden. Wenn man wie ich berufsbedingt, da ich jetzt Abgeordneter hier im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern bin, oft auf der A 20 unterwegs ist, dann ist vormittags hierher die Autobahn relativ voll. Da kann man teilweise die 130 gar nicht fahren. Aber wenn ich spät abends nach Hause fahre und eigentlich ins Bett möchte, ertappe ich mich manchmal schon dabei, dass ich auch 160 fahre,

(Volker Schlotmann, SPD: Oh, oh, Herr Stein, Herr Stein! Da tun sich Abgründe auf! – Minister Lorenz Caffi er: Oh, oh!)

und ich bin dann bei Weitem nicht der Langsamste.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Zuruf von Norbert Baunach, SPD)

Daher denke ich, wenn wir Vorschriften haben wollen, muss die Akzeptanz hergestellt sein.

Aus dem Grunde wird sich die CDU-Fraktion immer intelligenten Verkehrsleitsystemen zuwenden, wenn es um die Verbesserung unserer Verkehrslage und auch der Verkehrssicherheit geht. Wir haben heute solche Systeme – das hat Kollege Schulte schon ausgeführt – bereits an vielen Autobahnabschnitten in Deutschland realisiert und machen beste Erfahrungen damit. Flexible Geschwindigkeitsanpassungen machen wesentlich mehr Sinn als starre Vorschriften, weil es gerade in dichten Verkehrslagen oft auch bei Tempo 130 schon gefährlich wird. Nicht die hohe Geschwindigkeit an sich ist die Gefahr allein, sondern die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen langsamen und schnelleren Fahrzeugen auf hierfür heuzutage oft schon zu vollen Straßen, und das nicht immer, sondern zu bestimmten Zeiten.