Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

Zweitens sind zu nennen Verfahren zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen, insbesondere durch die Einführung von Verschuldungsgrenzen, Schuldenbremsen oder Verschuldungsverbot.

Drittens geht es vor allen Dingen um Entbürokratisierung und Effi zienzsteigerungen, um Aufgabenentfl echtungen im Bereich der öffentlichen Verwaltungen, um Möglichkeiten der ebenenübergreifenden Bündelung von Verwaltungsaufgaben, wie zum Beispiel die Einführung einer bundeseinheitlichen Steuerverwaltung, die Einführung von IT-Standards und -Systemen und darum, die Möglichkeiten von Technik und Online in der heutigen Zeit im Internet auch länderübergreifend besser zu nutzen.

Viertens. Es geht auch um Verstärkung von Kooperationen und darüber hinaus darum, auszuloten, ob man zukünftig das Reizthema für manche, nämlich den freiwilligen Zusammenschluss von Ländern, möglicherweise etwas befördern kann.

Leider, meine Damen und Herren, ließ es sich nicht vermeiden, dass zum verabredeten Fragenkatalog, den ich eben kurz skizziert habe, von einigen Politikern, übrigens aus mehreren Parteien, auch aus der SPD, das will ich hier deutlich sagen, auch die Themen Länderfi nanzausgleich und Solidarpakt II ungefragt, sage ich jetzt einmal, mit auf die Tagsordnung gesetzt wurden und in irgendeiner Weise versucht wird, dieses in Zusammenhang zu bringen mit den verabredeten Aufgaben und den Fragen im Rahmen der Föderalismusreform II. Ich werde nachher auf dieses Thema eingehen.

Ich möchte noch einmal den Ablauf deutlich machen, um zu sehen, in welchem Zeitabschnitt wir uns befi nden und welche Rolle wir dort als Land übernehmen können. Am 8. März 2007 hat sich die Kommission gebildet. Erste

Sitzungen wurden durchgeführt und, was ganz entscheidend ist, man hat sich inzwischen auf einen Fragenkatalog verständigt, der 18 Sachverständigen zugeleitet wurde. Diese 18 Sachverständigen werden im Rahmen einer Anhörung am 22.06. ihre Bewertungen, ihre Standpunkte und Vorschläge unterbreiten. Danach werden entsprechend diesen Anhörungsergebnissen und anderen Erkenntnissen nicht zeitgleich, sondern versetzt bis etwa Ende 2007 als Erstes die Finanzthemen und danach die Verwaltungsthemen besprochen. Beabsichtigt ist, das Jahr 2008 zu nutzen, um Ergebnisse in politischen Beratungen zu erzielen und sie entsprechend in die Gremien zu bringen, sodass, wenn das alles so funktioniert, wir Ende 2008 von der Kommission ein Ergebnis haben, was letztendlich noch durch Beschlüsse zu sanktionieren wäre.

(Zuruf von Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Das ist ein Verfahren, das nicht in wenigen Monaten und auch nicht in einem Jahr durchzuführen ist in Anbetracht der Herausforderungen dieser Thematik. Wir alle wissen, wie schwierig Finanzpolitik und Haushaltspolitik sind, insofern ist das nicht verwunderlich, zumal es hier sehr unterschiedliche Interessenlagen gibt.

Und da bin ich beim nächsten Punkt meiner Rede. Ich bin der Meinung, dass dieses Thema „Finanzbeziehung Bund-Länder“ kein parteipolitisches Thema sein sollte,

(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Bravo, Herr Borchert!)

denn es geht in erster Linie um Länderinteressen. Und wenn ich zur Kenntnis nehme, was in den Medien in den letzten Monaten dazu verbreitet wurde, kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, als würden die Bundesländer teilweise in einem sehr vielstimmigen Chor versuchen, im Vorfeld oder am Beginn dieser Beratungen ihre eigenen Positionen abzustecken, ihre eigenen Interessen deutlich zu machen. Da gibt es interessante Bündnisse und parteipolitische Überschneidungen, da kann man sich nur wundern, aber das liegt sicherlich in der Natur der Sache. Wir können das über das Agieren einzelner Politiker mit konkreten Beispielen vielleicht noch ändern.

Wenn es so ist, dass es in erster Linie um Landesinteressen geht, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, bin ich schon der Meinung, dass wir für uns in Mecklenburg-Vorpommern, und das gilt sicherlich für alle demokratischen Parteien, darüber reden und diskutieren müssen, worin die Interessen unseres Landes Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen der Diskussionen und Beratungen zur Föderalismusreform II liegen. Das ist für mich die eigentliche Kernfrage. Denn es wird uns nicht gelingen, und das wäre auch nicht wünschenswert, wenn jede demokratische Partei erwarten würde, dass die Position, die zum Teil auch auf Bundesebene vertreten wird, wirklich hilfreich wäre, wenn es darum geht, Landesinteressen zu vertreten. Bei Landesinteressen geht es einzig und allein um die Frage: Was und wem nützt hier unser Land? Mit „wem“ meine ich natürlich auch, dass es darum geht, dass bestimmte Akteure, bestimmte Personen eine Rolle spielen, aber in erster Linie geht es um Inhalte. Das heißt, und das will ich damit sagen, man braucht auch Bündnispartner.

Aus meiner Sicht gibt es im Wesentlichen drei entscheidende Ziele für unser Land. Das erste Ziel ist das Festhalten am bisherigen kooperativen Föderalismus. Die

ser muss erhalten werden, auch im Interesse unseres Landes. Gerade unser Land muss ein großes Interesse daran haben, dass das Verfassungsprinzip „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ wie bisher auch in der Zukunft das entscheidende, das Grundelement der föderalen Strukturen der Finanzbeziehung zwischen Bund und Ländern bleiben muss. Das ist, glaube ich, ein ganz entscheidender Punkt. Ich sage das so dezidiert, weil es einige Länder gibt, die es für sich inzwischen – wie ich fi nde, leider – etwas anders defi nieren.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Welche Länder sind denn das? – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Aber wir sind uns ja jetzt einig.)

Zweitens geht es um die Aufgabe – und auch das muss im Interesse unseres Landes sein, gerade vor dem Hintergrund des gestern beschlossenen ersten Landeshaushaltes ohne neue Schulden –, zukünftig erfolgreiche Maßnahmen, Regeln zu fi nden, um Staatsverschuldungen einzudämmen beziehungsweise Schuldengrenzen einzuziehen. Ob das immer gleich ein generelles Neuverschuldungsverbot sein muss, wage ich persönlich zu bezweifeln. Ich will das auch gerne begründen, denn ich bin der Meinung, dass wir Regeln brauchen, die nicht nur zu Schönwetterstrategien passen. Wir haben zurzeit Schönwetter, wir haben eine gute Konjunktur, aber wir hatten auch einen 11. September, wir hatten einen Börsencrash und wir wissen, so weit kennen wir uns aus, dass wir auch in den nächsten Jahren internationale Krisen nicht nur haben können, sondern haben werden, die, und dazu gehört, glaube ich, auch nicht viel Sachverstand, dazu führen werden, dass wir nach einer Schönwetterperiode auch mal wieder schwierige Zeiten bekommen. Dann müssen wir in der Lage sein, so wie in der Vergangenheit gegenzusteuern, natürlich auch mit Kreditaufnahme, das sage ich hier ganz deutlich.

Der dritte Punkt ist ganz wichtig. Unser Land muss ein großes Interesse haben an Effi zienzverbesserung und Bürokratieabbau, weil in diesem Zusammenhang die Bundessteuerverwaltung und andere Maßnahmen das Ziel haben müssen, dass die Einnahmebasis der öffentlichen Haushalte insgesamt verbessert wird. Insofern gibt es durchaus, wie ich fi nde, mindestens mit den schwächeren Nehmerländern – ich will nicht sagen, kleineren – und auch mit dem Bundesfi nanzministerium grundsätzlich eine Annährung in der Frage der Notwendigkeit der Bundessteuerverwaltung. Uns ist bekannt, dass Bayern und Nordrhein-Westfalen das anders sehen. Das hat übrigens Nordrhein-Westfalen auch schon anders gesehen, als es noch SPD-regiert war. Insofern gibt es da ganz offensichtlich unterschiedliche Landesinteressen.

Woran kann unser Land Mecklenburg-Vorpommern kein Interesse haben? Das will ich hier auch deutlich sagen. Ich bin der Meinung, unser Land kann kein Interesse haben an einem Steuerwettbewerb. Durch Erweiterung der Steuerautonomie der Länder würde ein Steuerwettbewerb entstehen.

(Heiterkeit bei Toralf Schnur, FDP – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Und warum streichen Sie das dann raus?! – Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Das weiß ich, dass die FDP das möchte. Ich bin der Meinung, es wäre nicht im Interesse unseres Landes, und nicht nur, wie Herr Methling meinte, weil es dann vor allen

Dingen die Schwachen treffen wird, und zu denen gehören wir zurzeit leider immer noch, sondern ich möchte noch zwei weitere Argumente bringen. Steuerwettbewerb, diese Zielsetzung ist verbunden mit Steuereinnahmeverlusten, mit Steuerdumping. Das ist meine Überzeugung. Dieser Wettbewerb ist die Spirale nach unten und würde früher oder später alle öffentlichen Haushalte treffen, nicht nur unseren Haushalt, sondern alle öffentlichen Haushalte. In Zeiten, wo wir zu Recht in der Europäischen Union parteiübergreifend die Notwendigkeit diskutieren, endlich zu einer Steuerharmonisierung zu kommen, um Steuerdumping und Steuerwettbewerb zukünftig zu verhindern, weil er zulasten aller europäischen Staaten der gesamten Europäischen Union führt,

(Toralf Schnur, FDP: Das passiert doch schon.)

können wir nicht bei uns beginnen, möglicherweise dezentral ein Wettbewerbsteuersystem einzuziehen, was in die Irre führen würde und nicht im Interesse unseres Landes und darüber hinaus auch nicht im Interesse der öffentlichen Haushalte sein kann.

(Beifall Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Sehr einverstanden.)

Ich möchte einen Punkt ansprechen, bei dem wir, da bin ich mir sicher, als demokratische Parteien in unserem Landtag völlige Übereinstimmung haben. Es kann nicht in unserem Interesse sein, dass das Thema Länderfi nanzausgleich, Solidarpakt II thematisiert wird,

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Heike Polzin, SPD)

geschweige denn, dass sich daran irgendetwas ändert. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Eine Veränderung beim Solidarpakt II und beim Länderfi nanzausgleich, vereinbart bis Ende 2019, wäre gravierender Wortbruch und würde zu einem dauerhaften Schaden für das Ansehen von Politik und Demokratie führen. So weit gehe ich. Es ist eine Frage von Glaubwürdigkeit, Solidarpakt II und Länderfi nanzausgleich grundsätzlich nicht zur Disposition zu stellen.

(Beifall Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf den Kollegen Schnur eingehen und sagen, ich bin schon auch ein Stück sauer, das sage ich hier so deutlich – möglicherweise können die Kollegen von der CDU dann ihre eigenen Kollegen benennen, ich tue es mal für uns –, über das Auftreten und die Aussagen der Parteivorsitzenden in Nordrhein-Westfalen, Frau Kraft, in der letzten Talkshow von Frau Christiansen. Ich sage auch deutlich, dass es hier entsprechende Reaktionen gab und noch geben wird. Ich möchte Sie einfach bitten, dass Sie sich in Ihren jeweiligen Parteien mit den Kollegen in Westdeutschland, denn von dort kommt es, auseinandersetzen und deutlich machen, wie wichtig uns der Solidarpakt II ist, wie wichtig uns der Länderfi nanzausgleich ist und dass wir daran nicht rühren wollen. Lassen Sie uns das gemeinsam verteidigen! Das ist für uns ganz, ganz wichtig.

(Beifall Heike Polzin, SPD, Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

Ich möchte zum Schluss meiner Ausführungen noch einmal kurz eingehen auf unseren Änderungsantrag, weil ich glaube, dass es wichtig ist, noch einmal deutlich zu machen, dass es beim Originalantrag der Linkspartei.PDS zwei Punkte gab, die ganz einfach nicht im Aufgaben- und verabredeten Fragenkatalog Föderalismusreform II liegen. Es ist nicht vordergründig, im Rahmen der Föderalismusreform II über die Steuerbasis der öffentlichen Hand zu diskutieren

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist falsch.)

und damit über die Frage der Besteuerung der höheren Einkommen. Sie wissen, wie sehr ich mich immer einsetze auch in der Frage der Einnahmenverbesserung durch Besteuerung höherer Einkommen. Im Rahmen der Föderalismusreform II halte ich diese Diskussion allerdings für deplatziert.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ich sage nur Erbschaftssteuer!)

Ich möchte gleich noch sagen, dass auch wir keinerlei Beratungs- und Prüfungsbedarf haben bezüglich der jetzigen Konnexitätsregelungen, und das Gleiche gilt eindeutig für den Investitionsbegriff. Hier will ich nur noch einmal sagen, in einer Zeit, wo durch den Sachverständigenrat und durch die Gesamtsituation, die wir haben, ausgelöst vor Jahren durch die Debatte des Bundesrechnungshofes, nicht über die Erweiterung des Investitionsbegriffes diskutiert wird – sie steht nicht auf der Tagesordnung, auf der Tagesordnung steht eine Einschränkung des Investitionsbegriffes –,

(Toralf Schnur, FDP: Das ist auch gut so.)

müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen: Wollen wir diese Einschränkung des Investitionsbegriffes? Was bedeutet das für die Artikel 109 und 115 Grundgesetz? Was würde das für uns im Zusammenhang mit Verschuldungsgrenzen praktisch bedeuten? Das ist die Fragestellung. Und hier hätte ich mir gewünscht, dass wir das miteinander diskutieren in einem aktuellen Bezug, aber wir haben ja noch ein paar Monate, ein paar Jahre Zeit für das Thema Investitionsbegriff. Ich bin mir persönlich nicht sicher, ob nicht ein Beibehalten des jetzigen Investitionsbegriffes für uns besser, günstiger wäre – ich spreche von Landesinteresse – als eine Einschränkung. Das will ich ganz offen gestehen. Es ist auch eine nicht ganz so einfache Materie.

Was, und damit bin ich am Ende meiner Rede, nicht überraschen wird, ist, dass es einen Punkt gibt im Antrag der Linkspartei.PDS, wo wir, ich sage jetzt einmal, per Änderungsantrag die Streichung möchten. Das ist ein Punkt,

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Vier Punkte streichen Sie und nicht nur einen. – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

dazu stehe ich auch, das ist ein offenes Geheimnis – drei habe ich schon begründet –, den will ich kurz begründen. Es gibt einen offenen Dissens zwischen zwei demokratischen Parteien, zwischen CDU und SPD, in der Frage der Erweiterung der Steuerautonomie, ja oder nein, das wird der Kollege Löttge hier noch einmal deutlich machen. Insofern war klar, dass wir hier diesen Punkt auch streichen wollen.

(Zurufe von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS, und Toralf Schnur, FDP)

Ich bitte im Namen der Koalitionsfraktionen um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ich habe gar nicht so viele Unterschiede mitbekommen, wie Sie streichen wollen.)

Danke, Herr Borchert.

Es hat jetzt das Wort der Fraktionsvorsitzende der FDP Herr Roolf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, was aus Ihren Anträgen heute hier wird.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und Toralf Schnur, FDP – Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Ja, das haben Sie richtig erkannt!)

Wenn ich mir den Antrag hier anschaue, muss ich sagen, Sie haben sich viel Mühe gegeben, einen sehr umfangreichen Antrag zum Thema Föderalismusreform zu machen. Ob er inhaltlich Substanz hat, ist ein ganz anderes Thema,

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Wie bitte?)

aber Sie haben sich zumindest viel Mühe gegeben.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Sie haben Mitleid mit uns.)