Wenn man sich das Thema Benachteiligtenausgleich mal ansieht für andere Behinderungsgruppen, fi nde ich, das ist eine Geschichte, die man in dem Kontext auch mal anfangen muss zu erörtern. Also wie sieht das beispielsweise bei Menschen aus, die gehörlos sind? Ich glaube, dass deren Nachteile eine ähnliche Größenordnung haben, wie das bei Blinden beziehungsweise hochgradig Sehbehinderten der Fall ist. Also ich fi nde das in Ordnung, dass man sagt, diese Leistungen, die in der Bundesrepublik Deutschland stark divergieren, wollen wir uns ansehen, die wollen wir prüfen und gegebenenfalls daraus auch Konsequenzen ziehen, dass man da zu einer Anpassung kommt. Das ist eine berechtigte Überlegung und deswegen werden wir Ihren Antrag auch ablehnen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag beschäftigt sich wieder einmal mit Dingen, welche in den letzten Wochen und Monaten immer wieder für Diskussionen gesorgt haben.
Klare Aussagen seitens der Regierung vermisse ich aber immer noch. Spätestens nachdem der Sozialminister Sellering sich gegenüber der Presse dazu bekannt hat, dass er bestimmte Leistungen des Landes auf den Prüfstand stellen möchte, herrscht sicherlich große Unsicherheit bei den Betroffenen.
Meine Damen und Herren, die Menschen sind inzwischen daran gewöhnt, dass Prüfung immer im Ergebnis Kürzung und fi nanzielle Schlechterstellung bedeutet. Nichts anderes dürfte auch das Ziel der Prüfung des Sozialministers sein.
Komme ich zuerst zum Landesblindengeld: Das Landesblindengeld als Nachteilsausgleich ist kein Luxus, sondern eine Zahlung, die eine halbwegs gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erlaubt. Es wurde als Ausgleich der blindheitsbedingten Nachteile in einer überwiegend optisch geprägten Umwelt geschaffen. Anders als in den anderen Bundesländern wurde in Mecklenburg-Vorpommern das Landesblindengeld weder abgeschafft noch empfi ndlich reduziert. Ich sage, das ist gut so und soll auch so bleiben. Meine Fraktion wird sich daher jeglichen Bestrebungen verschließen, hier am Landesblindengeld herumfi ngern zu wollen.
Meine Damen und Herren, was das Landespfl egewohngeld betrifft, so hatten wir schon in der letzten Plenarwoche unseren Standpunkt im Rahmen der Diskussion um die Nivellierung des Landespfl egegesetzes mitgeteilt. Ich muss hier also nicht noch einmal grundsätzliche Dinge neu anreißen.
Nur so viel: Auch hier ist mit meiner Fraktion keine Absenkung des Pfl egewohngeldes zu machen. Wir sehen es grundsätzlich nicht ein, dass die fi nanziell schlechtergestellten Bürger in den verschiedenen Bereichen Kürzungen hinnehmen müssen und gleichzeitig den Konzernen millionenschwere Steuergeschenke gemacht werden.
Wenn Minister Sellering lapidar in den Raum stellt, dass unser Bundesland sich nicht mehr leisten kann als andere Bundesländer, dann greift seine Aussage überhaupt nicht. Der Vergleich in Bezug auf das Landesblindengeld in anderen Bundesländern hinkt vor allem deshalb, weil dort in den letzten zehn Jahren drastische und willkürliche Kürzungen vorgenommen wurden, die sich nie am tatsächlichen Bedarf der Blinden orientiert haben. Die gewährten Mittel für Blinde und hochgradig sehbeeinträchtigte Menschen als Ausgleich für den Mehraufwand, bedingt durch die Beeinträchtigung bestimmt, diese Kosten sind eher gestiegen. Eine Kürzung aus vernünftigen Gründen ist daher völlig abwegig und greift überhaupt nicht. Wir stimmen daher dem Antrag der Linkspartei. PDS zu.
Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit einer notwendigen Abgrenzung: Die NPD geriert sich als Schutzpatron für ein Landesblindengeld und den Erhalt des Landespfl egewohngeldes. Um den Eindruck zu verstärken, kupfert sie kurzerhand vom Blinden- und Sehbehindertenverband ab und gibt diesen Text als den
ihren in das Internet. Sie, die Sie sich in die Tradition der NSDAP stellen, stellen sich auch somit billigend zu den Euthanasiegesetzen.
Die menschenverachtende Politik von 1933 bis 1945, von der Sie sich nicht distanzieren, hat bewirkt, dass Erblindete sterilisiert wurden, dass ihnen Familiengründung verwehrt wurde. Ein Hohelied auf das Landesblindengeld aus Ihrem Mund ist in meinen Augen die pure Heuchelei.
Und wenn das, sehr geehrte Damen und Herren, ein unparlamentarisches Wort ist, dann stehe ich hier und kann nicht anders. Der deutsche Sprachschatz gibt kein angemesseneres Wort dafür her.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Koalitionäre wollen die Leistungsgesetze auf den Prüfstand stellen. Das ist hier mehrfach deutlich gesagt worden. Unsere Befürchtungen, die auch Hintergrund dieses Tagesordnungspunktes, dieses Antrages waren, sind heute bestätigt worden, denn wir wollten nicht bis zu den Haushaltsberatungen warten, um zu erkennen, in welche Richtung der Zug fährt.
Herr Kuhn, drei Interviews in kurzer Folge hintereinander haben deutlich gemacht, was der Sozialminister beabsichtigt. Und ich fi nde es in Bezug auf das Landespfl egewohngeld ganz einfach sehr traurig, Herr Sellering, dass Sie an dieser Stelle nicht kämpfen, sondern sich dem Landesrechnungshof und seinen Empfehlungen vorauseilend unterwerfen,
denn der letzte Sozialausschuss hat sich mit dieser Frage bereits beschäftigt und ist zur genau gegensätzlichen Auffassung gekommen.
Die Frage ist, vorhin habe ich sie zugerufen: Wer ist der Souverän? Wer hat darüber zu entscheiden? Das Gesetz haben wir beschlossen. Die Ausgestaltung des Gesetzes obliegt der Exekutive. Wie die Exekutive diese Sache dann händelt, muss aber in einen Kommunikationsprozess mit uns Abgeordneten münden und der scheint mir hier nicht ausreichend gegeben.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist an mehreren Stellen darauf Bezug genommen worden, wir hätten das zweithöchste Landesblindengeld. Herr Heydorn sagte es, da beißt die Maus keinen Faden ab, es ist so, und wenn man die Leistungen zusammennimmt, dann ist es das höchste, was in der Bundesrepublik gewährt wird. Aber die Frage kann doch nicht die einer mathematischen Betrachtung sein,
wie wir faktisch aufs Mittelmaß kommen, wie wir uns an Durchschnitten orientieren, sondern die Frage ist und muss es bleiben, wie sozialer Bedarf die soziale Leistung bestimmt. Herr Heydorn hat gesagt, lassen Sie uns darüber reden. Ich fand den Ansatz eigentlich ganz gut. Er korrespondiert mit dem, was der Ausschussvorsitzende Herr Grabow gesagt hat. Wenn wir dann über solche Sachen reden, werden wir schnell zu der Erkenntnis kommen, dass wir eigentlich gemeinschaftlich handeln und dafür eintreten müssen, dass es ein bundesweites Mehraufwandsausgleichsgesetz geben muss. Wir haben uns in der vergangenen Legislaturperiode als Fraktion ernsthaft damit beschäftigt und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass ein Land allein das nicht schultern kann. Aber als Sozialpolitiker sage ich Ihnen ganz ehrlich, es kann nicht darum gehen, dass wir anfangen, die Leistungen, die wir haben, die notwendig sind, zur Disposition zu stellen, sie auf die Rampe zu schieben und hier im Grunde genommen in die völlig verkehrte Richtung zu gehen.
Erstens. Das Landesblindengeldgesetz basiert nicht auf einer mathematischen Formel, sondern auf einer politisch bewusst getroffenen politischen Entscheidung. Am Anfang stand durchaus eine Abwägung zu Fragen des Bedarfs 1995.
Zweitens. Das Landesblindengeld ist in seiner Höhe seit 1995 unverändert, eingeschlossen die Umstellung von DM auf Euro. Es hat bei einer unterstellten Teuerungsrate, da ist jetzt die Mehrwertsteuer nicht drin, über die vergangenen elf Jahre mit 1,5 Prozent
einen realen Gegenwert von 60 Euro verloren. Das heißt, das Landesblindengeld von 2006/2007 ist bei Weitem nicht mehr das wert, was es 1995 einmal war.
Drittens. Das Landesblindengeld zur Disposition zu stellen und gleichzeitig einen Wettbewerb für Familienfreundlichkeit, über den wir uns noch unterhalten wollen, auszuloben, ist gelinde gesagt unglaubwürdig.
Insofern plädiere ich dafür, dass wir sagen: Nehmt diesen Antrag in den Ausschuss und lasst uns darüber reden!
Eine Überlegung möchte ich auf Herrn Heydorn noch erwidern: Warum haben die anderen weniger? Weil die öffentlichen Kassen leer gemacht wurden, in den Ländern unterschiedlich, aber sie sind leer gemacht worden. Warum sind sie leer gemacht worden? Weil die Renditen der großen Konzerne, Banken und Versicherungen erhalten bleiben sollen.
Dieser Mechanismus ist so alt wie das Moos an den Teichen, sehr geehrte Damen und Herren. Insofern bitte ich um ein klares Zeichen für Teilhabesicherung der Menschen in unserem Land, ein klares Zeichen für Glaubwürdigkeit von Politik. – Schönen Dank.
(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Harry greift selber ein. Das hat er schon lange nicht mehr gemacht. Das ist Chefsache.)