Der Landtag hat zwar unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Wahlperiode vorzeitig zu beenden und sich damit selbst aufzulösen – damit geht die Landesverfassung weiter als beispielsweise das Grundgesetz, das ein Selbstaufl ösungsrecht des Bundestages nicht kennt –, das Gebot eines funktionierenden Regierungssystems wäre aber zu stark gefährdet, wenn der Landtag durch Volksentscheid aufgelöst werden könnte.
Volksentscheide können sich aus gesellschaftlichen Stimmungsschwankungen ergeben, von denen das Bestehen eines souveränen Gesetzgebers nicht abhängig sein darf.
Soweit die von der Linkspartei vorgelegten Vorschläge aber nun tatsächlich die Verfahrensregelungen des Volksabstimmungsgesetzes betreffen, möchte ich nur kurz zu drei Punkten Stellung nehmen.
Erstens. Die Linkspartei will Erleichterungen bei den formalen Anforderungen an die Unterschriftenlisten schaffen. Diese würden zu einer unabsehbaren Mehrbelastung der Verwaltung bei der Prüfung der formellen Zulässigkeit der Volksinitiative führen. Hier wird zwischen geringfügigen Erleichterungen für die Bürger bei der Eintragung einerseits und stark erhöhten Verwaltungskosten andererseits abzuwägen sein. Indiskutabel und auch verfassungsrechtlich fragwürdig erscheint mir, dass nach dem Entwurf nicht einmal mehr die persönliche Unterschrift des Unterstützers zwingend vorhanden sein muss. Die Landesverfassung schreibt, schon um Manipulationen zu vermeiden, unmissverständlich vor, dass 15.000 beziehungsweise 120.000 Wahlberechtigte unterzeichnet haben müssen. Dies wird man auch unter dem Etikett der Verfahrenserleichterung nicht durch ein einfaches Gesetz umgehen können.
Zweitens. Es wird vorgeschlagen, bei einem Volksentscheid über mehrere inhaltlich konkurrierende Gesetzentwürfe jeden Gesetzentwurf einzeln annehmen oder ablehnen zu können. Eine solche Regelung scheint mir sehr problematisch zu sein. In einer solchen Situation einer Entscheidungsalternative hilft es nicht weiter, wenn am Ende möglicherweise beide Gesetzentwürfe bejaht werden. Die Abstimmungsfrage muss dann vielmehr lauten, ob der eine oder der andere oder keiner von beiden Gesetz werden soll.
Drittens. Bisher entscheidet der Landeswahlleiter als unabhängige Stelle über die Zulässigkeit von Volksinitiativen und Volksbegehren. Dafür hat er sechs Wochen beziehungsweise drei Monate Zeit. Nach den Vorstellungen der Linkspartei soll er für seine Prüfung in Zukunft nur noch jeweils sechs Wochen Zeit haben. Mehr als 120.000 Unterschriften für ein Volksbegehren sind in sechs Wochen aber nicht verantwortlich zu prüfen. Wer sagt, egal, jedenfalls wird das Verfahren damit beschleunigt, hat sich leider zu früh gefreut. Der Entwurf sieht nämlich vor, dass der Landtag nach der Prüfung durch den Wahlleiter volle zwei Monate Zeit haben soll, über die Zulässigkeit der Volksinitiative oder des Volksbegehrens zu entscheiden. Insgesamt dauert es also nach heutigem Recht länger als bei Ihrem Gesetzentwurf. Wenn dieser zum Tragen kommt, ist die Zeit, bis es zur Entscheidung kommt, länger. Ein Fortschritt? Und eine Verkürzung? Was soll der Landtag eigentlich in diesen zwei Monaten tun? Noch mal die Stimmen nachzählen?
Und wozu um alles in der Welt soll die Stellungnahme des Landeswahlleiters an den Landtagspräsidenten über die Zulässigkeit einer Volksinitiative gerichtlich angefochten werden können und von wem, wenn doch der Landtag die Zulässigkeitsentscheidung erst noch treffen muss?
Auf einem solchen Niveau sollte sich der Umgang dieses Hohen Hauses mit dem Recht der Volksabstimmungen nach unserer Auffassung nicht bewegen.
Nach so vielen kritischen Anmerkungen möchte ich zum Abschluss meiner Ausführungen betonen, dass ich in einem Punkt durchaus mit der Linkspartei übereinstimme.
(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das ist zu wenig, Herr Minister. – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS)
Das Recht der Volksabstimmung soll in absehbarer Zeit novelliert werden, da die praktische Anwendung dieses für unsere Demokratie wichtigen Gesetzes Schwachstellen im Verfahren aufgezeigt hat. Einen entsprechenden Vorschlag möchte ich noch in dieser Legislatur vorlegen. Dieser wird dann auch diejenigen Punkte aufgreifen, die im heute vorliegenden Entwurf der Linkspartei ihre sachliche Berechtigung haben.
Aus den genannten Gründen hielte ich es aber für eine ausgesprochen schlechte Idee, für diese Änderung des Volksabstimmungsgesetzes einen derart unausgegorenen Gesetzentwurf zugrunde zu legen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Na ja, ich wollte ja fast Beifall klatschen, aber das geht nun nicht mehr. – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS)
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Nieszery. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
(Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)
Ich verfüge ja leider nicht über die historischen Kenntnisse meines Vorredners, weil ich noch nicht solange im Parlament bin. Aber was man durchaus konstatieren kann, wenn man das erste Mal auf diesen Gesetzentwurf schaut, ist, dass es eine Fleißarbeit zu sein scheint, wie der Innenminister jetzt ausgeführt hat. Das ist auch das einzig wirklich Positive, was man diesem Gesetzentwurf abgewinnen kann.
Nein, ich möchte dieses jetzt nicht weiter vertiefen, weil ich glaube, es ist im Prinzip alles gesagt worden, was dazu zu sagen ist. Es werden von den 29 Paragrafen des Gesetzes 18 geändert. Das ist praktisch ein völlig neues Gesetz und Sie begehen den Fehler,
Normalerweise muss das ein Artikelgesetz sein, weil viele dieser Geschichten auch die Verfassung berühren.
Meine Damen und Herren, wenn auf der einen Seite mit dem Absenken der Quoren die Schwelle geringer wird, Volksabstimmungen und dergleichen, Volksentscheide zu erreichen, abgesenkt wird, auf der anderen Seite dann aber die Kompetenzen erhöht werden, halte ich das nicht unbedingt für eine Stärkung der repräsentativen Demokratie. Das entspricht nicht meinem Empfi nden und meinem Selbstverständnis als Abgeordneter, weil ich glaube, dass wir sehr wohl im Verlauf unserer Legislatur hier das Volk vertreten. Und in Ihrer Begründung wird suggeriert, wenn dieses Gesetz nun nicht stattfi nden sollte, in dieser Form, wie Sie es vorschlagen, dann sei das Volk für die Dauer der Legislatur von der Macht „suspendiert“. Das ist ein Zitat aus der Begründung. Das teile ich ausdrücklich nicht.
Und, meine Damen und Herren von der PDS, Sie müssen sich entscheiden, was Sie wirklich wollen. Wollen Sie eine starke, repräsentative Demokratie oder wollen Sie etwas mehr direkte Entscheidung,
(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Da kenne ich viele, die das wollen. – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)
die dann letztendlich aber aus meiner Sicht eher zur Unsicherheit beiträgt, die wir in Zeiten einer – wie soll ich sagen – nicht unbedingt schwachen Bedrohung von rechts aus sehen?
Wollen wir das wirklich in dieser Form haben? Ich kann Ihnen nur sagen, wir als SPD möchten es nicht. Wir stehen zu einer repräsentativen, starken Demokratie und werden daher einer Überweisung Ihres Gesetzentwurfes nicht zustimmen. – Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das schließen aber Volksentscheid und Bürgerbegehren nicht aus, im Gegenteil.)
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Leonhard. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Werte Kollegen der Linkspartei.PDS! Es wird niemanden verwundern, wenn wir als Liberale das Thema dieses Gesetzentwurfes mit großer Sympathie begleiten.
Ich denke, es ist auch völlig unstrittig, dass wir Liberale eher Befürworter starker und umfassender plebiszitärer Elemente innerhalb der parlamentarischen Demokratie sind. Deshalb sind wir eine der treibenden Kräfte im Bundestag gewesen, die die Einführung bundesgesetzlicher Regelungen im Bereich der Volksdemokratie gefordert haben. Außerdem war es die FDP, die eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung gefordert hat, leider erfolglos.
(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Wir auch. – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ja, wir auch. – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Wir auch. Wissen Sie das nicht?)
Wir sind fest davon überzeugt, dass plebiszitäre Elemente zum Abbau der aufkommenden Politikverdrossenheit beitragen können.
Wir haben auch keine Angst vor dem Bürger, denn wir sind alle, so, wie wir hier sitzen in diesem Hohen Hause, Vertreter des Volkes. Insofern können und wollen wir uns nicht gegen die Notwendigkeit von direkten Entscheidungen durch die Bürger stemmen. Für die Liberalen sind überwindbare Hürden, angemessene Quoren, unbürokratische Abläufe und sachgerechte Auswirkungen, also Entscheidungen, die wirkliche Entscheidungen sind und eine Beteiligung nicht nur vorgaukeln, sehr wichtig.
Die Linkspartei.PDS, die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine stärkere Berücksichtigung der Interessen der Bürgerinnen und Bürger fordert, kann noch heute an diesem Tage ihren hehren Worten Taten folgen lassen.