Protokoll der Sitzung vom 13.06.2007

Allerdings habe ich – oh, frohes Lachen – heute etwas ganz Wichtiges gelernt. Und zwar habe ich heute von Herrn Schulte gelernt, dass wir bei Gesetzen, die wichtig sind und wo wir keine Unsicherheiten bei den Betroffenen aufkommen lassen wollen, ab sofort keine Fristen mehr einbauen wollen und die Gesetze dann laufen lassen wollen.

(Harry Glawe, CDU: Sie haben das doch jahrelang so gemacht. Das haben Sie wohl vergessen?!)

Also werden wir uns dafür einsetzen,

(Harry Glawe, CDU: Sie sind sehr vergesslich.)

und das ist für den Sozialausschuss schon eine nächste Sache, die von uns eingebracht werden wird, dass das Pfl egewohngeld, dass das Pfl egegesetz, das Landespfl egegesetz nicht befristet wird. Denn um Erlasse zu ändern, brauche ich kein Gesetz zu befristen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke sehr, Frau Abgeordnete Müller.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS auf Drucksache 5/594 zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung durch die Fraktionen der Linkspartei.PDS und FDP sowie Gegenstimmen der Fraktionen der SPD, CDU und NPD abgelehnt.

Gemäß Paragraf 48 der Geschäftsordnung wird der Gesetzentwurf spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung wieder auf die Tagesordnung gesetzt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion der Linkspartei.PDS – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung von Initiativen aus dem Volk, Volksbegehren und Volksentscheid in Mecklenburg-Vorpommern (Volksabstimmungsgesetz), Drucksache 5/595.

Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung von Initiativen aus dem Volk, Volksbegehren und Volksentscheid in Mecklenburg-Vorpommern (Volksabstimmungsgesetz – VaG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 5/595 –

Das Wort zur Einbringung hat die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion der Linkspartei.PDS. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, der Ruf nach einem aktiven Bürgerstaat wird immer lauter. Aber, und das will ich auch gleich sagen, dieser Ruf bedeutet nicht nur den Blick in Richtung ehrenamtliches Engagement in Verbänden und Vereinen beziehungsweise in den Kirchen. Nein, eine pluralistische Bürgergesellschaft schreit förmlich nach einer erweiterten Teilhabe der Einwohnerinnen und Einwohner. Ja, eine Zivilgesellschaft ist nur dann offen, innovativ und kreativ gestaltet, wenn die Machtverteilung und die staatliche Verantwortung neu organisiert sowie das Verhältnis von Einwohnerinnen und Einwohnern auf allen Ebenen neu gestaltet werden. Dabei, und das wissen wir alle, sind das Herzstück dieser modernisierten Demokratie die Verfahren der direkten Demokratie, die durch ihr Mehr an Legitimation und Partizipation einen Ausweg aus der Politikverdrossenheit und der Parteienkrise aufzeigen können. Nein, meine Damen und Herren, diese Feststellung ist nicht von mir beziehungsweise von meiner Par

tei. Dieses Resümee wurde anlässlich einer Fachtagung zum Thema „Direkte Demokratie“ der Bundeszentrale für politische Bildung gezogen. Dass es diesbezüglich insbesondere auf Bundesebene einen dringenden Handlungsbedarf gibt, ist wohl unbestritten. Dies direkt zu verändern steht uns leider nicht zu. Aber warum in die Ferne schweifen? Auch in unserem Land gibt es diesbezüglich noch Handlungsbedarf, der nicht nur einmal in diesem Hohen Hause zum Ausdruck gebracht wurde.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir alle nun die Möglichkeit, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Und, um es gleich vorwegzunehmen: Ja, wir haben acht Jahre die Regierungsverantwortung mitgetragen, ja, wir haben den Handlungsbedarf auch in dieser Zeit artikuliert, haben unsere Forderungen auch im Zusammenhang mit der vorgenommen Verfassungsänderung, die fast zum Ende der 4. Wahlperiode auf den Weg gebracht wurde, zum Ausdruck gebracht. Leider fehlte uns gemeinsam die Zeit, weitere konkrete Fragen tiefgründiger zu diskutieren. Das ist auch ein Grund dafür, unseren Antrag recht frühzeitig einzubringen.

Und nun zum konkreten Inhalt unseres Antrages: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen von Initiativen, Begehren und Entscheiden aus dem Volk ergeben sich aus den Artikeln 59 und 60 der Landesverfassung. Das Nähere ist durch das Volksabstimmungsgesetz Ende 1994 geregelt worden. So weit, so gut.

Nun zur Bilanz: In den letzten 17 Jahren wurden dem Landtag zehn Volksinitiativen zugeleitet. Wer eine solche Volksinitiative bereits initiiert hat, der weiß, wie viel Arbeit und Engagement dahinter steckt, bis man den Landtag erreicht. Für die Initiatoren ist jede dem Landtag übermittelte Vorlage zumindest ein Teilerfolg, musste doch der Landtag sich zwingend mit den aufgeworfenen Problemen beschäftigen. Für den Landtag kann diese bescheidene Anzahl von Volksinitiativen aber wahrlich kein Grund zum Jubeln sein. Sicherlich könnte man sagen, es gab wohl vielleicht – auch aufgrund der guten Arbeit der entsprechenden Regierung – zu wenig Handlungsbedarf. Vor dieser Einschätzung, meine Damen und Herren, kann ich uns nur warnen.

Aber sehen wir weiter: Nicht ein einziges Volksbegehren wurde erfolgreich durchgeführt, Volksabstimmungen über Gesetzentwürfe fanden bislang schon gar nicht statt. Meine Damen und Herren, mit dieser Bilanz sollten wir nicht zufrieden sein. Im Gegenteil, wir sollten uns alle fragen, worin die Ursachen bestehen. Was können und müssen wir tun, um Volkssouveränität einerseits und repräsentative Demokratie anderseits stärker miteinander zu verknüpfen? Gelingen kann uns diese Verknüpfung aber nur, wenn wir Plebiszite nicht in Konkurrenz oder Widerspruch zur parlamentarischen Gesetzgebung sehen. Nein, wir sind aufgefordert, sie als ein sinnvolles Korrektiv für das Parlament, als eine Bestätigung beziehungsweise wertvolle Ergänzung unserer eigenen Arbeit zu sehen.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Entwurf konzentriert sich auf die Änderung verfahrensrechtlicher Vorschriften. Uns ist bewusst, dass dies nur ein erster Schritt sein kann. Wir kommen langfristig auch nicht an einer Änderung der Verfassung vorbei. Die Quoren müssen herabgesetzt werden, nicht zuletzt im Hinblick auf die weitere demografi sche Entwicklung unseres Landes. Darüber hinaus möchten wir, dass das Volk die Möglichkeit bekommt, per Volksentscheid den Landtag aufzulösen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wollen Sie das wirklich?)

Einige von Ihnen können sich sicherlich noch an die Debatte zur Änderung der Verfassung – hier: Verlängerung der Wahlperiode – erinnern. Mit dieser Möglichkeit bieten wir sozusagen ein Äquivalent zur Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre. Dazu ist ein verfassungsänderndes Gesetz erforderlich. Sie können davon ausgehen, dass wir zur Vervollständigung ein solches demnächst in den Landtag einbringen werden.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns die Ursachen der Inanspruchnahme ansehen, dann werden wir gemeinsam feststellen, dass die bisherige Rechtslage es den Bürgerinnen und Bürgern unnötig schwer macht, diese erfolgreich durchzuführen. Das wollen wir ändern. Da ist beispielsweise die Verfahrenserleichterung bei der Unterschriftensammlung zu nennen. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf ist nunmehr klargestellt, dass freie Unterschriftensammlungen und die Sammlung durch Amtseintragung gemeinsam möglich sind und dass vor allem bereits während der Volksinitiative gesammelte Unterschriften angerechnet werden können. Es werden auch die Rechte der Vertreter von Initiativen und Begehren erweitert. Die Anzahl der Vertreter wird von vier auf fünf erhöht. Sie können ferner ihr Anliegen in den Ausschüssen und im Plenum erörtern. Insbesondere Letzteres ist besonders interessant. Oder würden Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, es etwa nicht begrüßen, wenn die Vertreter der Volksinitiative „Für die Freiheit der Forschung und Lehre an der Universität Rostock – Gegen die Schließung des Studienganges Rechtswissenschaften“ ihr Anliegen an dieser Stelle vortragen könnten?

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Nee, das ist heute schon nicht mehr so. Das war mal.)

Ich bin mir sicher, dass es für die Initiatoren interessant wäre zu beobachten, wie sich die einzelnen Fraktionen im Plenum zu ihrem Vortrag positionieren, insbesondere, ob die eine oder andere Fraktion ihre Meinung plötzlich ändert.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Und, meine Damen und Herren, ob wir nun die Auffassung der Initiatoren teilen oder nicht, wir würden durch die Möglichkeit des Vorbringens im Plenum in einem besonderen Maße zeigen, dass wir sie ernst nehmen und ihnen weitestgehende Chancengleichheit in der Öffentlichkeitsarbeit einräumen. Letztlich kann auch eine faire und ausgewogene Kostenregelung für die Volksbegehren ein wirksamer Beitrag sein, das Volksbegehren nicht bereits im Vorfeld aus Kostengründen zum Scheitern zu verurteilen.

Meine Damen und Herren, zusammenfassend ist festzustellen, dass mit unseren Vorschlägen substanzielle und förmliche Hindernisse in den Verfahrensregelungen des Volksabstimmungsgesetzes beseitigt werden wollen. Wir brauchen mehr direkte Demokratie, wir brauchen mehr Bürgerbeteiligung, wir müssen die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der Politik stärken. Sie haben es in der Hand. Stimmen Sie der Überweisung in den Europa- und Rechtsausschuss zu und sorgen Sie dafür, dass am Ende des Gesetzgebungsverfahrens den Worten auch Taten folgen! – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Abgeordnete.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat ums Wort gebeten der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Caffi er. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Hier haben die sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei sehr tief in ihren Altarchivbeständen gekramt und einen doch schon recht angestaubten Gesetzentwurf herausgezogen.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Direkte Demokratie ist doch nicht angestaubt.)

Die heute vorgelegten Änderungsvorschläge gehen zum Teil bis auf den ersten Entwurf eines Volksabstimmungsgesetzes, damals noch der Linken Liste/PDS – bei Ihnen muss man ja immer aufpassen, Sie sind immer noch die gleichen und demnächst gibt es einen neuen Namen –

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Bei Ihnen ist es umgekehrt.)

wir reden also über die gleiche Gruppierung, von 1993 zurück,

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Bei der nächsten Landtagssitzung bringen wir schon wieder einen neuen Antrag ein.)

der seinerzeit aus guten Gründen von Ihnen selbst zurückgezogen worden war. Nun verhält es sich mit Gesetzentwürfen leider nicht wie mit gutem Wein: Auch durch längeres Lagern gewinnt er selten an Qualität. Aber Spaß beiseite!

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ja, das ist gut.)

Dieser Gesetzentwurf ist unausgereift. Von handwerklichen Schnitzern wie der Änderung von Vorschriften, die seit 1994 bereits nicht mehr im Gesetz stehen,

(Beifall Jörg Vierkant, CDU – Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

will ich hier gar nicht groß reden, aber auch die gewünschte Einfügung von Regelungen, die bereits seit Jahren im Gesetz stehen, ist eher, zumindest für unser Haus, kurios. Zu grobem Unfug wird der Gesetzentwurf dort, wo er sich einerseits ausdrücklich auf die Verfahrensregelungen des Volksabstimmungsgesetzes beschränken will, andererseits aber dann die Aufl ösung des Landtages durch Volksentscheid einführen und das in der Verfassung auf 120.000 Unterschriften festgelegte Quorum für Volksbegehren auf 70.000 Unterschriften herabsetzen will.

(Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Bei Letzterem könnte es sich allerdings auch um einen Schreibfehler handeln, denn in der Begründung fi ndet sich zu dieser deutlichen Herabsetzung kein Wort. Aber auch ohne Begründung, solche Änderungen wären Verfassungsänderungen

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Hab ich drauf hingewiesen.)

und sollten auch als solche gekennzeichnet und entsprechend sorgfältig erwogen werden. Die vorgeschlagene Aufl ösung des Landtages durch Volksentscheid geht nicht nur über die in der Landesverfassung geregelten Gegenstände eines Volksentscheides hinaus. Eine Aufl ösung des Landtages durch Volksentscheid widerspricht darüber hinaus dem Grundsatz der parlamentarischen Demokratie, der aus guten Gründen in der Landesverfassung ebenso wie im Grundgesetz und in den übrigen Verfassungen der deutschen Bundesländer verankert ist.

Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, vor allem in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, sollte Wert darauf gelegt werden, dass die politische Stabilität des parlamentarischen Regierungssystems stets abgesichert ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)