Entschuldigen Sie bitte, aber ich war so ins Gespräch vertieft bei dieser anregenden Diskussion – und das meine ich jetzt vielleicht ein bisschen sarkastisch –, weil ich schon glaube, dass wir uns zwar insgesamt dem Thema „Chancengleichheit im Europäischen Jahr“ gestellt haben, aber ob wir es auch ernsthaft diskutiert und angenommen haben als Thema hier in Mecklenburg-Vorpommern, das wage ich zu bezweifeln.
Bei der Einbringung des Antrages haben wir bereits darauf verweisen können, dass die Landesregierung der 4. Wahlperiode und hier federführend das Sozialministerium eine gute Vorbereitung geleistet haben. Damit wurden maßgeblich die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ gut und angesehen dasteht. Ich erinnere nur an die Gleichstellungskonzeption, das Landesintegrationskonzept für Migrantinnen und Migranten, aber auch an die Regelung im KiföG und das Kinder- und Jugendprogramm sowie das Programm „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ beziehungsweise an die arbeitsmarktpolitische Förderung durch die EU und das Land im Rahmen des ASP.
Es ist festzustellen, dass weitere Initiativen nicht erarbeitet wurden. Das beweist nun der vorliegende Bericht der Landesregierung, den wir sicherlich – und da bin ich mir sicher – ohne unseren Antrag nicht erhalten hätten. Schlimmer noch, dieser Arbeitsschwerpunkt wäre an uns sozusagen sang- und klanglos vorbeigezogen. Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass Sie, meine Damen und Herren, den Bericht aufmerksam gelesen und festgestellt haben, dass dieses Thema alle Fachausschüsse berührt. Deshalb unterstütze ich ausdrücklich die Aufforderung, dass sich alle Fachausschüsse in Selbstbefassung des Themas annehmen, denn auch in unserem Bundesland gibt es Nachholbedarf, wenn ich an das barrierefreie Bauen denke, das wir wegen des heftigen Widerstandes des damaligen Wirtschaftsministers nur geringfügig verbessern konnten und damit hinter den Regelungen von den Bauministern der Länder zurückbleiben.
Leider ist es uns nicht gelungen, klar zu analysieren, welche Personengruppen in unserem Land von Diskriminierung stark betroffen sind. Dass es Personengruppen gibt, wird wohl hoffentlich niemand in diesem Hohen Hause bestreiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dem Bericht entnehme ich, dass als Hauptanliegen dieses Themenjahres vor allem die Bewusstseinsstärkung umgesetzt werden soll. Bewusstsein hat etwas mit Bewusstwerden zu tun. Und da frage ich mich, wie den Menschen in unserem Land etwas bewusst werden soll, wenn niemand weiß,
dass es das Jahr für Chancengleichheit überhaupt in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Auf den Internetseiten der Landesregierung fi ndet man dazu nichts, weder beim Ministerpräsidenten noch dem zuständigen Minister und auch nicht bei der Gleichstellungsbeauftragten. Bei aller Wertschätzung für Sie drei, Ihnen allen war dieses Themenjahr bis heute nicht mal eine Presseinformation wert, geschweige denn eine besondere Darstellung und Erwähnung auf Ihrer Homepage.
Und damit die Kolleginnen und Kollegen von der CDU nicht übermütig werden, beziehe ich mich abermals auf den Bericht und stelle fest, dass keine zusätzlichen Mittel von EU- und Bundesseite zur Umsetzung des Themenjahres nach Mecklenburg-Vorpommern fl ießen und sich fast alle Bundesaktivitäten Ende Mai noch im Vorbereitungsstadium befanden. Dies ist insofern wieder für unser Bundesland schlecht, da wir keine eigenen Initiativen und Aktivitäten planen und uns auf den Bund verlassen. Hier bestätigt sich die Vermutung, die meine Kollegin Müller schon im Januar zur Einbringung dieses Antrages bewogen hat, dass für die Entwicklung des Problembewusstseins in unserem Bundesland nicht viel herüberkommt.
Nun kann man sicherlich sagen, in diesem Jahr gab es gerade in Mecklenburg-Vorpommern so viele Höhepunkte, darauf wollten wir uns nicht einlassen. Im Gegenteil, es wäre zu prüfen gewesen, wie wir dieses Thema mit einbinden. Nun ist das Jahr noch nicht vorbei, wir haben noch etwas Zeit und deshalb meine Bitte an die Regierung, ähnlich, wie zum Beginn des Jahres 2007 im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft ein Europäischer Tag an den Schulen, in den Vereinen und Verbänden organisiert wurde, auch zu diesem Thema eventuell einen ähnlichen Tag zu organisieren, wo wir uns als Abgeordnete bewusst mit einbringen können und sollten. Thematisieren wir gemeinsam die vorhandenen Diskriminierungen in der Gesellschaft, in unserem Land, reden wir mit den Bürgerinnen und Bürgern. Ich möchte nicht, dass wir in diesem Bereich von einem Spitzenplatz im Bundesbereich abfallen. Ich sehe zwar in dem Minister Sellering und der Staatssekretärin Seemann aufrechte Streiter, aber den Start in diesem Themenjahr haben sie eindeutig verschlafen beziehungsweise verpasst. Ich fordere Sie …
… auf, im Sinne des Themenjahres aktiver zu werden und den Menschen im Land zu erklären, dass es dieses Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle gibt und was sich dahinter verbirgt. – Danke schön.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Leonhard. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Uns liegt hier eine Beschlussempfehlung zu einem Antrag mit einem für meine Begriffe sehr hochtrabenden Namen vor: „Europäisches Jahr der Chancengleichheit für alle“. Ja, können wir da nur als Fraktion der FDP sagen, wir wollen aber als Liberale daran erinnern, dass wir als Parlamentarier des Landtages für Chancengleichheit, gleiche Rechte, gleiche Pfl ichten aller Bürgerinnen und Bürger sowie gegen jegliche Diskriminierung sind. Und das ist wohl unstrittig,
Ob die Bevölkerung von diesem Jahr der Chancengleichheit allerdings viel mitbekommt, daran habe ich meine Zweifel. Wussten Sie eigentlich, dass 2007 das Jahr des Delfi ns ist. Als Bestandteil der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ hat es die UN ausgerufen für den Schutz der marinen Artenvielfalt. Vielen Dingen und Problemen sind Tage gewidmet, zum Beispiel dem Wald mit dem Tag des Waldes. Warum erwähne ich das hier? Weil es deutlich macht, dass Thementage oder Themenjahre vor allem eines brauchen, Werbung und Informationen, damit sie ihre Funktionen erfüllen können. Sie sollen auf ein Problem aufmerksam machen, wollen für ein Ziel werben. Insofern kann der Antrag in seiner vorliegenden Beschlussempfehlung sicherlich dazu beitragen, für das Anliegen der Chancengleichheit zu werben. Allein durch die heutige Debatte wird es deutlich und unterstützt dieses Ziel. Die Landesregierung ist nun aufgefordert, den Landtag umfassend über alle Aktivitäten zu informieren. Das ist gut so, denn eine solche Informationspfl icht erhöht den Druck hin zur Durchführung entsprechender Projekte, zur Förderung der Ziele, zur Förderung der Bekämpfung jeglicher Diskriminierungen von Teilen der Bevölkerung.
Aber wir dürfen auch nicht so tun, als hätten wir Parlamentarier unseren Teil damit getan, als hätten wir alle Probleme gelöst und könnten die Hände jetzt in den Schoß legen. Nicht die Landesregierung oder die EU müssen Chancengleichheit schaffen, jeder einzelne muss seinen Beitrag dafür leisten, gegen die täglichen kleinen Diskriminierungen vorzugehen.
Chancengleichheit lässt sich aus Sicht der Liberalen nämlich nicht von oben herab verordnen. Zumindest, und das spricht für Deutschland, kann man davon ausgehen, dass es hier keine gesetzliche Diskriminierung gibt. Wir als Parlamentarier sind daher aufgefordert, jeden Tag gegen die kleinen Diskriminierungen im Alltag zu kämpfen. Damit erreichen wir wahrscheinlich am meisten. Gleichwohl werden wir als Fraktion der vorliegenden Beschlussempfehlung zustimmen, wie wir es auch bereits in den Ausschüssen getan haben. – Vielen Dank.
(Beifall Werner Kuhn, CDU, Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, Hans Kreher, FDP, und Sigrun Reese, FDP)
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Borrmann. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Erneut steht der Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS auf der Tagesordnung und er hat nichts von seiner Substanzlosigkeit eingebüßt, weder seine Kostenfreiheit noch seine Alternativlosigkeit, noch seine Unverbindlichkeit.
Erstens ist durch Beschluss von Parlament und Rat Europas das Jahr 2007 zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle erklärt worden. Was bewirkt diese Erklärung? Haben Milliardäre und Arbeitslose, sozial ent
wurzelte Wanderarbeiter und gestresste Manager, belogene Wähler und betrügende Politbonzen jetzt alle die gleichen Chancen? Lose gibt es nur bei Lotto.
Zweitens bewirkt diese Erklärung der Brüsslokratie, dass die etablierten Herrschaften allerorten mit den Hufen scharren und ihren europäischen Hochadligen in nichts nachstehen wollen. Wie einst die Landesherren in den deutschen Kleinstaaten dem großen Vorbild Versailles alles nachäfften, suggerieren sich jetzt unsere Landespolitiker darin, nicht nur das zum Echo zu posaunen, was selbstverständlich sein müsste, sie üben sich zugleich in höchster Servilität. Die europäische Initiative wird begrüßt und gewürdigt, alles andere wäre ja auch eine Verletzung der Würde der noch abgehobeneren Götter in Straßburg und Brüssel. Die bisherigen Bemühungen um die tatsächlich durch die Landesregierung erreichten Verbesserungen werden anerkannt, heißt es weiter. Besser hätte auch kein Ständeparlament im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation seinem Landesherrn huldigen können. Ob aber die Leistungen der seit einem halben Jahr amtierenden Landesregierung in mehr als nur einer Nullität bestehen, darüber schweigen sich die edlen Antragsteller aus.
Drittens. Die große Französische Revolution hatte die Gleichheit aller Bürger Frankreichs gefordert. Im Verlauf ihrer Umsetzung spaltete sich die Bewegung in Verfechter einer bloß rechtlichen Gleichheit vor dem Gesetz und andererseits in Anhänger einer materiell ökonomischen Gleichheit.
Viertens. In diesem vorliegenden Antrag geht es bloß noch um Gleichheit der Chancen für alle, wie sie der Philosoph John Rawls konstruiert. Seine wesentlichste Grundannahme besteht darin, dass alle Personen nur eine allgemeine Kenntnis um die Gesellschaft haben, aber nicht wissen, welche soziale Stellung sie selbst einnehmen, weshalb sie sich gegenseitig nicht benachteiligen würden.
Fünftens. Im genauen Gegensatz dazu gehen die marxistischen Gerechtigkeitsauffassungen von empirisch konstatierbaren Verhältnissen aus, welche Menschen aufeinander eingehen müssen. In einer kapitalistischen Ordnung würde dies immer in Interessenkämpfe der Klassen münden. Eine Gerechtigkeit durch Chancengleichheit für alle bleibt nach Karl Marx philanthropisches Geschwätz von hohlen Kapitalistenschädeln.
Sechstens. Die Linkspartei.PDS will jedoch heutzutage Verantwortung für ein unverantwortliches System übernehmen, die kommunistische Plattform voran. Sahra Wagenknecht wird sich freuen, dass wenigstens die NPDFraktion diesen Antrag ob seiner Falschheit ablehnt.
(Beifall Tino Müller, NPD, und Udo Pastörs, NPD – Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Das wird sie keineswegs.)
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Dr. Seemann. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel der Ausrufung eines Jahres der Chancengleichheit war es, alle Bürgerinnen und Bürger für den Wert einer gerechten, durch Zusammenhalt geprägten Gesellschaft zu sensibilisieren. So
gilt es zum Beispiel, ältere Menschen mit ihrer Lebenserfahrung oder Migranten und Migrantinnen mit der Vielfalt ihrer Kulturen viel stärker zu respektieren und durch Anerkennung von Verschiedenartigkeit in tägliches und politisches Handeln einzubeziehen. Das Jahr der Chancengleichheit bietet auch die Chance, die Gleichstellung der Geschlechter neu in den Blick zu nehmen. Ich stimme dem Sozialminister zu, der es betont hat, dass es wichtig ist, immer wieder auf Diskriminierungsaspekte aufmerksam zu machen. Deshalb ist so ein Jahr mit dieser Zielstellung gut und wichtig.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es darf nicht nur bei einem einmaligen Aktionismus in diesem Jahr bleiben. Liebe Frau Kollegin Borchardt, ich bin der festen Überzeugung, dass das ein kontinuierlicher Prozess ist.
Ich stimme Ihnen zu, ich habe auf meiner Homepage nicht besonders unter dem Stichwort „Jahr der Chancengleichheit“ auf diese Zielrichtung hingewiesen. Dennoch liegen mehrere Presseerklärungen vor, in denen immer wieder an konkreten Sachthemen auf das Jahr der Chancengleichheit hingewiesen worden ist. Wenn Sie sich erkundigt hätten, die Gleichstellungs- und Frauenministerinnenkonferenz hat vor Kurzem getagt und auch dort hat das Jahr der Chancengleichheit eine große Rolle gespielt. Ich bin der Auffassung, dass es ein langer Prozess ist, weil er vor allen Dingen in die Köpfe der Menschen gelangen muss. Deshalb helfen auch nur langfristig angelegte Strategien und Programme und nicht einmalige Aktionen, wie mir das jetzt so ein bisschen vorkam, wie Sie, Frau Kollegin Borchardt, das hier gefordert haben.
Im Übrigen konnten sich ja wohl auch die Mitglieder des Europa- und Rechtsausschusses mit ihrem Vorsitzenden Detlef Müller auf ihrer Reise nach Brüssel davon überzeugen. Und, liebe Kollegin, Herr Müller hat ja vorhin schon darauf hingewiesen: Sie können sich sicher sein, ich habe mit ihm diese Reise ganz intensiv ausgewertet. Ich denke, die Kollegen und Kolleginnen, die teilgenommen haben, wissen auch, wovon ich hier spreche.
Mit verschiedenen Veranstaltungen soll die Botschaft des Jahres der Chancengleichheit möglichst viele Menschen erreichen. Daneben werden langfristige Programme für eine dauerhafte Umsetzung sorgen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Drucksache des Sozialausschusses 5/45 gibt ausreichend Auskunft darüber, welche Aktivitäten die Landesregierung insgesamt unterstützt. Deshalb sollen an dieser Stelle auch nur einige Beispiele von mir genannt werden. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass es für mich völlig müßig und – ich denke, auch für die Bevölkerung – völlig unwichtig ist, ob wir uns hier wortgewaltig darüber unterhalten, wer wann welche Aktivitäten im Sozialbereich oder im Frauen- und Gleichstellungsbereich gestartet hat. Für meinen Bereich, also den Bereich der Frauen und Gleichstellung, kann ich deutlich sagen, dass wir gerade in den vergangenen zwei Legislaturperioden mit unserem Koalitionspartner wichtige Maßnahmen gestartet haben, die wir jetzt natürlich fortsetzen. Hier werde ich mich massiv dafür einsetzen, dass wir die Programme und Maßnahmen, die wir dort aufgelegt haben, auch in Zukunft weiter umsetzen können.