Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hier ist eben ab und zu ein Wort gefallen, und zwar „zeitgemäß“. Bei Nennung dieses Wortes vermisste ich eigentlich immer eine spezielle Ausprägung, die dieser Antrag beinhaltet und auf den ich dadurch, dass hier schon genügend Ausführungen, gerade von Herrn Brodkorb als Einbringer, aber auch von Herrn Vierkant zur Begründung des Antrages gemacht wurden, eingehen werde.
Zu diesem Punkt, der Erhöhung des Anteils der männlichen Erzieher in den Kindertageseinrichtungen, möchte ich mich eines Zitates bedienen, da diese heute sehr beliebt sind. Niedersachsens damaliger Schulminister Busemann (CDU) stellte im Herbst 2003 für den in seiner Zuständigkeit befi ndlichen Schulbereich fest: „,Jungen haben es viel schwerer als Mädchen, weil sich der Schulbetrieb feminisiert hat.‘“
„,70 bis 80 Prozent der Lehrer sind Frauen, in Grundschulen liegt der Anteil noch höher. Jungen haben keine Chancen, sich an männlichen Rollenvorbildern zu orientieren.‘. Seine Forderung daher: ,Wir müssen dringend mehr Männer in den Schuldienst bringen, am besten wäre eine Männerquote‘“.
Hintergrund waren hier natürlich die allgemeinen schlechteren Schulleistungen von Jungen. Der Beweis, dass Jungen bei männlichen Lehrkräften bessere Leistungen erzielen würden, konnte aber noch nicht wirklich erbracht werden. Gleichwohl haben Entwicklungs- und Tiefenpsychologen vielfach die Bedeutung des Vaters und anderer männlicher Bezugspersonen für die Identitätsentwicklung von Jungen hervorgehoben.
(allgemeine Unruhe – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Es wird ja ziemlich viel gequatscht im Hintergrund.)
Für Mädchen wurde dieses anscheinend nicht untersucht, aber ich persönlich würde sogar so weit gehen, dass Männer auch für die Entwicklung von Mädchen durchaus wichtig sein können. Unsere Kinder erleben im Alltag gerade in den frühen Jahren überwiegend weibliche Bezugs- und Erziehungspersonen. Daran möchten wir langfristig auch etwas ändern, denn Jungen und Mädchen brauchen für ihre Persönlichkeitsentwicklung und die Herausbildung ihres sozialen Geschlechts die Anwesenheit von Frauen und Männern.
Ich bitte Sie, sich auf die Rednerin zu konzentrieren, um dann diese Debatte weiterführen zu können.
Neben der Erhöhung des Männeranteils in den Erziehungsberufen ist es aber vor allem notwendig, die Bildungs- und Erziehungsarbeit umfassend geschlech
tersensibel zu gestalten. Das wird ebenfalls durch die Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung zu leisten sein.
Im Rahmen der Geschlechterforschung gab es bereits Anfang der 80er Jahre die Erkenntnis, dass Jungen im Unterricht sowohl mehr positive, aber auch negative Aufmerksamkeit erhalten. Letztere erzwingen sie sich durch Ruhestörungen und aggressives Benehmen. Die aktuelle 15. Shell-Jugendstudie von 2006 hat nachgewiesen, dass vor allem das Rabaukentum der Jungen weiter zugenommen hat und sie sich immer mehr überfordert fühlen. „Die Jungen signalisieren durch Unruhe, Aktivismus und Aggressivität innere Spannungen“, heißt es hier.
Was sich aber vor allem geändert hat, ist, dass die Mädchen das nicht mehr hinnehmen. Sie lassen sich nicht länger in die Unsichtbarkeit drängen wie noch in den 80er Jahren und haben enorm aufgeholt. Ich erinnere daran, dass sie bei allen Schulabschlüssen vorn liegen. Sie bleiben seltener sitzen und haben bessere Noten. Das ist eine Tatsache.
2006 gingen 47 Prozent der Mädchen aufs Gymnasium, aber nur 40 Prozent der Jungen. Frauen und junge Mädchen sind heute selbstbewusst und leistungsorientiert. Sie wollen sich erfolgreich im Beruf und Familienleben engagieren. Auch das hat die Studie klar bestätigt. Hier sind vor allem die Jungen und Männer gefordert, die immer noch mehrheitlich die berufl iche Karriere als Lebensentwurf verfolgen. Familie gehört für sie zwar auch zum Glücklichsein, aber sie betrachten sie als Beiwerk und vor allem als Aufgabe von Frauen. Die tradierten Rollen verstärken sich sogar wieder. Von Jungen ist zum Beispiel wieder stärker zu hören, sie lassen sich nicht für die Familie zuständig machen. Für sie ist Freiheit der größte Wert. Die „Familiensehnsucht“ der jungen Männer orientiert sich vorrangig am „Hotel Mama“, das sie zunehmend auch länger in Anspruch nehmen als die jungen Frauen.
Dazu passt auch die zentrale Aussage der Shell-Studie, dass männliche Jugendliche von heute auf die Erfolge von Mädchen wie Paschas alter Schule reagieren. Das heißt, die Entwicklung, die wir seit Jahren in den Kindereinrichtungen, Schulen und Jugendeinrichtungen beobachten, wird sich weiter vollziehen, wenn wir nicht Jungen dabei unterstützen, ihre typisch männlichen Rollenmuster zu verändern.
(Irene Müller, DIE LINKE: Da gibt es zum Beispiel Hartz IV, da dürfen die Jugendlichen gar nicht ausziehen.)
Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Wollen wir uns der gesellschaftlichen Herausforderung wirklich stellen und die Gleichstellung der Geschlechter in der Lebensrealität von Männern und Frauen verwirklichen in einer Gesellschaft, in der die Ausübung des Faustrechts nur noch die geistige Unterlegenheit des Ausübenden dokumentiert und die ehemals notwendige Körperkraft durch den technischen Fortschritt überholt wurde, wird es für Jungen erforderlich, Kompetenzen zu entwickeln beziehungsweise weiterzuentwickeln, die heute bis jetzt noch als typisch weibliche Werte gelten, wie Mitfühlen, Behüten, Sorgen, Rücksichtnahme oder Helfen. Sie müs
sen auch für Männer selbstverständlich sein dürfen und über sie müssen sie ihr Selbstbewusstsein, ihr Selbstwertgefühl und ihr Mannsein ebenso defi nieren können. Immer noch leben wir in einer Zeit, in der Männer, die diese Seite ihrer Persönlichkeit entwickelt haben, mehr oder weniger diskriminiert und als unmännlich abgestempelt werden. Daran beteiligt sind übrigens Männer und Frauen.
Um diesen Zustand grundlegend zu ändern, ist es vor allem wichtig, dass Jungen schon von Anfang an männliche Bezugspersonen in der Familie, aber auch in Krippen, Kitas und Schulen erleben. Das allein reicht natürlich nicht aus. Erziehung funktioniert wesentlich durch Vorbilder. Das trifft übrigens umgekehrt auch auf die Vorbildwirkung von Frauen in Führungspositionen für Mädchen zu, die es genauso zu verbessern gilt. Deshalb setzt sich die Einsicht zunehmend durch, dass auch die Veränderung am Verhältnis der Geschlechter untereinander Engagement von Frauen und Männern erfordert. Schon vor der Jahrtausendwende schlug das Netzwerk für Kinderbetreuung der Europäischen Kommission, die hier offensichtlich bereits ein Defi zit erkannt hatte, vor, dass bis zum Jahr 2006 20 Prozent der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen Männer sein sollten. Davon sind wir aber insgesamt noch fürchterlich weit entfernt. Bundesweit sind nicht einmal 1 Prozent Männer im Krippenbereich tätig. Einen relativ großen Anteil weist noch der Hort mit 7,53 Prozent aus. Insgesamt liegt der Anteil nur um 3 Prozent mit Einführung des Gender Mainstreamings. Das Wort werden Sie von mir noch öfter hören, auch wenn es nicht so beliebt ist.
Als verbindliches politisches Ziel steht der Dialog, das Miteinander der Geschlechter im Vordergrund. Gesellschaftliche und individuelle Rechte, Pfl ichten und Chancen sollen vom Geschlecht unabhängig sein. Es ist also nur folgerichtig, dass auch die Geschlechtstypisierung von Berufen – und hier sind der soziale und bildungsrelevante Bereich genauso wichtig wie umgekehrt der technische und naturwissenschaftliche Bereich – endlich gebrochen wird.
Um jedoch mehr Männer für die Berufsrichtung des Erziehers, also gerade zu einer Frauenhochburg zu gewinnen, sind sehr dicke Bretter zu bohren. Erste Erfahrungen zeigen, dass mit dem Einzug von Männern in diese Branche eine große Gefahr darin besteht, dass sofort die tradierte Rollenverteilung erfolgt. Dem Mann werden dann die typisch männlichen Aufgaben übertragen und die Frauen ziehen sich auf ihre traditionellen Gebiete zurück. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er auch die Leitungsposition besetzt. Hier ist unbedingt Gender-Arbeit in beide Richtungen zu leisten.
Jetzt haben es Männer nicht leicht, in dieser Frauendomäne zu bestehen. Auch das muss ihnen bewusst gemacht werden. Zum einen sind die Ansprüche der weiblichen Kolleginnen – es gibt hier schon sehr viel Datenmaterial –, er muss alles können wie sie, darüber hinaus aber auch noch den Macho verkörpern, zu dem sie im Zweifelsfall aufsehen können. Männern geht es also im frauentypischen Beruf genauso wie einer Frau in einem männertypischen Beruf. Er muss nicht gleich gut sein, sondern noch wesentlich mehr zu bieten haben.
Wollen wir mehr Männer in Erziehungsberufe bringen, müssen wir diese auch attraktiver für Männer machen, das heißt, Männer müssen gezielt und anders angesprochen werden als Frauen. Da ist es zum Beispiel nicht gerade hilfreich, wenn auf der Homepage der Arge – und Kollege Vierkant hat das vorhin auch schon indirekt angesprochen – über den Beruf der Erzieherinnen und des Erziehers Folgendes zu lesen steht: „Erzieher/-innen sind in der vorschulischen Erziehung, in der Heimerziehung, hier gibt es übrigens bereits neun Prozent Männer, sowie in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit tätig. In Kindergärten betreuen sie die Kinder in Gruppen, fördern das soziale Verhalten und helfen dem einzelnen Kind bei seiner Entwicklung. Sie regen die Kinder zu körperlich, geistig und musisch ausgerichteten Betätigungen an. Da malen, spielen, basteln und singen sie mit den Kindern, erzählen ihnen Geschichten und machen Ausfl üge.“ Dieses ist, wie Sie alle wissen, weder mit der Realität der erziehenden Berufe noch mit dem gesetzlichen Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen im Einklang.
Sicher spielt auch die Bezahlung eine nicht unwesentliche Rolle. Dazu möchte ich aber sagen: Erhöhen wir die Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern, kommen wahrscheinlich automatisch Männer ganz von selbst. Dazu gibt es ausreichende Beispiele in der Vergangenheit, aber das ist nicht das, worum es mir geht. Ich möchte, dass der Beruf der Erzieherin und des Erziehers gesellschaftlich aufgewertet wird, unabhängig davon, ob Männer und wie viele Männer hier tätig sind. Das haben in erster Linie die zahlreichen Frauen in diesem Beruf verdient, die ihn schon lange und mit viel Engagement und Erfolg ausüben.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch den Antrag stellen, aus dem Änderungsantrag der FDP den letzten Punkt, unter 4. angeführt, als letzten Spiegelstrich in den Antrag der Koalitionsfraktionen mit aufzunehmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen, dass mit dem vorliegenden Antrag die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung, ihre Qualifi kation, ihre Ausbildung in den Mittelpunkt einer Debatte gerückt werden. Viel mehr gibt dieser Antrag dann auch nicht her. Es wird zwar eine Reform der Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher gefordert, klare Wege werden aber in diesem Antrag nicht benannt. Das ist eigentlich insofern schade, da in anderen Bundesländern die Reform der Erzieherausbildung viele konkrete Formen angenommen hat und wir hier sehr schnell im Bundesvergleich das Schlusslicht bilden könnten.
Meine Damen und Herren, es ist unbestreitbar, dass im Vorschulbereich die wichtigsten Grundlagen geschaffen werden. Es reicht aber nicht aus, nur eine Reform der
Ausbildung ins Auge zu fassen. Was mich allerdings bei Ihrem Antrag etwas verwundert, ist die Tatsache, dass gerade eine neue Ausbildungsverordnung in Kraft getreten ist. Seit dem Schuljahr 2006/2007 ist die Ausbildung an allgemeingängige KMK-Eckwerte angepasst worden. Die ersten Absolventen der neuen Verordnung werden also 2009 ausgebildet sein. Genau dann aber sollen nach Ihrer Vorstellung wieder neue Ausbildungsverordnungen greifen. Sie wollen dann über eine Verwissenschaftlichung des Ausbildungsganges nachdenken. Dabei wissen wir doch heute schon, dass das inhaltliche Niveau der sozialpädagogischen Fachschulausbildung und insbesondere das Erlernen von vordefi niertem Wissen mangelhaft sind, da eine forschungs- und wissenschaftstheoretische Orien tierung oftmals überhaupt nicht vorhanden ist. Aber genau da greift der vorgelegte Antrag viel zu lange.
Die immer wieder geforderte Akademisierung der Ausbildung ignoriert die Tatsache, dass Erzieher und Erzieherinnen heute längst nicht mehr nur primär in der vorschulischen Bildung eingesetzt werden. Kinder- und Jugendarbeit, erzieherische Hilfe oder sogar die soziale Arbeit mit erwachsenen Menschen sind heute schon Tätigkeitsfelder für Erzieherinnen und Erzieher. In Mecklenburg-Vorpommern arbeiten beispielsweise im stationären oder teilstationären Bereich circa 700 Erzieher, 41 Diplompädagogen und 108 Sozialpädagogen. Ich nenne diese Zahlen, weil hier die teilweise Überschneidung der entscheidenden Berufsgruppen deutlich wird. Dieses zeigt dann auch auf, dass die Berufsprofi le sich oftmals in der Praxis nur wenig unterscheiden. Wenn dann noch eine generelle Anhebung der sozialpädagogischen Fachschulausbildung auf ein Hochschulniveau erfolgen soll, ist der Wegfall von Ausbildungsplätzen für Jugendliche ohne Hochschulreife der eine Punkt. Zum anderen – und dieses wird oft nicht richtig durchdacht – würde die heute oft unübersichtliche Berufslandschaft der sozialen Arbeit mit den unklaren Abgrenzungen zwischen den verschiedenen Berufsgruppen weiter ausgedehnt werden.
Die neu geschaffenen Hochschulstudiengänge für Erzieher werden aber kaum Unterschiede zu den heute vergebenen sozialpädagogischen und erziehungswissenschaftlichen Hochschulabschlüssen vorweisen.
Meine Damen und Herren, daher stehen wir der Anhebung der Erzieherausbildung auf ein Hochschulniveau äußerst kritisch gegenüber. Es ist für uns nicht überzeugend begründbar, warum eine ehemals fachschulische Breitbandausbildung gänzlich in eine akademisch versehene Hochschulqualifi kation überführt werden soll. Neben der Verbesserung der Vermittlung von wissenschaftlich untermauertem theoretischen Lernstoff ist es doch die Verbesserung der Attraktivität des Berufsbildes, die notwendig ist. Die geringe Attraktivität des Berufs für Männer dürfte vielleicht gerade an der schlechten Bezahlung in diesem Beruf liegen. Mit der Anhebung des Berufs auf Hochschulniveau wäre dieses sicherlich ein Thema.
Abschließend noch einmal zurück zum Antrag. Sie zeigen einen großen Strauß an Handlungsempfehlungen auf, ohne sich festzulegen. Die Experten beraten, beraten und beraten. Da die Landesregierung sich momentan mit diesem Thema beschäftigt, wäre es aus unserer Sicht
Aufgabe des Landtages gewesen, der Landesregierung klare und unmissverständliche Eckpunkte vorzugeben, wohin die Reise gehen soll. Der Antrag verlangt lediglich etwas, was schon gemacht wird. Wir lehnen daher diesen Antrag ab und werden in Zukunft genau schauen, in welche Richtung sich die Erzieherausbildung bewegt. – Danke.