Protokoll der Sitzung vom 12.07.2007

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Bachelor ist doch nicht mehr als Fachhochschule.)

„Beim Studiengang ,Pädagogik der frühen Kindheit‘ an der Evangelischen Fachhochschule Freiburg etwa wird viel Wert auf den internationalen Vergleich gelegt. Die StudentInnen müssen ein Semester und zehn Wochen Praktikum im Ausland verbringen. Der berufsbegleitende Fernstudiengang der FH Koblenz konzentriert sich dagegen auf Kita-Management. Mit dem Programm ,PiK – Profi s in Kitas‘ fördert die Robert-Bosch-Stiftung seit Ende 2005 Studiengänge für Frühpädagogen an fünf Hochschulen.“ Beispielsweise gibt es an einer Berliner Fachhochschule den Bachelorstudiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“. „In sieben Semestern werden die Studierenden für die Arbeit mit Kindern von 0 bis 10 ausgebildet. Zum Vergleich: an der ,Breitbandausbildung‘ an den Fachschulen hat man sechs Semester für alle Altersgruppen, mit denen Erzieher arbeiten – von 0 bis 27“, wenn man so will.

Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass wir in unserem Bundesland nicht hinterherhinken. Beispielsweise können Interessierte in Neubrandenburg den Bachelorstudiengang „Early Education“ belegen.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das beruhigt mich aber, denn das ist wirklich sozusagen in der Vorgängerzeit entstanden.)

Dort werden die Studierenden für die Arbeit mit Kindern in Kindertageseinrichtungen und deren Eltern qualifi ziert.

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Das Ziel des Studiengangs besteht in der Herausbildung einer umfassenden berufl ichen Handlungskompetenz, um selbstständig und zielgerichtet Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsaufgaben für null- bis zwölfjährige Kinder übernehmen zu können. Besonders die Befähigung zur Bildungsarbeit, um Kinder gezielt zu fördern und damit Chancengerechtigkeit zu sichern, bedarf der interdisziplinären wissenschaftlichen Qualifi kation von Elementar- und Vorschulpädagogen. Umfangreiche Praktika in Kindertageseinrichtungen und in der Grundschule sind in das Studium integriert.

Aber reicht das aus, meine Damen und Herren? Ich denke, nein. Ich sehe mich darin bestätigt, wenn ich mit Eltern spreche, die mehr und mehr das Gefühl haben, dass ihre Kinder in den Einrichtungen etwas verpassen, einfach zu kurz kommen. Und die Statistiken scheinen die Gefühle und die Erfahrungen dieser Eltern nur noch zu bestätigen. Jeder zehnte deutsche Schüler verlässt die Schule ohne Abschluss. Jeder sechste Erwachsene hat keine Berufsausbildung. Entwicklungsforscher gehen davon aus, dass vor allem die ersten Lebensjahre darüber entscheiden, wie erfolgreich ein Mensch später in Schule und Beruf ist. Sie entscheiden mithin auch darüber, wie viel der Staat später in Umschulung, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe investieren muss.

(Regine Lück, DIE LINKE: So ist es.)

Womit wir wieder beim Thema Qualität sind. Während in anderen Ländern ein Studium für Vorschulpädagogen Pfl icht ist, reicht in Deutschland eine zweijährige Ausbildung an einer Fachschule, um staatlich geprüfte Erzieherin zu werden. Und während in Frankreich die Kindergärten Vorschulen heißen, deren Erzieher ausgebildete Grundschullehrer sind, herrscht in Deutschland immer noch der Aberglaube vor, Kinder müssten spielen, malen und ein bisschen singen dürfen, um glückliche Menschen zu werden.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Aber nicht in Mecklenburg-Vorpommern. – Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Nicht in Mecklenburg-Vorpommern.)

Meine Damen und Herren, unsere Wirtschaft bekommt die Folgen dieser Fehleinschätzung heute schon zu spüren, weil die Bildungsdefi zite der Schulabgänger immer größer werden. Vor allem in Mathematik, Naturwissenschaften und bei der Sprache geht ganzen Branchen der Nachwuchs aus. So fürchtet laut einer Studie des Verbands der Elektrotechnik von 2006 ein Drittel aller betroffenen Unternehmen, künftig ihren Bedarf an Elektroingenieuren nicht mehr decken zu können. Ich habe vor Kurzem gerade Gespräche geführt. Die Werften unseres Landes suchen jetzt schon qualifi zierte Ingenieure und Studenten entsprechender Studienrichtungen für die nahe Zukunft. Immer mehr Firmen versuchen daher, die Lücken, die der Staat in der frühkindlichen Bildung hinterlässt, mit eigenen Projekten zu füllen. Also, meine Damen und Herren, lassen Sie uns bitte diese Lücken schnellstens schließen! Stimmen Sie für den Antrag der Koalitionsfraktionen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Heiterkeit bei Andreas Bluhm, DIE LINKE: Für alles das, Herr Vierkant, braucht man doch den Antrag nicht.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vierkant.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Vizepräsident Herr Kreher von der Fraktion der FDP.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Jetzt kommt noch ein Lehrer.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal eine ganz wichtige Frage an die beiden Koalitionsparteien: Warum stellen Sie mit diesem Antrag einen Misstrauensantrag gegen Ihren eigenen Minister?

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP und Dr. Marianne Linke, DIE LINKE – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das ist eine gute Frage.)

Denn nichts anderes ist dieser Antrag. Sie haben selbst einen Auftrag in Ihrer Koalitionsvereinbarung getroffen,

(Heike Polzin, SPD: Richtig. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

einen klaren Auftrag an das Ministerium, und jetzt kommt dieser Antrag.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Jörg Vierkant, CDU: Das meinen Sie doch wohl nicht ernst. – Reinhard Dankert, SPD: Ja, wir wollen mit Ihnen darüber reden. – Heiterkeit bei Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Vollkommen verwirrend ist aus meiner Sicht gewesen, was Sie dann noch gesagt haben, Herr Brodkorb. Wenn Sie dann auch noch sagen, jawohl, wir haben die Expertenkommission und die arbeitet ja auch, dann müssen wir warten, bis diese ihre Aussagen macht. Was soll dieser unausgegorene Auftrag an die Regierung, der wirklich vor allem von Ihrer Fraktion nichts anderes ist als das Misstrauen gegenüber dem Minister aus der anderen Partei?!

(Beifall Gino Leonhard, FDP – Jörg Vierkant, CDU: Das ist unglaublich, Herr Kreher, unglaublich! – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das ist das, was für mich dabei herüberkommt, denn der Minister hat hier klar und deutlich gezeigt, er hat es nicht nötig. Jetzt muss ich Ihren eigenen Minister verteidigen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP und Dr. Marianne Linke, DIE LINKE)

Was er hier gesagt hat, dem kann ich voll zustimmen, auch im Namen meiner Fraktion.

(Unruhe und Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Heike Polzin, SPD: Wir auch! – Volker Schlotmann, SPD: Sehen Sie! Mehr wollten wir gar nicht.)

Das ist ja wunderbar.

Denn er hat auch gesagt, dass wir uns in der Notwendigkeit der Reformen einig sind.

(Zurufe von Volker Schlotmann, SPD, und Harry Glawe, CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, sagen wir auch hier noch einmal, wir fordern, dass wenigstens die Leiter oder Leiterinnen von Kindertagesstätten einen Bachelorabschluss haben sollten. Die Aufgaben für Erzieherinnen und Erzieher werden immer komplexer und anspruchsvoller.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Es wäre ganz gut, wenn Sie mir zuhören, was ich hier zu sagen habe. Ganz so schlimm ist es nicht, dass Sie nicht zuhören können.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Dieses gilt insbesondere für die Betreuung in der vorschulischen Bildung. Wer die Vorbereitung der Kinder auf Schule und Beruf in höchster Qualität sichern will, muss die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung entsprechend anpassen und auch akademisches Niveau haben.

(Zuruf von Erwin Sellering, SPD)

In diesem Ziel sind wir uns doch einig.

Diese Entscheidung beeinfl usst maßgeblich die Entwicklung und sichert die Chancengleichheit aller Kinder. Die FDP-Fraktion hat deshalb einen Änderungsantrag zu

dem gleichlautenden Koalitionsantrag eingebracht, der helfen soll, die Qualität der Betreuung in Kindertagesstätten auf höchstem Niveau zu sichern. Das ist, auch wenn die Expertenkommission arbeitet, gesichertes Wissen, das wir hier einbringen können, denn die europäische Langzeitstudie „Effektive Provision of Pre-School Education“ – EPPE kurz gesagt – zeigt, dass sich die Erzieherausbildung signifi kant in der Qualität der Bildungs- und Betreuungsleistung der Kindertagesstätten widerspiegelt.

Die Qualifi kation der Leitungskräfte ist hierbei, das hat sich gezeigt, besonders entscheidend. Die EPPE-Studie zeigt deutlich, dass die Lernfortschritte der Kita-Kinder in einem engen Zusammenhang mit der Qualifi kation der Leiterinnen oder des Leiters stehen. Der Ausbildungsgrad der Leitungskräfte, so die Schlussfolgerungen der EPPE, wirkt sich positiv auf die Fähigkeit der Kinder aus, kognitive und soziale Fertigkeiten zu entwickeln, und wird von den untersuchten Variablen den größten Einfl uss auf die Qualität der Tageseinrichtungen haben.

Ich zitiere: „Eine vollständige Verlagerung der Erzieherausbildung von den Fachschulen an die Fachhochschulen oder Universitäten ist – obwohl aus pädagogischer Sicht wünschenswert – in den nächsten Jahren nicht zu realisieren.“ Da sind wir nach wie vor Realisten. „Weder der hierfür notwendige Ausbau der Hochschulkapazitäten noch die zu erwartende Ausgabensteigerung bei der laufenden Finanzierung – für den Fall, dass nur noch Hochschulabsolventen eingestellt würden – könnten durch das Land geschultert werden. Dazu kommt, dass bei einer vollständigen Umstellung mit gravierenden Personalengpässen gerechnet werden müsste. Dies wäre nicht vertretbar. Die Ergebnisse der EPPE-Studie verdeutlichen aber, dass es keiner vollständigen Umstellung der Erzieher-Ausbildung bedarf, um eine Verbesserung der Bildung und Betreuung an den Kitas erreichen zu können.“

(Heike Polzin, SPD: Sehr richtig.)

„Schon anhand einer adäquaten Aus- und Weiterbildung der Leitungskräfte können erstaunliche Fortschritte erzielt werden.“

(Heike Polzin, SPD: Sehr richtig.)

Angesichts der gravierenden Aufgaben, die vor uns stehen, sage ich jetzt hier noch einmal, meine Damen und Herren, es geht um ein einheitliches Vorgehen. Es geht uns darum, dass wir unsere Möglichkeiten nutzen. Deshalb haben wir unseren Änderungsantrag und beantragen, dass dies im Ausschuss bearbeitet wird, auch der Antrag der LINKEN, damit wir gemeinsam mit dem Ministerium zu Ergebnissen kommen. Dabei können wir die Expertenkommission durchaus mit einbeziehen. Ich glaube, dieser Antrag von Ihnen heute ist ein Schnellschuss, der nicht weiterhilft. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Reinhard Dankert, SPD: Wieso haben Sie denn einen Änderungsantrag gestellt?)

Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, Herr Kreher, haben Sie beantragt, die Anträge, auch die Änderungsanträge in den zuständigen Ausschuss zu überweisen?

(Hans Kreher, FDP: Ja.)

Vielen Dank.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD.