Protokoll der Sitzung vom 24.08.2007

Und, meine Damen und Herren, ich möchte hier aus Erfahrung eines seit 1990 ehrenamtlich Tätigen in den Kommunen, im Kreis und in meiner Gemeinde sagen, was es seit 1990 bedeutet hat, dass dieses Ehrenamt sich nach und nach entwickeln konnte. Meine Damen und Herren, ich weiß, wie ich 1990 als Bürgermeister angefangen habe, wie man bei mir zunächst ankam, wenn die Heizung in der Wohnung nicht funktionierte, weil vorher alles zu DDR-Zeiten staatlich geregelt war. Das hat erst nach und nach wieder angefangen zu wachsen, diese Selbstverantwortung und Selbstorganisation der Gemeinden.

(Irene Müller, DIE LINKE: Und dann kam die Privatisierung.)

Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht ist in der Vergangenheit viel zu sehr immer wieder bei dem Wort „Selbstverwaltung“ das Wort „Verwaltung“ betont worden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Meine Damen und Herren, es geht bei dem Wort „Selbst“ um Selbstverantwortung und Selbstorganisation vor Ort.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Das ist ein Kapital, das wir dort entwickeln können. Das ist so wichtig, dass wir das auch bei der weiteren Diskussion viel stärker berücksichtigen müssen.

Ich möchte nur betonen, wie sich das auch in meinem Umfeld gezeigt hat. Es gab Kommunen, die aufgrund ihrer Vergangenheit viel besser gleich nach der Wende mit der Selbstverwaltung klarkamen wie meine Nachbargemeinde Hohen Viecheln, die eine alte dörfl iche Struktur mit Handwerkern und so weiter hatten. Da klappte das von Anfang an. Wir hatten dort kaum Wegzug. Im Gegenteil, obwohl die Kommune nicht direkt an der Stadt liegt, gab es Zuwachs der Bevölkerung. In Groß Stieten – das war ein Ort, der in der DDR-Zeit ein volkseigenes Gut war – war alles zentral geregelt. Dort waren nach der Wende noch ungefähr 1.300 Einwohner, jetzt sind es 700, örtlich ähnlich gelegen, zwischen zwei Großstädten, aber nicht unmittelbar im Einzugsbereich. Da ist mir deutlich geworden, was wirklich funktionierende Selbstverwaltung bedeutet. Jetzt hat die Bürgermeisterin schrittweise das dort auch aufgebaut. Jetzt läuft es dort wieder besser.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Jetzt kommen wieder Einwohner wegen der Selbstverwaltung.)

Ja, ich denke schon. Es ist einfach dieser Zusammenhang zwischen Selbstverwaltung, Selbstorganisation und dem Bezug zu seiner eigenen Heimat besser zu sehen. Wir dürfen das nicht außer Acht lassen.

Bei den Kreisen ist mir aufgefallen, dass natürlich nach der Kreisgebietsreform diese Selbstorganisation, Selbstverwaltung noch nicht so klappte. Erst schrittweise sind wir dabei, das in den Kreisen aufzubauen. Wir haben dann bei uns in Nordwestmecklenburg zum Beispiel eine Kulturstiftung geschaffen, eine Gruppe, die sich für die Kultur im Kreis, Sportverbände und Feuerwehr einsetzt. Alles das passiert erst nach und nach, es ist aber noch nicht soweit, dass wirklich eine Selbstverwaltungseinheit entstanden ist, wo der Bürgermeister von Neukloster ganz klar sieht, dass auch die Entwicklung von Schönberg für ihn wichtig ist. Das haben wir noch nicht erreicht. Und solche Dinge, meine Damen und Herren, müssen berücksichtigt werden.

Denken Sie bitte auch daran, dass zum Beispiel ein Kreis wie Vechta in Niedersachsen, der nicht bessere Bedingungen hat als wir hier in Mecklenburg-Vorpommern, mit einer ganz geringen Arbeitslosigkeit dasteht, weil dort die Selbstverwaltung – und das ist in diesem Kreis bewiesen – wachsen konnte. Deshalb müssen wir dieses Gut der Selbstverwaltung, der Selbstorganisation und der Selbstverantwortung mehr in den Mittelpunkt stellen.

Und ich möchte abschließend noch sagen, neben den Selbstverwaltungseinheiten der Kommunen haben wir auch wichtige Selbstverwaltungseinheiten in den Wasser- und Bodenverbänden. Nur das ist keinem mehr klar, weil sie halb verstaatlicht sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Das Geld für diese Wasser- und Bodenverbände wird durch die Gemeinden eingezogen. Deshalb ist die Beziehung des Bürgers zu diesem wichtigen Naturschutzbund,

ich will es mal so bezeichnen, zur Gestaltung unserer Natur, der Abwässer – das ist etwas ganz Wichtiges für jeden Hauseigentümer –

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Die beschäftigen sich nicht mit Abwässern. – Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

verloren gegangen. Das wissen wir gar nicht mehr. Und genauso ist es bei den Wirtschaftskammern,

(Minister Dr. Till Backhaus: Wo sind wir bloß hingeraten, euer neuer Partner?)

auch dort sind es eigentlich Verwaltungseinheiten, die aufgrund von Selbstorganisation und Selbstverantwortung funktionieren. Da müssen wir auch die Wirtschaft viel stärker in diese Selbstverantwortung und Selbstorganisation hineinbringen, dann hätten wir hier in Westmecklenburg das Beispiel, dass diese IHK von der Wirtschaft als Selbstorganisation anerkannt wird. Bedenken wir das bitte auch mit, sehen wir das nicht nur so eng! Das ist eine ganz wichtige Sache, dass wir jetzt wirklich offen in Zukunft an die Sache herangehen.

Meine Damen und Herren, wir von den Liberalen wollen heute ganz bewusst nicht einfach nur polemisch gegen all das schimpfen, was in der Vergangenheit geschehen ist. Wir wollen mit Ihnen gemeinsam für die Zukunft das machen, was auch der Ministerpräsident gesagt hat. Wir haben nie bestritten, dass Reformbedarf besteht. Aber die alte Reform war nicht mutig, wenn es Mut war, dann hat er sich gegen das Ehrenamt gerichtet. – Danke schön, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kreher.

Das Wort hat jetzt der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Herr Seidel.

(Zuruf aus dem Plenum: Als Abgeordneter!)

Oh, er spricht als Abgeordneter, Entschuldigung.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, mit dem Urteil des Verfassungsgerichtes vom 26. Juli gibt es nun doch – das muss man klar sagen – eine Zäsur in der fast fünfjährigen Debatte über die Verwaltungsreform in unserem Lande. Außerdem besteht auch Rechtsklarheit über die am 05.04. in diesem Hause im Rahmen des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes beschlossene Kreisstrukturreform.

Ich will aber noch einmal ganz klar, auch in Anbetracht der Diskussion, die hier jetzt geführt wurde, laut und deutlich feststellen, die CDU hat an der Notwendigkeit einer Kreisstruktur im Land Mecklenburg-Vorpommern keinen Zweifel. Den hatte sie auch nicht im Vorfeld des Gesetzbeschlusses, das will ich noch einmal ganz klipp und klar sagen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist das.)

Alles andere, was da erzählt wurde – das musste ich leider Gottes auch oft erleben –, war schlichtweg falsch.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das haben wir auch immer verdeutlicht. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Vorschläge haben Sie nicht gemacht. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ja, das ist eben die Sache mit den Vorschlägen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ihre Vorschläge sind verworfen.)

Das will ich Ihnen gleich mal sagen. Ich bin so oft bedrängt worden, nun doch endlich mal eine Zahl zu nennen, übrigens auch von Mitgliedern der damaligen Koalition. Und genau dies war falsch, das habe ich auch immer gesagt. Es ist falsch, wenn man sagt, man will eine Reform mit den Betroffenen, eine exakte Lösung schon von vornherein vorzugeben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP – Michael Roolf, FDP: Richtig. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Nicht vorlegen, sondern vorschlagen. – Minister Dr. Till Backhaus: Da muss man auch mal wissen, was man will.)

Nein, nein, nein. Ich bin dankbar dafür, auch in meiner Person, muss ich sagen, dem widerstanden zu haben.

Also ich will es noch einmal klar sagen, deswegen bedeutet jetzt der Schlussstrich unter das Gesetz nicht den Schlusspunkt der Debatte, im Gegenteil, es ist das nun vorliegende Urteil der Beginn einer neuen Debatte, die wie gesagt auch eingesetzt hat. Dabei ist es aus meiner Sicht hilfreich, dass das Landesverfassungsgericht in seiner Begründung Handlungshinweise gegeben hat, aber nicht Ergebnishinweise. Und das, fi nde ich, ist auch eine durchaus kluge Entscheidung, die die Verwaltungsrichter dort getroffen haben. Es gilt nun, diese Hinweise durch uns alle ernst zu nehmen, zu analysieren und bei der Entwicklung der nunmehr notwendigen neuen Kreisstrukturreform zu beachten. Genau dies haben auch CDU und SPD übrigens im Koalitionsvertrag vereinbart. Es wäre aber auch verfehlt, klar zu sagen, dass wir zum damaligen Zeitpunkt in der Beurteilung der nunmehr gescheiterten Reform total auseinander lagen. Wir haben diese inhaltliche Differenz, wie ich fi nde, sehr konstruktiv behandelt und vereinbart, die avisierte Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes zu beachten sowie entsprechend umzusetzen, und diese Vereinbarung gilt für CDU und SPD gleichermaßen.

Im Übrigen will ich auch noch einmal klar sagen, an den Aussagen des Koalitionsvertrages wird überhaupt nicht gerüttelt. Wir haben uns im Gegenteil bereits ausdrücklich gemeinsam dazu bekannt, dass es erstens Aufgabe der Landesregierung ist, einen neuen Vorschlag vorzulegen, dass es zweitens darauf ankommt, bei diesem Vorschlag natürlich die Vorgaben des Landesverfassungsgerichtes entsprechend zu berücksichtigen, zu analysieren, auszuwerten und dann umzusetzen, und es drittens darauf ankommt, einen breiten, gesellschaftlichen und politischen Konsens über eine Kreisstrukturreform herbeizuführen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genau.)

Und viertens wollen wir die neue Kreisstrukturreform noch in dieser laufenden Legislaturperiode verabschieden. Ich weiß, mit dieser Aufgabe stehen wir in großer Verantwortung und auf uns alle kommt viel Arbeit zu. Ich weiß aber auch, es gibt keine Alternative zu einem solchen Vorgehen, denn es geht um zwei Meilensteine unseres Gemeinwesens, es geht um eine bürgernahe und effi ziente Verwaltungsstruktur und es muss gelin

gen – natürlich, das ist ganz klar –, unser Land, seine Verwaltung und seine Kreisstruktur in die zukünftig veränderten fi nanziellen Rahmenbedingungen im Länderfi nanzausgleich sozusagen hineinzuführen.

Ich unterstreiche noch einmal, dass in dieser Einschätzung die Koalitionspartner eng beieinander stehen. Es ist vor diesem Hintergrund, wenn man es mal politakrobatisch sieht, zu verstehen, dass man dieses Urteil nutzt, um Aufmerksamkeit zu erringen. Andererseits will ich aber auch klar sagen, wenn damit die Hoffnung verbunden war, Sand in die Koalition zu streuen, dann, meine Damen und Herren von der Opposition, wird das nicht gelingen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist aber schade. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Wir werden als Koalition in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden gemeinsam sach- und fachgerecht einen neuen Entwurf erarbeiten und vorlegen.

(Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)

Und, meine Damen und Herren von der – nein, PDS kann ich nicht mehr sagen –, von der LINKEN,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr gut.)

ich will Ihnen schon deutlich sagen, ich hätte wirklich nicht gedacht, dass Sie mit Antragsteller werden.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das hätte ich auch nicht gedacht. – Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist sehr mutig. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Genauso ist das.)

Das hätte ich wirklich nicht gedacht, aber man lernt im Leben immer wieder dazu. Denn Sie waren es, die zwar Ihren Namen getauscht haben von PDS zu DIE LINKE, Sie haben auch die Bank von der Regierung zur Opposition gewechselt, aber Sie können nicht davon ablenken, dass Sie nicht nur eben mal mit dabei waren, als diese Reform beschlossen wurde, sondern sie überhaupt erst ermöglicht haben.

(Regine Lück, DIE LINKE: Sagt ja auch keiner. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie wissen ganz genau, worum wir uns bemüht haben.)