Protokoll der Sitzung vom 19.09.2007

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Schildt. Entschuldigung, Frau Schildt, Herr Grabow ist jetzt dran. Herr Grabow, bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete!

Liebe Kollegen der LINKEN, es ist uns klar, dass die Lösung der Altschuldenproblematik nicht originär Landesaufgabe ist. Aus diesem Grund können wir lediglich die Landesregierung auffordern, sich beim Bundesfi nanzministerium, der BVVG und der Bankaktiengesellschaft für eine zügige Abwicklung der noch offenen Altschuldenablösung einzusetzen. Wir als FDP sind auch an einer zügigen Abarbeitung der noch anstehen

den Fälle inte ressiert. 17 Jahre nach der Wende mutet es sehr merkwürdig an, dass immer noch nicht alle Fälle abschließend geklärt worden sind.

Wir stimmen Ihnen bei den Aussagen zur Verringerung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe infolge der noch ungelösten Altschuldenproblematik zu. Wir möchten an dieser Stelle jedoch auch darauf hinweisen, dass es seitens der FDP-Bundestagsfraktion einen Vorschlag zur Handhabung der Altschuldenproblematik gab. Dieser beinhaltete die Begleichung eines pauschalen prozentualen Anteils der Altschulden. In seiner Anwendung war der Antrag erheblich unbürokratischer und hätte eine enorme Zeiteinsparung bei der Antragsbearbeitung zur Folge gehabt. Auch Ihre Abgeordneten, sehr geehrte Kollegen von der LINKEN haben gegen den unbürokratischen FDP-Antrag gestimmt. Die Möglichkeit der Einfl ussnahme über den Bundesrat wurde von Ihnen nicht genutzt. Schließlich waren Sie zu dem Zeitpunkt in der Landesregierung.

Im Altschuldengesetz wurde keine Frist bis zur Abarbeitung der noch ausstehenden Fälle festgesetzt. Zunächst gingen die Experten davon aus, dass alle Fälle bis Ende 2006 abgearbeitet sein werden. Aufgrund der noch ausstehenden Antragsfülle wurde die Frist auf den 30. September 2007 verlängert. Auch dieses reicht nicht aus. Einzelne Betreuer gehen davon aus, dass die von ihnen bearbeiteten Anträge bis Ende 2007 abgearbeitet sein sollen. Die Fallzahlen sind aber zum Teil sehr unterschiedlich. Es sind wiederum nur Mutmaßungen, die sich nicht auf empirische Werte stützen.

Wir wünschen Ihnen, werte Kollegen von der LINKEN, dass mit Ihrem Antrag mehr erreicht wird als mit unserer Aufforderung an die Landesregierung, sich im Bundesrat für die Rücknahme der nächsten Steuerreform auf 01.01.2008, Bereich Biodiesel und Pfl anzenöle, einzusetzen. Kritisch möchten wir allerdings auch anmerken, dass es sich uns nicht erschließt, um welche Zinsen es sich bei dem Abschluss eines zügigen Zinsmoratoriums handelt. Wer muss wessen Zinsen weiterhin zahlen? Betriebe, die ihre Altschulden bereits beglichen haben, müssen in der Regel auch Kredite dafür aufnehmen, für die sie Zinsen zahlen müssen. Wir empfehlen Ihnen, den Punkt 2 aus Ihrem Antrag zu streichen. Aufgrund einer zügigen Abwicklung stimmen wir Ihrem Antrag zu.

(Beifall Hans Kreher, FDP, und Gino Leonhard, FDP)

Danke schön, Herr Grabow.

Jetzt, Frau Schildt, darf ich Sie bitten, ans Pult zu treten. Jetzt haben Sie das Wort. Ich war vorhin etwas verrutscht in der Rednerliste.

(Ute Schildt, SPD: Macht nichts. – Heinz Müller, SPD: Sie waren Ihrer Zeit voraus.)

Ich hoffe, Sie sehen es mir nach. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem der Landwirtschaftsaltschulden begleitet Agrarbetriebe, die sich seit dem Übergang umgebildet haben in eine neue Betriebsform. Und ich weiß, wovon ich rede, denn ich war zu der Zeit im Agrarhandel. Wenn man Getreide kauft, kommt man mit den Landwirten ins Gespräch und dann weiß man, wo der Schuh drückt. Und der hat viele, viele Jahre gedrückt. Es stand oft die Frage: Was machen wir jetzt? Wir könnten

Gewinn machen. Tilgen wir? Kommt da noch was? Kommt da nichts oder wie gehen wir damit um? Das heißt, die Lösung dieser Fragen stand über viele Jahre an, und nicht nur, als ich im Handel war, sondern auch, als ich in die Politik kam.

Mit diesen und ähnlichen Fragen waren wir als Politiker über einen sehr langen Zeitraum konfrontiert und haben uns als SPD-Fraktion in den Lösungsprozess aktiv eingebracht. Der Minister hat darüber gesprochen, dass unter der rot-grünen Regierung 2004 im Bundestag endlich das Landwirtschaftsaltschuldengesetz verabschiedet werden konnte. Das war zwingend notwendig. Es war eine Klarlegung der Positionen und ein klarer Auftrag, wie jetzt gehandelt werden kann – aus unserer Sicht ein anerkannter Kompromiss, der auch durch die Landwirtschaftsbetriebe anerkannt wird.

Mit der Umsetzung der Bundesregelung wurden die BVVG und die BAG beauftragt. Zwischenzeitlich – und das ist jetzt schon mehrfach gesagt worden, aber ich sage es trotzdem noch einmal – sind von 222 Anträgen landwirtschaftlicher Betriebe in unserem Land 156 vollständig bearbeitet. Die Schuldenablösung erfolgte nach einem Angebot der Betriebe, das nur um durchschnittlich zwei Prozent überschritten wurde. Das heißt, die Erwartungen und Vorstellungen von über 70 Prozent der in Mecklenburg-Vorpommern betroffenen Betriebe wurden erfüllt. Nur acht Anträge wurden abgelehnt. Heute sind es nur noch ein Viertel der Betriebe, die den Abschluss der Bearbeitung erwarten. Allerdings, das muss auch benannt werden, sind Verzögerungen in der Bearbeitung oft selbst verschuldet von den Landwirtschaftsbetrieben. Der Minister hat es ausgeführt, und zwar, dass falsche Bewertungen vorgenommen wurden, dass die Anträge nicht vollständig waren. Das darf man dabei nicht vergessen.

Wir können feststellen, dass lediglich zehn Prozent der Altschuldensumme abgelöst werden. Das ist ein recht kleiner Anteil, auch wenn eine Verzinsung eingesetzt hat. Diese Situation ist allgemein akzeptiert. Immerhin darf es nicht zu Verzerrungen gegenüber Betrieben führen, die sich 1990 völlig neu gründeten. Ein zusätzliches Nachbessern hinsichtlich der Zinszahlung ist nicht notwendig. Wir sind zuversichtlich, dass auch die übrigen Anträge kurzfristig abschließend Bearbeitung fi nden. Aus den besagten Gründen lehnen wir den Antrag der PDS, Fraktion DIE LINKE, ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD und Renate Holznagel, CDU)

Danke schön, Frau Abgeordnete.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Borrmann. Bitte, Herr Abgeordneter.

Bürger des Landes! Dem Landtag liegt ein Antrag der Fraktion DIE LINKE zu Altschulden von Landwirtschaftsbetrieben vor. Wir Nationaldemokraten sehen den Sachverhalt so:

Erstens. Die Altschulden und DIE LINKE, das sind „alte Schuhe“, die trotz aller Namensänderungen und Gläubigerumbenennungen von Anbeginn ein Paar waren und es bleiben werden.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Erzählen Sie doch nicht so einen Unsinn! – Torsten Koplin, DIE LINKE: Sie waren schon mal tiefsinniger.)

Zweitens. Mit dem Anspruch, eine neue Gesellschaft mit neuen Menschen aufzubauen, wurde in Mitteldeutschland eine Bodenreform durchgeführt, die den verbürgerlichten Adel

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Haben Sie nicht ML unterrichtet?)

in Gestalt der Junker und der großen Grundeigentümer als sogenannte reaktionäre Elemente strukturell vernichten sollte.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So ein Quatsch hier!)

In Wahrheit musste frei verfügbare Bodenfl äche, Neuland für Neubauern bereitgestellt werden für Millionen von Bürgern, die aus Ostdeutschland vertrieben worden waren, entgegen den Lenin’schen Prinzipien, denn diese Prinzipien, nach denen Kriege ihrem Wesen nach von Ausbeutern geführt würden, verpfl ichteten die Arbeiterklasse, unter Führung der Kommunisten Kriege ohne Reparationen, Kontributionen, Vertreibung oder gar Völkermord zu beenden.

Drittens. Nur wenige Jahre durften sich diese Neubauern ihres bescheidenen Anwesens erfreuen. Dann setzte in mehreren Wellen die Kollektivierung der Landwirtschaft ein. MTS-Siedlungen entstanden, LPGen Typ 1 und 2, Pfl anzenproduktion, Tierproduktion. Der Eintritt in diese Genossenschaften war alles andere als freiwillig. Erst nach vielen Jahren gewöhnten sich die enteigneten Genossenschaftsbauern daran, dass sie unselbstständige Arbeiter einer industrialisierten Landwirtschaft geworden waren. Die meisten unterhielten dennoch einen bäuerlichen Nebenerwerb und zwackten der Agrarkommune ab, wo es nur ging.

Viertens. Ebenso unfrei wie die enteigneten Agrararbeiter waren auch die Genossenschaften selbst. Die Partei und die staatlichen Strukturen gaben die Zielstellung vor. Wer nicht spurte oder sich gar dem wohlverstandenen Interesse seiner Genossen Bauern widersetzte, wurde abgesetzt, etwa so, wie dies Polizeiminister Caffi er mit renitenten Bürgermeistern zu tun pfl egt, die glauben, in diesem Land herrschen noch tatsächlich Selbstverwaltung und Demokratie.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Was hat das mit den Altschulden zu tun?)

Fünftens. Ein besonderes Steuerelement waren die investiven Vorgaben, die die LPGen zwangen, sich auf Staatskredit den jeweiligen Kampagnen und Wettbewerbsaktionen anzuschließen. Sicher wurde dabei nicht nur Unsinniges fi nanziert, eine umfassende Bewertung ist hier aber nicht möglich.

Sechstens. Festzuhalten bleibt, dass mit dem Ende der DDR wieder genau jene Strukturen entstanden waren, die der Sozialismus auszurotten geglaubt hatte, großagrarische Betriebe, die, meist von früheren Vorsitzenden übernommen, quasi junkerliche Güter darstellten, in denen man den freien Bauern vergebens sucht.

Siebtens. Ob diese Riesengüter mit ihrer Monokulturwirtschaft für die Entwicklung einer ökologischen Landwirtschaft einträglich sind und gefördert werden sollten, ist für uns Nationaldemokraten äußerst fraglich.

Achtens. Dass diese Güter durch ihre per Parteidirektive verdonnerten Altlasten im Wettbewerb hinken,

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

sollte Anlass sein, von den LINKEN jene Mittel einzufordern, die sie seit der Wende auch dank Schalck-Golodkowski auf „schwarzen Konten“ lagern.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Professor Tack. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich froh, dass es meiner Fraktion mit dieser heutigen Debatte gelungen ist, einen wichtigen Teilbereich der Wettbewerbsfähigkeit unserer landwirtschaftlichen Unternehmen noch einmal öffentlich zu machen.

Dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, es ablehnen, unserem Vorschlag zu folgen und erneut – ich unterstreiche „erneut“, denn die Bemühungen sind vom Minister ja dargestellt worden – aktive Hilfe zu leisten, tut dem erst einmal keinen Abbruch. Es zeugt allerdings davon, wie Sie mit den Sorgen und auch mit den Problemen, es sind immerhin noch fast 100 Betriebe, in unserem Lande umgehen und wie ernsthaft Sie die nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes unterstützen wollen.

(Zuruf von Renate Holznagel, CDU)

Es ist mir natürlich klar, dass ich hier nur einen groben Überblick über die komplizierten Zusammenhänge geben konnte. Viele der Kolleginnen und Kollegen, die hier im Raum sind, sind an vorhergehenden Regelungen beteiligt worden. Zum Beispiel habe ich die Frage der Rangrücktrittsvereinbarungen der besseren Übersichtlichkeit wegen ausgespart. Ich stelle noch einmal klar:

Erstens. Die Agrarbetriebe zahlten jährlich bereits etwa 20 Prozent ihres Gewinnes auf die aufgelaufenen Altschulden.

(Minister Dr. Till Backhaus: Wenn sie Gewinn gemacht haben. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Zweitens. Die Finanzierungszusage der kreditierenden Bank kostet in aller Regel Bereitstellungszinsen bis zum Ablösetermin. Dann kostet der Kredit marktübliche, also in der Tendenz weiter steigende Zinsen, das heißt, die Betriebe zahlen teilweise doppelt. Je länger dieser Ablöseprozess dauert, und darum geht es bei dem Antrag vor allen Dingen, desto höher ist also die Finanzbelastung der Betriebe. Kommt kein Zinsmoratorium zustande, und das wurde in der Debatte ja abgelehnt, werden die Betriebe, die unverschuldet in der Warteliste stehen – und ich unterstreiche hier „unverschuldet“ –, nicht nur länger den Euribor-Zins zahlen, sondern auch mit den ständig weiter steigenden Zinsen belastet werden.

Diese circa 100 Betriebe – ich habe das in der Einbringung gesagt – mit 1.000 Hektar Größe und etwa 10 bis 15 Arbeitskräften sind meist breit ausgerichtet mit Tier- und Pfl anzenproduktion. Deshalb weisen sie also auch den höheren Arbeitskräftebesatz auf, als es im Durchschnitt der Betriebe ist.

Der gegenwärtige Bearbeitungsstand – und das war, glaube ich, in der Debatte nicht infrage gestellt worden – lässt nicht erwarten, dass alle Betriebe in diesem Jahr mit ihrer Altschuldenregelung fertig werden können. Und

das war der Ansatz, sich noch einmal, auch wenn vieles schon getan ist, dafür einzusetzen beim Bundesfi nanzministerium, bei der BVVG und der BAG, dass der Abschluss der Altschuldenregelung im Jahr 2007 gewährleistet ist. 70 Prozent, Herr Minister Backhaus, haben Sie gesagt, sind abgearbeitet. Das stellen wir überhaupt nicht infrage, aber die verbliebenen 30 Prozent sind 30 Prozent, die ein Problem haben mit ihrer Wettbewerbsfähigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Deshalb unser nochmaliger Antrag auf ein unterstützendes Engagement der Landesregierung. Bedenken Sie bitte bei Ihrer Entscheidung, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass Ihre Zustimmung zum Antrag kein Gefallen an DIE LINKE ist, sondern eine Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe und damit der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raumes darstellt.