und dass diese Form der Einschränkung, wie sie im Augenblick da ist, schnellstmöglich beendet werden soll. In diesem Sinne werden wir dieser Kombination nicht zustimmen. Sollten Sie noch auf eine andere Idee kommen, dass Sie selber beantragen, einzeln abzustimmen, würden wir gerne dem ersten Punkt zustimmen. – Vielen Dank.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Frau Kollegin Borchardt! Freizügigkeit als eine der Grundfreiheiten in der Europäischen Union, das ist richtig. Und ich denke, es ist auch eines der bemerkenswertesten Ergebnisse der Europäischen Union, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesen Mitgliedsstaaten tatsächlich das Recht haben, unabhängig von der Frage, wo sie geboren worden sind, hinzuziehen, zu leben, zu arbeiten, zu wohnen, wo sie möchten, und dass die Zeiten eines dumpfen Nationalismus, der an den eigenen Landesgrenzen haltmachte und zwischen guten und schlechten Bürgerinnen und Bürgern unterschieden hat, tatsächlich zu Ende gehen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE und Rudolf Borchert, SPD – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)
Allerdings muss man dabei sehen, dass diese Grundfreiheit, von der Sie sprachen, natürlich auch bestimmte Voraussetzungen hat. Und die Voraussetzungen waren und sind – und das galt für alle Erweiterungen der Europäischen Union und nicht nur für die letzten Beitritte der osteuropäischen und südosteuropäischen Beitrittsstaaten –, dass natürlich in den Mitgliedsländern zumindest ähnliche soziale Standards vorherrschen müssen. Dabei ging es nicht um die sozialen Standards, auch das werden Sie wissen, in den Ländern, die schon drin waren in der Gemeinschaft, sondern es ging in erster Linie um die Angleichung der sozialen Standards der Länder, die beitreten wollten.
Das, und nicht unbedingt der Schutz der regionalen Arbeitsmärkte in den bisherigen Beitritts- oder Mitgliedsstaaten, war einer der Gründe dafür, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeschränkt wurde, weil es war auch die Überlegung, dass man natürlich den Mitgliedsländern, die neu dazugekommen sind, nicht ihr Arbeitskräftepotenzial nehmen wollte, weil die sozialen Rahmenbedingungen in den Ländern, die schon länger
dabei waren, vielleicht besser waren. Das ist auch der Hintergrund dafür, dass Mitgliedsländer wie Malta oder Zypern solchen Einschränkungen nicht unterlegen sind, denn es ist nicht jedes Land, das neu beigetreten ist, vergleichbar.
Es hat sich damals ganz bewusst, als die Regelung getroffen worden ist, die Überlegung herausgebildet, dass man einen bestimmten Zeitraum haben muss, um nach diesem Zeitraum oder im Rahmen dieses Zeitraums dann tatsächlich überprüfen zu können: Wie weit ist es mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit? Kann tatsächlich das so offen gestaltet werden, wie es gemacht werden soll? Und auf der anderen Seite – und deswegen ja auch nur die Möglichkeit, im Nachgang maximal um zwei Jahre zu verlängern – natürlich die Möglichkeit, dass den Menschen in den Beitrittsländern gesagt werden sollte: Spätestens ab 2011, nehmen wir mal die osteuropäischen Beitrittsländer, soll tatsächlich aber das Grundrecht so weit sein, dass ihr euch überall, wie alle anderen übrigens auch, in den Ländern niederlassen könnt. Übrigens ist die Niederlassungsfreiheit nicht eine der neuesten oder der jüngsten Errungenschaften. Die gibt es ja nun schon länger, auch wenn sie für einzelne Berufe immer wieder eingeschränkt worden ist.
Das ist also etwas, und da hat Herr Minister Seidel durchaus recht, was man nicht übers Knie brechen sollte. Und ich weiß ja, dass Sie das nicht übers Knie brechen wollen. Das unterstelle ich Ihnen auch gar nicht. Deswegen kann ich das verstehen, dass sie nicht getrennt darüber abstimmen lassen wollen. Es geht nicht nur um die Arbeitnehmerfreizügigkeit, es geht wahrscheinlich,
es geht wahrscheinlich sogar gar nicht mal in erster Linie um die Arbeitnehmerfreizügigkeit, sondern, ich mag mich da täuschen,
aber es entsteht zumindest der Eindruck, und das ist ja auch nichts Vorwerfbares, es entsteht zumindest der Eindruck, dass es Ihnen natürlich auch wieder um die Thematisierung der Frage eines festgeschriebenen Mindestlohns geht. Wie gesagt, das ist kein Vorwurf, man muss es nur deutlich sehen.
Wenn man das sieht, dann muss man natürlich ganz offen sagen, Sie wissen, welche Schwierigkeiten es innerhalb der Koalitionsfraktionen zu diesem Thema gibt. Das braucht man nicht zu bestreiten. Herr Minister Seidel hat eben noch mal darauf hingewiesen, dass er zumindest Bedenken hat. Sie haben es vielleicht gestern gehört, wenn Sie zugehört haben, dass ich an dieser Stelle, als es darum im Rahmen der Aktuellen Stunde ging, deutlich gemacht habe, dass die SPD-Fraktion, zumindest was den Bereich der öffentlichen Auftraggeber angeht, weil dafür sind wir nun mal als Land hier nur zuständig, durchaus das Interesse hat, diesen Bereich zu regeln. Sie wissen aber auch, dass wir das sicherlich nicht mit diesem Antrag, den Sie heute hier gestellt haben, regeln werden. Auch das ist Ihnen klar. Aber ich glaube, das ist gar nicht der Sinn Ihres Antrages.
Aber ich möchte eins noch mal deutlich machen an dieser Stelle: Die Argumentationsweise, die Sie da aufbauen, die ist natürlich in Teilen abenteuerlich.
Wenn Sie darauf hinweisen, dass gerade der Wegfall oder die vollständige Einräumung der Arbeitnehmerfreizügigkeit das beste Mittel ist, also der Wegfall dieser Regelung das beste Mittel ist, um Umgehung oder Verstoß gegen gerade diese Bestimmung zu verhindern,
dann ist natürlich die Konsequenz daraus, dass wir uns überlegen müssen, ob wir das bei allen anderen Bestimmungen auch so machen sollten. Gehen Sie mal das Strafgesetzbuch durch und gucken Sie nach, wie viele Verstöße es gegen bestimmte Regelungen gibt, dann können Sie sich hinterher überlegen, ob Sie diese Straftatbestände alle rausnehmen, weil wenn Sie sie rausgenommen haben, gibt es auch keinen Verstoß mehr dagegen.
Frau Borchardt, wenn Sie das Problem der Scheinselbstständigkeit ansprechen, dann hat das ja nicht nur den Grund der nicht vorhandenen Arbeitnehmerfreizügigkeit. Weil wenn dem so wäre, dann hätte es zum Beispiel, als der Deutsche Reichstag in Berlin saniert oder umgebaut wurde, wie immer man das nennen will, nicht eine Vielzahl von Einpersonengesellschaften aus Großbritannien geben dürfen, die dort tätig gewesen sind – nicht als Arbeitnehmer, sondern als selbstständige Unternehmer. Weil – jetzt nehme ich mal Ihre Worte – wir haben Arbeitnehmerfreizügigkeit zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland, wir haben Mindestlöhne in Großbritannien – wir haben sie nicht in Deutschland, aber in dem Fall wäre das ja nicht das Entscheidende – und trotzdem ist dieser Personenkreis gerade bei den entsprechenden Kontrollen immer wieder aufgefallen. Wie schwer das ist, da Scheinselbstständigkeit oder tatsächliche Selbstständigkeit auseinanderzuhalten, das ist dann wieder die nächste Frage.
(Michael Andrejewski, NPD: Das beruht auf Gegenseitigkeit. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Also Sie bilden sich aber was ein!)
Da brauchen Sie auch keine Angst zu haben. Sie geben keinen Grund für Nachfragen. Ihre Äußerungen sprechen für sich.
Und, Frau Kollegin Borchardt, wenn ich Ihnen noch mal eins deutlich machen darf: Sie verweisen auf Großbritannien und Großbritannien ist nun nicht gerade das beste Beispiel. Gerade wenn es um soziale Rahmenbedingungen geht, sind es, egal welcher parteipolitischen Couleur, gerade unsere britischen Freunde, die immer wieder darauf hinweisen, dass sie an sich die angedachte Sozialcharta innerhalb der Europäischen Union für ihr Land nicht wollen.
Und deswegen muss man auch in dem Bereich ganz genau differenzieren. Ich kann es nur noch mal zum Schluss hier zusammenfassen.
Ich kann es hier noch mal zum Schluss zusammenfassen, das wiederholen, was ich gestern an dieser Stelle auch gesagt habe: Meine Fraktion hat die Intention, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner in dem Rahmen, in dem wir die Möglichkeiten haben, dieses Problem hier im Lande zu lösen. Dieses Problem wird sicherlich nicht durch diesen Antrag gelöst und deswegen werden wir diesen Antrag hier und heute ablehnen. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.