Protokoll der Sitzung vom 20.09.2007

die die Koalitionspartner vereinbart haben. Das ist ein großer, ein sehr wichtiger Schritt.

Wir werden aber auch in anderer Weise zur direkten Unterstützung kommen. So werden wir bei der Förderung von Familienferien ein Gutscheinsystem einführen, um Anreize zu schaffen, dass Eltern etwas tun, das ihren Kindern direkt zugutekommt. Und wir werden den Eltern, die das tun, zum Beispiel alle Impfungen durchführen, zu Elterntrainings gehen, zu Kochkursen gehen oder solche netten Kurse wie für die sechs bis acht Wochen alten Babys, also Babykurse besuchen, Gutscheine ausgeben. Diese Gutscheine kann man für Familienferien in den Familienferienstätten des Landes einlösen. Damit erreichen wir zwei wichtige Ziele mit einem Schlag, nämlich, dass Eltern einen Anreiz haben, etwas für Kinder zu tun, und dass das Geld, was wir für Familienferien zur Verfügung stellen, nicht irgendwo auf Mallorca ausgegeben wird, sondern hier im Land, in den Familienstätten, die Erholung und zusätzlich Hilfen für Familien bieten.

(Beifall Heike Polzin, SPD, Ute Schildt, SPD, und Udo Pastörs, NPD)

Eine ganz andere wichtige direkte Leistung für Kinder wäre, das muss man klar sagen, ein gesundes Mittagessen in Kita und Hort. Da ist meine Position, dass wir das dringend brauchen, dass wir dringend dafür sorgen müssen, dass alle Kinder eine gesunde Mahlzeit bekommen. Es wird immer mal wieder gefordert, dass das kostenlos sein soll. Da ist meine Position, das ist überhaupt nicht notwendig, sondern wir müssen helfen, dass das bezahlbar ist. Wir müssen sicherstellen, dass der Beitrag der Eltern nur so hoch ist, dass das auch wirklich in Anspruch genommen wird und nicht, wie mir heute vielfach berichtet wird, Eltern vor der Mittagszeit die Kinder aus der Kita nehmen,

(Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)

damit nicht auffällt, dass sie nicht am Mittagessen teilnehmen können. Das müssen wir uns wirklich sehr im Einzelnen anschauen.

Für mich ist eine sehr wichtige Frage in diesem Zusammenhang, die sich ergeben hat, auch durch die Besuche in den Kitas während meiner Sommertour: Wie gesund ist denn das Mittagessen, das wir zurzeit schon vor Ort anbieten? Da gibt es Kitas, die sehr überzeugend, zum Beispiel Kneipp-Kindergärten, eine bestimmte Ernährungslinie verfolgen. Es gibt aber auch Kitas, die nur die Möglichkeit haben, bei einem Caterer zu bestellen, der gleichzeitig das Krankenhaus und das Pfl egeheim am Ort bedient und nicht die Möglichkeit hat, ein speziell auf Kinder zugeschnittenes Mittagessen anzubieten.

(Irene Müller, DIE LINKE: Die Möglichkeit hat er.)

Das halte ich nicht für die allerbeste Lösung. Es zeigt sich sehr deutlich, dass die Mittagessen da besonders gut sind, wo es noch die Möglichkeit gibt, dass die Kitas das in den eigenen Küchen selber machen.

Wir werden ja jetzt vom Bund im erheblichen Umfang Hilfen bekommen, die für den Betrieb der Kitas sind, aber

auch für Investitionen. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir zu einer Lösung kommen, die zu Investitionen führt, die die Voraussetzung schaffen, dass in den Kitas mehr selbst angeboten werden kann. Dazu wird mir gesagt, das ist zu teuer. Da wird mir gesagt, das können die gar nicht, da müssen die Leute einstellen und dann wird das Mittagessen viel zu teuer. Aber ich habe so viele Kitas im Land gesehen, die das selbst können, und zwar bei Preisen, die durchaus mithalten können, dass ich mir wünsche, dass wir im Land einfach erheben, wer macht so etwas, ein Best Practice, dass wir vergleichen: wie ist das denn? Wieso schafft das eine Kita mit 150 bis 200 Kindern? Mit wie viel Personal schafft sie das, da wirklich konkurrenzfähig zu sein? Also ich meine, dass wir da weiterkommen müssen.

Meine Damen und Herren, für mich ist das ein ganz wichtiger Punkt, dass wir es schaffen, massive fi nanzielle Hilfen für ein gesundes Mittagessen in Kita und Hort zu geben. Aber ich denke, das ist ein sehr wichtiger Punkt, den wir nicht von heute auf morgen verwirklichen können, sondern zu dem wir uns verabreden müssen, gemeinsam alles zu unternehmen, um dieses Ziel zu verfolgen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Angelika Gramkow, DIE LINKE: Ich bin da für Dezember.)

Ich will noch einen vierten Punkt sagen, Frau Gramkow, der mir wichtig ist. Ich bin davon überzeugt, wir müssen über alle gesetzlichen Leistungen und Vergünstigungen für Familien im Zusammenhang sprechen, nicht nur losgelöst über einzelne Leistungen, zum Beispiel Elterngeld, Kinderzuschlag, Reduzierung Mehrwertsteuersatz, um nur mal einige der aktuellen Vorschläge zu nennen. Wir müssen ein sinnvolles Gesamtsystem für die bestmögliche Unterstützung von Eltern und Kindern entwickeln. Ein parteipolitischer Wettlauf um immer neue, immer weitergehende Vorschläge, der hilft, denke ich, nicht wirklich weiter, sondern wir müssen alles auf den Tisch legen.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Das stimmt. Und ich bin stringent mit meinen Forderungen. Genauso ist es.)

Man muss eine Prioritätenliste machen und fragen: Was ist uns im Interesse der Betroffenen wichtiger? Was können wir jetzt schon fi nanzieren? Was können wir nicht fi nanzieren?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Den Wettlauf hat doch die SPD in ihrem Parteitagsbeschluss eröffnet. Oder?)

Und ich lade Sie ein, lassen Sie uns über ein solches Gesamtsystem miteinander sprechen. Ich bin gerne dazu bereit. Nicht bereit bin ich, das will ich ganz klar sagen, nicht bereit bin ich, über den Änderungsantrag der NPD zu sprechen. Diese Deutschtümelei ist einfach nur peinlich.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und FDP – Torsten Koplin, DIE LINKE: Pfui!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss zu diesem sehr ernsten Thema noch eine Bitte äußern, eine Bitte zu der Art, wie wir miteinander sprechen sollten. Und ich will versprechen, dass ich mich auch an diesen Appell halten werde. Mein Appell ist: Wir sollten nicht mit Zahlen täuschen und tricksen bei diesem wichtigen Thema! Ich verspreche zum Beispiel, niemals zu verkünden, dass es uns gelungen ist, die Zahl der Sozialhilfe

empfänger im Land von 2004 auf 2005 um 90 Prozent zu senken. Die Zahlen sagen das. Wir haben 70.000 Sozialhilfeempfänger in 2004, wir haben 7.000 in 2005. Wir hatten bei Kindern 21.000 in 2004, in 2005 456. Das werde ich selbstverständlich nicht sagen, denn dies ist einfach nur die statistische Folge der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zu SGB II.

(Zurufe von Angelika Gramkow, DIE LINKE, und Torsten Koplin, DIE LINKE)

Die Zahl der Bedürftigen hat sich dadurch nicht verändert. Es wäre anstößig und eine bewusste Irreführung der Bürgerinnen und Bürger, wenn ich etwas anderes behaupten würde.

Aber ich muss dann auch sehr ernst Sie, meine Damen und Herren von der Partei DIE LINKE, bitten, nicht mit Zahlen zu täuschen und zu tricksen. Sie sagen, mit dem Inkrafttreten des SGB II sei quasi über Nacht eine Rekordkinderarmut entstanden,

(Zuruf von Dr. Marianne Linke, DIE LINKE)

nämlich von 21.000 Kindern im Jahr 2004, die auf Sozialleistung angewiesen waren, auf weit über 50.000 Kinder im Jahre 2005.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: 59.000.)

Aber, meine Damen und Herren, hören Sie bitte einen Augenblick zu. Dies ist ebenfalls allein die statistische Folge der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Die Zahl der Bedürftigen hat sich dadurch nicht verändert. Es ist lediglich erstmals die Zahl der bedürftigen Kinder in den Haushalten mit Arbeitslosenhilfen mit ausgewiesen worden. Das waren immerhin 122.000 Haushalte. Es wäre anstößig und eine bewusste Irreführung der Bürgerinnen und Bürger, wenn Sie etwas anderes behaupten würden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Angelika Gramkow, DIE LINKE: Sie wissen aber, wer das behauptet hat?)

Deshalb noch einmal, meine Damen und Herren, die sehr ernste Bitte von mir: Lassen Sie uns bei diesem wichtigen Thema fair und ehrlich miteinander umgehen und beim politischen Wettbewerb miteinander, der sicherlich sein muss, nicht täuschen und tricksen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Grabow von der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Heute ist Weltkindertag. Seit über 80 Jahren wird in Deutschland dieser Tag zum Anlass genommen, um über die Interessen unserer Kinder nachzudenken. Und seit den 80er Jahren ist es die Armut, die das Wohl unserer Kinder bedroht. Es ist beschämend, dass heute Kinder und Jugendliche noch immer nicht gleiche Zukunftschancen haben. Mehr Geld allein kann aber niemals das Armutsproblem lösen. Deshalb greift der Antrag der LINKEN zu kurz. Kinderarmut kann nicht durch die einfache Anhebung der Regelsätze nach SGB II und SGB XII beseitigt werden.

Die Kritik des DPWV zum Thema Kinder und Hartz IV ist eine Kritik am System der sozialen Sicherung insgesamt und ein schlechtes System wird nicht dadurch besser, indem man wahllos mehr Geld hineinpumpt. So ist zum

Beispiel das bisherige Konzept des Kinderzuschlages gescheitert. 88 Prozent der Anträge wurden abgelehnt. 18 Prozent der gesamten Kosten kommen zudem nicht den Betroffenen, sondern ausschließlich der Bürokratie zugute. Höhere Regelsätze für Kinder und Jugendliche stellen nicht sicher, dass diese fi nanzielle Transferleistung auch wirklich für Kinder verwendet wird.

Weil mehr Hartz IV für Jugendliche und Eltern eine Lebensalternative ist, setzen wir Liberalen auf das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe. Der Sozialstaat muss jedem Bürger die Chance geben, so weit wie möglich aus eigener Kraft ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Dazu hat die FDP das Modell des liberalen Bürgergeldes entwickelt, das bedürftigen Menschen ein Mindesteinkommen gewährleistet. Wir wollen kein leistungsfeindliches bedingungsloses Grundeinkommen, das unabhängig von Vermögen, Arbeitsbereitschaft und familiären Situationen gewährt wird. Im Bürgergeld werden wir steuerfi nanzierte Sozialleistungen zu einer einzigen zusammenfassen. Anstelle von Grundsicherung, Lebensunterhalt, Wohngeld, Arbeitslosengeld II oder BAföG erhält der Bedürftige das Bürgergeld. Leistungen für Kosten des Wohnens und Heizens werden wohnortbezogen pauschaliert.

Hinzu kommt bei der Umsetzung der liberalen Reformpläne für Kranken- und Pfl egeversicherung Unterstützungsleistung für Kinder und Personen zu geringfügigen Einkommen. Kindergeld und Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen werden nicht in das Bürgergeld einbezogen. Das Bürgergeld baut außerdem Brücken. Im ersten Arbeitsmarkt auch einer Beschäftigung mit nur geringen Entlohnung nachzugehen, wird attraktiver, als allein staatliche Transfers in Anspruch zu nehmen, denn die soziale Leistung ist und bleibt ein Arbeitsplatz.

Unabhängig davon, dass wir vor allem Arbeitsplätze für die Eltern brauchen, brauchen wir einen Weg, der Kindern und Jugendlichen unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern den Zugang zu Bildung, Sport und Kultur offenhält. Die Arbeit von Vereinen und Verbänden in der Kinder- und Jugendarbeit ist deshalb zu fördern und nicht durch die Mittelstreichung zu bedrohen, wie im aktuellen Haushalt des Sozialministeriums vorgesehen. Die FDP-Fraktion begrüßt die Initiative der LINKEN, hält aber den vorgeschlagenen Weg für falsch. Wir werden uns enthalten.

Zwei Anmerkungen will ich noch gern machen. Herr Minister, Sie haben jetzt schon mehrmals die Zusammenarbeit angeboten und jedes Mal kann ich mich an einen Kinderantrag erinnern. Ich habe aufgefordert, lasst uns demokratische Parteien zusammensetzen. Machen Sie es bitte wahr! Laden Sie wirklich die Fachpolitiker ein, dann haben wir nicht jedes Mal verschiedene Anträge!

Und zu den Herren von der Fensterfraktion: Ich meine, Sie haben gestern so ein gutes Ergebnis zwischen fünf und sechs bekommen. Ich kann nur zu Ihrem Antrag sagen: Fünf, setzen! – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP und Marc Reinhardt, CDU)

Danke, Herr Grabow.

Es hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Schlupp von der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dem Antrag der Linkspartei.PDS „Alle Kinder gleich behandeln – SGB II und SGB XII novellieren“ vom 14.03.2007 und dem

Antrag „Für eine chancengleiche Entwicklung und für ein kinderfreundliches Mecklenburg-Vorpommern – Kosten für Schulbildung bei Arbeitslosengeld II erstatten“ vom 27.06.2007 lautet der Antrag der Fraktion DIE LINKE heute „Kinderarmut bekämpfen – Chancengleiche Entwicklung für alle Kinder“.

(Zurufe von Andreas Bluhm, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

Natürlich habe ich mich gefragt, warum Sie nach zwei Ablehnungen dieses Thema heute erneut aufrufen. Zweifelsohne ist es ein außerordentlich wichtiges Thema und die aktuelle Situation vieler Kinder in Deutschland ist für uns alle alarmierend.

(Irene Müller, DIE LINKE: Dann tun Sie was!)

Ich kann auch verstehen, dass man Themen, die einem wichtig sind, mit äußerster Hartnäckigkeit verfolgt. Dann allerdings hört mein Verständnis auf. Normalerweise versucht man doch, um in der Sache weiterzukommen, einen möglichst breiten Konsens herbeizuführen, die Argumente aus früheren Diskussionen einfl ießen zu lassen und nicht nur Forderungen aufzumachen, sondern eigene Lösungswege aufzuzeigen.