darauf abheben, so etwas würde die politische Stabilität des parlamentarischen Systems infrage stellen, nein, dann muss man doch wohl feststellen, dass es seit Jahren, trotz dieser Regelung in Bayern,
in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz ganz stabile Regierungssysteme mit satten Mehrheiten gibt, auch wenn es leider nur schwarze beziehungsweise tiefschwarze sind.
(Michael Roolf, FDP: Wo sind die denn alle? – Toralf Schnur, FDP: In Rheinland-Pfalz ist Kurt Beck.)
Dann führte der Innenminister in seiner Rede noch ein Argument an, das schon einen Bart hat und schon seit ewigen Zeiten bemüht wird. Ich zitiere den Innenminister: „Volksentscheide können sich aus gesellschaftlichen Stimmungsschwankungen ergeben“, sagt der Minister geheimnisvoll, „von denen das Bestehen eines souveränen Gesetzgebers nicht abhängig sein darf.“ Natürlich ist das so.
Ich frage Sie: Wo leben wir denn? Stimmungen gehören doch auch zur politischen Realität. Niemand hierzulande weiß es doch besser als die CDU. So hat beispielsweise bereits die Drohung mit einem Volksentscheid zur Auflösung in Berlin im Zusammenhang mit dem dortigen Bankenskandal zur Sprengung des Berliner CDU-SPDSenats geführt. Wo ist denn da das Problem, meine Damen und Herren? Das Volk in Berlin war doch wohl im Recht und die Empörung mehr als angebracht. Es ist doch wohl auch gar keine Frage, dass letztendlich das Volk der Souverän ist. Was Stimmungsschwankungen betrifft, besagt das in Bezug auf die Berechtigung oder Nichtberechtigung einer Aufl ösungsregelung rein gar nichts. Denn mehr noch als Volksentscheide hängen schließlich Wähler von Stimmungslagen ab. Sie werden ja in deren Vorfeld sogar von den Parteien, und zwar durch die Bank von allen Parteien, nicht nur genutzt, sondern geradezu erzeugt. Das ist ja teilweise unsere Aufgabe.
Es gibt aus der Sicht unseres Landes noch ein Argument für die Aufl ösungsregelung, meine Damen und Herren. Wenn wir, wie im Vorjahr geschehen, die Landtagswahlperiode einfach um ein Jahr verlängern, also damit dem Volk einfach ein Stück von ihrem demokratischen Entscheidungsrecht nehmen,
wäre die Aufl ösungsregelung eine durchaus annehmbare und adäquate Ausgleichsmaßnahme. Auch das ist aus meiner Sicht zu sehen und bedenkenswert. Es ist einfach so, dass das Volk dazu nicht einmal befragt worden ist. Aus meiner Sicht hätte die Verlängerung der Wahlperiode einem Volksentscheid unterstellt werden müssen.
Bei allen Diskussionen um die Aufnahme der entsprechenden Rechte begegnen mir immer Argumente, die von einem großen Misstrauen sprechen.
Ich frage Sie ernsthaft: Wovor haben wir Angst? Wenn wir gemeinsam eine gute Politik machen, die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Sorgen und Nöten ernst neh
men – und ich habe hier noch niemanden gehört, der das nicht will –, dann wird es wohl kaum dazu kommen, dass die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Recht Gebrauch machen werden. Ich wäre im Übrigen sogar für eine solche Regelung, die es in Bayern und Hessen gibt, dass verfassungsändernde Gesetze immer und in jedem Fall einer Volksabstimmung zu unterstellen sind. Zu der Frage der Quoren will ich mich nicht noch näher äußern.
Meine Damen und Herren, wir haben zur letzten Verfassungsänderung leider vergeblich versucht, eine deutlichere Senkung herbeizuführen. Diese Frage wird aber wohl, insoweit kennen wir natürlich unsere politischen Kollegen, weiterhin ungelöst bleiben.
Schließlich will ich noch zwei Punkte nennen, über die es sich in diesem Zusammenhang lohnt, einmal ernsthaft nachzudenken.
Wie wäre es denn, meine Damen und Herren, wenn wir die bestehende brandenburgische Lösung prüften, dass auch Jugendliche an der Volksgesetzgebung beteiligt werden können, wenn sie von den zu entscheidenden Fragen betroffen sind? Wir müssten dazu nur die Teilnahmeregelung ändern und auf das Kommunalwahlrecht beziehen. Ich fi nde, dies hätte Sinn. Es liegt ein gewisser Widerspruch darin, dass wir beispielsweise alljährlich die Jugend ins Parlament einladen und sie zur Mitwirkung aufrufen, dass wir ferner auch für Kinder- und Jugendparlamente sind, aber sie andererseits bei Abstimmungen außen vor lassen.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Was haben wir denn für eine Koalition in Brandenburg? – Udo Pastörs, NPD: Jawohl.)
Und ein anderer Punkt, der uns auch sehr am Herzen liegt, sind die in Artikel 59 und 60 der Verfassung vorhandenen Sperren, wonach faktisch alle Fragen mit einer fi nanz- und haushaltspolitischen Relevanz ausgenommen sind von dem demokratischen Recht. Das ist ja nicht nur schlechthin im Zweifelsfall ein ziemlicher Konfl iktpunkt. Man fragt sich doch, wozu wir eine solche restriktive Verfassungshürde brauchen. Warum trauen wir es dem Volk nicht zu, auch in fi nanziellen und hausrechtsrechtlichen Fragen vernünftig zu entscheiden?
Sehen wir beispielsweise nach Berlin, so ergibt es sich, dass es auch anders geht, dass diese Sperre sinnvoll abschaffbar ist, ohne dass das Land dadurch unter die Räder kommt.
Das passiert beispielsweise viel eher durch eine unsolide und fast irrsinnig zu bezeichnende Finanzpolitik von Regierungen. Man sah es in Berlin und sieht es heute in Sachsen. Dort haben nämlich die parlamentarische Demokratie und die parlamentarischen Mehrheiten versagt, zum Teil seit Jahren.
Aber keine Sorge, das kann man lernen. Fangen wir mit dem Absenken der Quoren und der Möglichkeit der vorzeitigen Aufl ösung des Landestages durch Volksentscheid an. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Begründet wird der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE, die Landtagsaufl ösung durch Volksentscheid herbeiführen zu können, damit, dass die Wahlperiode von vier auf fünf Jahre verlängert wurde. Es ist noch nicht einmal eineinhalb Jahre her, dass der letzte Landtag die Wahlperiode gerade deshalb verlängert hat, um eine kontinuierliche Arbeit des Parlaments zu ermöglichen. Über dieses Ziel bestand damals bei allen drei Landtagsfraktionen Einigkeit. Wenn jetzt die Möglichkeit einer vorzeitigen Aufl ösung des Landtages durch Volksentscheid eingeführt wird, so steht das dem im letzten Jahr noch gemeinsam verfolgten Ziel diametral entgegen.
Im Übrigen hat der Landtag bereits nach Artikel 27 Absatz 2 Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Wahlperiode vorzeitig zu beenden und sich damit selbst aufzulösen. Damit geht schon jetzt die Landesverfassung weiter als beispielsweise das Grundgesetz, das ein solches Selbstaufl ösungsrecht des Bundestages nicht kennt.
Meine Damen und Herren, ich fi nde die Aussage des Innenministers richtig, dass Volksentscheide sich aus gesellschaftlichen Stimmungsschwankungen ergeben können, von denen das Bestehen eines souveränen Gesetzgebers nicht abhängig sein darf.
Das Gebot eines funktionierenden Regierungssystems wäre daher stark gefährdet, wenn der Landtag durch Volksentscheid aufgelöst werden könnte.
Dies gilt umso mehr, wenn man das vorgeschlagene Antragsquorum berücksichtigt. Der Entwurf sieht für den neuen Artikel 27 Absatz 3 vor, dass 70.000 Wahlberechtigte einen Volksentscheid über die Aufl ösung des Landtages herbeiführen können. Das entspricht nach den Verhältnissen bei der letzten Landtagswahl einem Anteil von noch nicht einmal fünf Prozent der Wahlberechtigten. Mit einem Antragsquorum von unter fünf Prozent der Wahlberechtigten wird allein populistischen Forderungen und Aktionen Vorschub geleistet.
Meine Damen und Herren, verfassungsrechtlich geboten ist diese Änderung daher genauso wenig wie die anderen Vorschläge des Entwurfs. Es wird zwar die Auffassung vertreten, dass die Bürger als Ausgleich für die Verlängerung einer Wahlperiode Möglichkeiten für eine direkte
Einfl ussnahme im Wege der Volksgesetzgebung erhalten müssen. Diese Position ist allerdings nach der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte und der Diskussion in der Rechtsliteratur umstritten. Aber selbst wenn man dieser Meinung sein sollte, führt dies zu keiner anderen Beurteilung des hier vorgelegten Gesetzentwurfes, denn zum einen sind in unserer Landesverfassung solche Möglichkeiten ohnehin schon eröffnet, zum anderen hat der Landtag bereits einen zusätzlichen Ausgleich vorgenommen.
So wurden die Quoren in Mecklenburg-Vorpommern für die Volksgesetzgebung gerade angepasst, denn der letzte Landtag hat erst im Juni 2006 mit den Stimmen der Fraktion DIE LINKE das für ein Volksbegehren notwendige Quorum von 140.000 auf 120.000 abgesenkt. Nach der damaligen Begründung sollte damit einerseits die direkte demokratische Beteiligung verstärkt werden, andererseits der demografi schen Entwicklung Rechnung getragen werden. Dass die demografi sche Entwicklung seit Juni 2006 zu einem Bevölkerungsverlust geführt hat, der eine weitere Reduzierung des Antragsquorums um mehr als 40 Prozent erforderlich macht, werden auch Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, wohl kaum vertreten können. Im Übrigen irrt, wer glaubt, dass mehr Bürgerbeteiligung dadurch erreicht wird, dass weniger Bürger einen Volksentscheid herbeiführen können. Nach meinem Dafürhalten spricht weitaus mehr dafür, die gerade geänderte Verfassung erst einmal anzuwenden und nicht nach so kurzer Zeit schon wieder zu ändern. – Vielen Dank.