Das Wahlrecht wird den etwa 4,6 Millionen Ausländerinnen und Ausländern und auch denen in MecklenburgVorpommern verweigert, die länger als fünf Jahre anderswo – zum Teil bis weit über 20 Jahre – rechtmäßig ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland haben.
Ausländerinnen und Ausländer, die hier ständig leben und arbeiten und nicht unbeträchtlich zur Lebensqualität der gesamten Bevölkerung beitragen, müssen auch am politischen Prozess teilhaben und die Bildung der Verfassungsorgane beeinfl ussen können.
Ich möchte an dieser Stelle nur darauf hinweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es in Deutschland rund 300.000 Unternehmen gibt, deren Inhaberinnen und Inhaber ausländischer Herkunft sind. Sie stellen 25.000 Arbeitsplätze zur Verfügung, zahlen Steuern wie deutsche Staatsbürgerinnen und lassen unter anderem ihre Zeitungen nicht in Litauen drucken wie die NPD.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Wahlrecht ist ein Recht, das ihnen in einem demokratischen Land zustehen muss. Ein Wettbewerb zwischen den Parteien um die Stimmen der ausländischen Bürgerinnen und Bürger würde zudem deren Aufmerksamkeit für die Probleme der Ausländerinnen und Ausländer erhöhen.
Zugleich wäre dies ein wichtiger Akt der Integration ausländischer Bürgerinnen und Bürger, der längerfristig zur Zurückdrängung von Rassismus beitragen kann.
Und wir wissen, darüber haben wir heute schon gesprochen, dass der Rassismus des Herrn Pastörs ein Einfallstor für rechtsextremistische und neonazistische Ideologien im Land ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als kürzlich die Bundestagsfraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag im Sinne des Wahlrechts für Drittstaatenangehörige mit Anträgen initiativ wurden, meldeten sich Gewerkschaften, Sozialverbände, Kirchen und migrantische Organisationen mit einer gemeinsamen Kampagne zu Wort. Darin heißt es unter anderem, ich zitiere: „Nur wer die Möglichkeit hat, durch die Wahl seiner Vertreterinnen und Vertreter sich an der Politik vor Ort zu beteiligen bzw. sich wählen zu lassen, wird ernst genommen! Diese Menschen sind dann nicht mehr Objekte des politischen Handelns, sondern gestalten das Leben in ihrem Umfeld aktiv mit.“ Zitatende.
Sie weisen in dieser Erklärung darauf hin, dass es ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger in 16 Ländern der Europäischen Union gibt. Sie verweisen ebenso darauf, dass Migrantinnen und Migranten durch ihr Wahlrecht vor allem die Möglichkeit erhielten, Zitat: „fremdenfeindlicher Politik oder rechtsextremen Parteien ihre Stimme zu entziehen.“ Zitatende.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen wir also ein deutliches Zeichen in diese Richtung! Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.
Zum vorliegenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen möchte ich feststellen, dass ich mit Freude zur Kenntnis nehme, dass Sie sich dem Anliegen nicht verschließen.
Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass der Landtag nicht nur das eine oder andere unterstützt, sondern dass die Landesregierung aufgefordert wird, konkret zu handeln
Wir werden deshalb dem Änderungsantrag nicht zustimmen, uns aber dem Gesamtanliegen nicht verweigern. – Danke schön.
Es wurde im Ältestenrat eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort gebeten hat zunächst der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Caffi er. Herr Caffi er, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Für die Landesregierung hat die Integration von Migrantinnen und Migranten einen hohen Stellenwert. Sichtbares Zeichen dafür ist die Ziffer 246 im Koalitionsvertrag.
Ich zitiere: „Die Koalitionspartner unterstützen die Integration von Migranten. Grundlage dafür bilden die Landeskonzeption zur Förderung der Integration von Migranten sowie die Leitlinien zur Integration von Migranten in Mecklenburg-Vorpommern.“ In Ziffer 246 werden wichtige Kriterien genannt, die zur Förderung von Integration notwendig sind. Das sind insbesondere die Beherrschung der deutschen Sprache, die Förderung der Erwerbskompetenzen beziehungsweise im Sinne des Förderns und Forderns sind Zuwanderer mit der deutschen Kultur und ihren gerade im Grundgesetz zum Tragen kommenden Werten vertraut zu machen.
Mithin ist Mecklenburg-Vorpommern ein weltoffenes Land und die Landesregierung unterstützt die Integration von Migrantinnen und Migranten im Rahmen des ihr Möglichen. Diese weltoffene Grundhaltung hat den Landtag auch in der vergangenen Legislaturperiode bewogen, die Leitlinien zur Integration zu beschließen und sie auch in dieser Legislatur als Grundlage zur Integration von Ausländern zu nutzen. Eben diese Leitlinie ist offensichtlich auch die Grundlage für den vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE. Nur um Missverständnisse in diesem Zusammenhang zu vermeiden, das Zitat der Fraktion DIE LINKE stellt lediglich ein Fragment dar. Es wurde durch die knappe Wiedergabe in der Beschlussvorlage aus seinem Zusammenhang gerissen. Lassen Sie mich diesen zunächst hier wieder herstellen, meine Damen und Herren.
Der von der Fraktion DIE LINKE herangezogene Punkt 5 der Leitlinien besagt, dass die Integrationsförderung eine umfassende und nachhaltige Partizipation von Migrantinnen und Migranten an gesellschaftlichen Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen verlange. Weiter heißt es aber dann in den näheren Ausführungen, dass die Partizipation neben der Förderung von Selbstvertretungsgremien wie Ausländerbeiräten insbesondere durch das Kommunalwahlrecht für Unionsbürger und durch die Mitarbeit in Ausschüssen und Ortsbeiräten der Kommunen erreicht wird. Für eine Forderung nach Einführung des Kommunalwahlrechts für Drittstaatenangehörige kann diese Integrationsleitlinie jedenfalls nicht herangezogen werden.
Integration braucht Zeit und kostet auf beiden Seiten auch eine gewisse Anstrengung. Ich denke, dass der vorliegende Antrag oder sein Punkt 3 das Gleiche meint,
wenn er von Integration als einem Prozess gegenseitiger Annäherung der einheimischen Bevölkerung und der Zuwanderer spricht. Das Wahlrecht sollte allerdings dabei – und das ist meine feste Überzeugung – nicht am Anfang des Integrationsprozesses stehen,
sondern vielmehr dessen erfolgreichen Abschluss bilden. Wer sich wirklich mit unserem Land identifi ziert, von dem kann dann auch der konsequente Schritt erwartet werden, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen, denn erst damit ist die Integration wirklich abgeschlossen
Mit der deutschen Staatsangehörigkeit notwendigerweise verbunden erhält der oder die Deutsche auch das hier in Rede stehende Kommunalwahlrecht, zusammen mit allen anderen Rechten und Pfl ichten, die daran geknüpft sind.
An dieser Stelle möchte ich, weil es mir überaus wichtig ist, einmal besonders grundsätzlich werden: Das Wahlrecht gehört untrennbar zur Staatsangehörigkeit und darf nicht als bloßes Mittel zur Integration instrumentalisiert werden.
Ausnahmen sieht das Grundgesetz im Artikel 28 Absatz 1 Satz 4 nur für EU-Bürger bei den Kommunalwahlen vor.
Das ist vor dem Hintergrund der vom wiedervereinigten Deutschland erstrebten europäischen Einigung richtig und unverzichtbar. Es kann aber nicht als Begründung dafür dienen, diese Sonderstellung der EU-Bürger nun auch allen anderen Ausländern zu gewähren, deren Heimatländer – und hier liegt eben der entscheidende Unterschied – nicht der Europäischen Union angehören.
Nun könnte man hiergegen natürlich vorbringen, der Volksbegriff habe sich durch den wachsenden Ausländeranteil in der Bevölkerung gewandelt, abgesehen davon, dass diese Argumentation für unser Land mit seinen im Vergleich doch sehr niedrigen Ausländerzahlen etwas gewagt erscheinen muss. Bereits 1990 ging das Bundesverfassungsgericht in seinen bedeutsamen Entscheidungen zum Ausländerwahlrecht auf diesen Einwand ein und wies darauf hin, dass man durch Erleichterungen beim Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft der Ausübung politischer Rechte besser Rechnung tragen könne. Ausländer blieben so nicht endgültig von Wahlen ausgeschlossen. Diese Erleichterungen wurden durch die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts bereits im Jahr 2000 geschaffen und bewähren sich seither in der Praxis.