Protokoll der Sitzung vom 14.11.2007

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

denn es ist unsere Verfassung, das Herzstück unserer parlamentarischen Demokratie, um die es hier geht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Selbst die Abgeordneten, die seit Beginn hier im Landtag sind, haben das erst dreimal mitgemacht, und zwar einmal bei der Beschlussfassung über die Landesverfassung und zweimal, als wir die Landesverfassung noch einmal geändert haben. Insofern, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es für mich ganz persönlich schon etwas Besonderes, Ihnen heute diese Beschlussempfehlung vorzustellen.

Wir schlagen Ihnen mit dieser Beschlussempfehlung vor, einen neuen Artikel 18a in unsere Landesverfassung aufzunehmen. Ich möchte diesen Artikel in dem Wortlaut, den er durch die Beschlussempfehlung und den Änderungsantrag erhalten soll, einmal kurz vorlesen. Absatz 1 soll lauten: „Alles staatliche Handeln muss dem inneren und äußeren Frieden dienen und Bedingungen schaffen, unter denen gesellschaftliche Konfl ikte gewaltfrei gelöst werden können.“

Der Absatz 2 soll lauten: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker oder der Bürger Mecklenburg-Vorpommerns zu stören und insbesondere darauf gerichtet sind, rassistisches oder anderes extremistisches Gedankengut zu verbreiten, sind verfassungswidrig.“ So weit der Wortlaut.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Wortlaut ist insofern sehr bemerkenswert,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Weil er so präzise ist.)

da er sich im Zusammenhang mit der Änderung der Verfassung auf der Grundlage einer Volksinitiative entwickelt hat.

(Michael Andrejewski, NPD: Grundlage ist gut.)

Soweit ich informiert bin, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es in ganz Deutschland erst zwei Änderungen einer Landesverfassung auf Grundlage einer Volksinitiative, sieht man einmal davon ab, dass es in Bayern zwei exotische Anträge gegeben hat.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: So sind die Bayern.)

Insofern, meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Nebenbemerkung: Mit Blick auf die letzte Landtagssitzung zeigt sich, dass die direkte Demokratie in unserem Land funktioniert, auch ohne dass wir die Zulässigkeitsschwellen dafür absenken.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Das stimmt. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Richtig, sehr richtig.)

Doch zurück zu dieser Beschlussempfehlung.

Als Gesetzgeber sind wir gehalten, Verfassungsänderungen ganz besonders sorgsam abzuwägen, denn unsere Verfassung legt die allgemeinen Grundlagen der staatlichen Ordnung fest, sie stellt daher ein hohes demo

kratisches Gut dar, sie soll beständig und dauerhaft sein, wie man auch sehr häufi g in der entsprechenden Fachliteratur nachlesen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben es uns nicht leicht gemacht und doch muss man manchmal aus gegebener Veranlassung auch eine Verfassung ändern. Wir haben uns im Ausschuss mit den Argumenten der Erstunterzeichner der Volksinitiative auseinandergesetzt. Wir haben in einer sehr umfangreichen Anhörung, wie ich fi nde, mündliche und schriftliche Stellungnahmen von Rechtswissenschaftlern, Politikwissenschaftlern und Praktikern angefordert und ausgewertet. Diese Anhörung war aus meiner Sicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein echter Höhepunkt des Parlamentsbetriebes. Allein 17 Abgeordnete haben daran teilgenommen und mitdiskutiert, fast ein Viertel des gesamten Parlaments, und die Besucherränge waren ebenfalls stets gut besucht.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist ja enorm.)

Im Ergebnis haben wir die rechtlichen Bedenken der Experten berücksichtigt und empfehlen deshalb einige Änderungen am Gesetzentwurf der Volksinitiative. Dies entspricht im Übrigen dem ausdrücklichen Wunsch und Willen der Vertreter der Volksinitiative. Diese haben uns ausdrücklich ermuntert, beherzt mit dem Text umzugehen, um eine verfassungsrechtlich einwandfreie Formulierung zu erarbeiten, die dem erklärten Willen der Initiatoren entspricht. Mit dieser Volksinitiative soll die Weltoffenheit der Bürger des Landes Mecklenburg-Vorpommern eindeutig und klar ausgedrückt werden, denn über 17.000 Bürger haben die Volksinitiative mit ihrer Unterschrift unterstützt.

Meine Damen und meine Herren, ich glaube, das ist ein klarer Beweis dafür, dass die Menschen in MecklenburgVorpommern nicht angesichts des existierenden Rechtsextremismus in unserem Land resignieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Die Initiative will Schaden von unserer Heimat abwenden und der Demokratie eine Handhabe gegen Extremismus geben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will auch nicht verschweigen, dass wir einige rechtspolitische Bedenken von Sachverständigen bewusst ein Stück hintangestellt haben. Einige Sachverständige haben die Initiative nicht für zielführend gehalten und davor gewarnt, dass eine Verfassungsänderung eine Auseinandersetzung mit Inhalten nicht ersetzt. Ich denke, wir alle sind bereit, uns mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Keiner von uns, meine Damen und Herren, sieht diese Verfassungsänderung als automatische Lösung der dahinter stehenden Probleme an.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist wohl wahr.)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können durch die Aufnahme des Artikels 18a ein Zeichen setzen und eine Hilfestellung für die Rechtsanwender geben, denn als Staatszielbestimmung wird dieser Artikel eine wichtige Richtschnur staatlichen Handelns sein

können. Daher bin ich sehr froh, dass es in einem Konsens der Demokraten gelungen ist, diese Beschlussempfehlung auf den Weg zu bringen. Ich bin sehr froh, dass es auch im Konsens der Demokraten gelungen ist, diesen Änderungsantrag zu der Beschlussempfehlung und dem Gesetzentwurf der Initiative hier zu vereinbaren. Mit diesem Antrag wird noch einmal deutlich, dass jedwede extremistische Absicht ausreichen kann, die Verfassungswidrigkeit der jeweiligen Handlung zu begründen.

Bedanken möchte ich mich in diesem Zusammenhang, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei den Mitgliedern des Europa- und Rechtsausschusses für ihre konstruktive Mitarbeit und bei der Landesregierung, die uns im Rahmen der Beratungen hilfreich zur Seite stand. Ich will es auch nicht versäumen, mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung zu bedanken, insbesondere bei dem Sekretariat des Europa- und Rechtsausschusses.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mit verschiedenen Argumenten versucht zu begründen, warum diese Beschlussempfehlung etwas ganz Besonderes ist. Ganz deutlich wird dies auch noch einmal, wenn man sich anschaut, welche Mehrheit erforderlich ist, um diese Beschlussempfehlung anzunehmen. Zwei Drittel der Mitglieder des Landtages müssen zustimmen. Ich appelliere an alle Mitglieder der demokratischen Fraktionen hier im Landtag: Geben Sie der Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses und dem Änderungsantrag der demokratischen Fraktionen Ihre Zustimmung! – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und Michael Roolf, FDP)

Danke schön, Herr Müller.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Fraktionsvorsitzende Herr Schlotmann. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Leider kann man die Zwischenrufe der NPD hinten nicht verstehen. Das müsste man irgendwann einmal ändern.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es ist auch gut so, dass man das Geschwätz nicht hört.)

Ja, darüber kann man treffl ich streiten.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Manchmal wäre es vielleicht ganz angebracht.

(Udo Pastörs, NPD: Das müsste man selektiv machen, so, wie es Ihnen passt.)

Ich beginne meine Rede mit einem Zitat: „Die Verfassung unseres Landes legt die Regeln für die Verfahrensweisen von Landtag, Landesregierung und Rechtsprechung fest und bildet damit seit nunmehr dreizehn Jahren das solide

Fundament, auf dem sich politisches Handeln vollzieht. Zugleich spiegelt sich in den Bestimmungen der Verfassung ein Wertekonsens aller demokratischen Parteien wider, der über das Geschäft des politischen Alltags weit hinausragt.“ Meine Damen und Herren, diese ersten Sätze sind ein Zitat und stammen aus dem Geleitwort des Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern zu dem neu erschienenen Kommentar zur Landesverfassung dieses Landes.

Gerade der Gedanke, dass die Verfassung einen Wertekonsens aller demokratischen Parteien darstellt, der weit über das Alltagsgeschäft hinausgeht, gilt es meiner Meinung nach festzuhalten. Eben aus diesem Grunde sollen Verfassungsänderungen den politischen Mehrheiten einer Regierungsmehrheit entzogen bleiben und nur mit einer breiten Zweidrittelmehrheit möglich sein. Diesen Wertekonsens schreiben wir mit dieser Verfassungsänderung fort. Der Katalog der Staatszielbestimmungen soll gezielt erweitert werden. Wir fügen heute einen Artikel 18a in die Landesverfassung ein, mit dem festgeschrieben wird, dass die Verbreitung rassistischen oder anderen extremistischen Gedankenguts verfassungswidrig ist.

Ich möchte daher an dieser Stelle allen Mitwirkenden danken. Darin beziehe ich ausdrücklich die Initiatoren der Volksinitiative sowie die vier demokratischen Fraktionen und die Experten in der Anhörung des Europa- und Rechtsausschusses mit ein.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir werden hier und heute eine Verfassungsänderung beschließen:

Erstens. Dies wird mit den Stimmen der demokratischen Kräfte geschehen.