Protokoll der Sitzung vom 14.11.2007

Zweitens. Diese Verfassungsänderung wird den Wertekonsens bei den Staatszielbestimmungen gezielt erweitern.

Drittens. Es wird erstmalig eine Verfassungsänderung auf Initiative einer Volksinitiative in diesem Lande geben.

Zum ersten Punkt. Die Landesverfassung schreibt vor, dass Verfassungsänderungen einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages bedürfen. An diesem hohen Quorum wird die Bedeutung der Landesverfassung für das Zusammenleben und das Zusammenwirken der Staatsorgane hervorgehoben. Ich bin froh darüber, dass es gelungen ist, am Ende der Beratungen zur Volksinitiative eine Verständigung der demokratischen Fraktionen herbeizuführen und diese Verfassungsänderung zu vereinbaren. Es hätte ja rechnerisch gereicht, wenn drei der vier demokratischen Fraktionen sich verständigt hätten. Das war uns aber nicht genug. Bei diesem zentralen Thema wollten wir alle vier gemeinsam Handlungsfähigkeit beweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Meine Damen und Herren, danach sah es zu Beginn aber ganz und gar nicht aus. Nach dem Bekanntwerden der Volksinitiative bis in die Phase der ersten parlamentarischen Behandlung und bis nach der Anhörung waren noch die unterschiedlichen politischen Ansichten der vier demokratischen Fraktionen öffentlich zu vernehmen. Bis weit in die parlamentarischen Beratungen der Volksinitiative hinein konnte man den Eindruck gewinnen, dass

der Gedanke der Volksinitiative zwar im Kern getragen werde, dies aber nicht für eine Beschlussfassung in diesem Landtag reichen würde. Bei vier demokratischen Fraktionen ist es, denke ich zumindest, fast natürlich, dass es im Detail unterschiedliche Auffassungen gibt. Aber auch das gehört zum politischen Diskurs und zu einer Demokratie, das zeichnet sie aus.

Aber, und das zeigt dann die Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit der demokratischen Kräfte in diesem Hause, wir haben uns zusammengerauft im Wortsinne und haben etwas Vorzeigbares geschaffen. Ich habe die große Hoffnung, ich sage das hier mit allem Nachdruck, dass hier und heute die Gemeinsamkeiten, die wir uns hart erarbeitet haben, das war kein leichter Weg dorthin …

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Das war ganz schwierig.)

Und das Lachen der NPD hier vorne zeigt, wie das bewertet wird von dieser Seite, meine Damen und Herren.

(Stefan Köster, NPD: Herr Schlotmann, Sie sind von der harten Arbeit gekennzeichnet!)

Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Gemeinsamkeiten, die wir uns hier hart erarbeitet haben, nicht durch unnötige Äußerungen zerredet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Udo Pastörs, NPD: Sie als gelernter Funktionär sprechen von harter Arbeit?)

Jeder muss wissen, was er hier und heute sagt und tut.

Meine Damen und Herren, wir sollten es hinbekommen, dass die negative Schlagzeile einer Regionalzeitung aus dieser Woche letztendlich von uns gemeinsam als Falschmeldung abgehakt werden kann.

Zum zweiten Punkt, Wertekonsens. Im Sinne des Eingangszitates stellt die Landesverfassung einen Wertekonsens dar, dem wir mit dieser heutigen Verfassungsänderung gerecht werden. Einzelne – ich kenne solche Stimmen – mögen sagen, das sei doch viel zu wenig, vielleicht wird sogar gesagt, dass hier eine Selbstverständlichkeit in die Verfassung geschrieben werden soll. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, eine vermeintliche Selbstverständlichkeit erhält einen völlig anderen Stellenwert, wenn man sie in dieser Verfassung festschreibt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, Werner Kuhn, CDU, und Michael Roolf, FDP)

Aber haben wir es hier wirklich nur mit einer Selbstverständlichkeit zu tun? Ist es eine Selbstverständlichkeit, wenn wir sagen, dass rassistisches oder anderes extremistisches Gedankengut verfassungswidrig ist? Wer so redet, möge mir in der Landesverfassung die Stellen zeigen, wo das schon festgeschrieben steht.

(Udo Pastörs, NPD: Defi nieren Sie das mal, was das bedeutet, junger Mann!)

Und ich sage weiter: Ich hätte einmal die hören wollen, die jetzt von angeblichen Selbstverständlichkeiten reden, wenn wir die Volksinitiative einfach in Bausch und Bogen wieder abgelehnt hätten. Die angebliche Selbstverständlichkeit wird übrigens bei den Initiatoren der Volksinitiative ganz anders eingeschätzt, meine Damen und Herren. Diese haben den politischen Willen der demokratischen

Kräfte ausdrücklich begrüßt und dies auch mehrfach öffentlich zum Ausdruck gebracht. Von einer Selbstverständlichkeit könnte man meines Erachtens vielleicht nur dann reden, wenn hier und heute alle Mitglieder dieses Landtages zustimmen würden. Dass es keine Selbstverständlichkeit ist, wird daran sichtbar, dass eine Fraktion zum Beispiel in den Ausschusssitzungen ständig dagegen gestimmt hat und sich wahrscheinlich auch heute so verhalten wird.

(Heiterkeit bei Stefan Köster, NPD – Michael Andrejewski, NPD: Nicht nur wahrscheinlich.)

Meine Damen und Herren, wir hören es ja, nicht nur wahrscheinlich.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine Damen und Herren, wenn in der Neufassung – und ich komme jetzt an einen kritischen Punkt für uns alle vier –

(Udo Pastörs, NPD: Oh, jetzt wird’s spannend.)

hier nicht von Rechtsextremismus, sondern von Rassismus oder anderem extremistischen Gedankengut die Rede ist, so ist den Unterstützern dieser Neufassung sehr wohl klar, dass es auch Bedrohungen der Demokratie durch andere Extremisten gibt. Und genau deshalb wurde die jetzt gewählte offene Formulierung herangezogen.

Kollege Jäger, ich denke, das schadet gar nichts, wenn man das hier so offen sagt, da sind SPD, FDP und DIE LINKE sehr weit auf Sie zugekommen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Udo Pastörs, NPD: Ach, den Linksterrorismus wollten Sie nicht abdecken?)

auch auf Sie ganz persönlich, im Interesse der Gemeinsamkeit.

Ich möchte alle aus den demokratischen Fraktionen eindringlich bitten, wirklich eindringlich bitten, unsere gemeinsame Arbeit, so schwer sie auch im Alltag immer wieder fallen wird, unser gemeinsames Vorgehen gegen die NPD und den Rechtsextremismus nicht unter parteitaktischen Gesichtspunkten zu betrachten. Wir profi tieren alle von dem gemeinsamen Vorgehen. Wir werden alle Schaden nehmen, wenn diese Gemeinsamkeit zerbricht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Und hier sei eingefügt, unsere unterschiedlichsten politischen Positionen zu allen anderen Fragen der Politik in dieser Gesellschaft – da haben wir genug Platz für unsere jeweilige Profi lschärfung, die auch nicht zu kurz kommen darf, aber an dieser Stelle bitte nicht. Für uns als SPD steht außer Zweifel, dass die aktuellste Gefahr für unsere Gesellschaft, für unser demokratisches System, für dieses Gemeinwesen und für die Demokratie allgemein von Rechtsextremisten von der NPD kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Eine Gleichsetzung rechter und linker Gefahren für unsere Demokratie verbietet sich angesichts der derzeitigen Realitäten in diesem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Stefan Köster, NPD: Das haben wir ja am 2. Juni in Rostock gesehen, Herr Schlotmann.)

Meine Damen und Herren, die Ursprungsfassung der Volksinitiative konnte dieser Landtag nicht übernehmen und beschließen, dagegen gab es ganz klare verfassungsrechtliche Bedenken. Für eine Regierungsmehrheit wäre es zum Beispiel ein Leichtes gewesen, diese Bedenken letztendlich zum Anlass zu nehmen und diese Volksinitiative abzulehnen. Das haben wir aber nicht getan. Stattdessen haben wir mit viel Schmerzen an einer gemeinsamen Lösung gearbeitet

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Ja, das sieht man an Ihrem Gesichtsausdruck. – Michael Andrejewski, NPD: Sie sind schmerzfrei.)

und haben sie auch gefunden.

Zum dritten Punkt. Meine Damen und Herren, wir erleben hier immer wieder mehr als genug Anlässe,

(Heiterkeit bei Stefan Köster, NPD)

um diese Partei mit allen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, als politischen Feind zu bekämpfen

(Michael Andrejewski, NPD: Jawohl.)

und dafür zu sorgen, dass sie hier verschwindet.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Zurufe von Raimund Borrmann, NPD, und Stefan Köster, NPD)

Meine Damen und Herren, ich sehe es als ein gutes Zeichen für eine funktionierende Demokratie und ein lebendiges Gemeinwesen an, dass wir eine Volksinitiative zum Anlass nehmen, um uns auf eine Verfassungsänderung zu verständigen. Die Volksinitiative zeigt nämlich, dass wir hier im Landtag keinen abgehobenen Kampf gegen Extremismus und insbesondere Rechtsextremismus führen. Ich möchte in Erinnerung rufen, immerhin haben 17.000 Menschen als Bürger dieses Landes diese Initiative unterschrieben.

(Heiterkeit bei Stefan Köster, NPD – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig, ja.)

In der von mir bereits erwähnten neuen Kommentierung zur Landesverfassung ist Folgendes zu lesen: „Seit InKraft-Treten der Verfassung sind insgesamt 13 Volksinitiativen zustande gekommen und haben den LT beschäftigt. … Auffällig ist, dass die Regierungsfraktionen regelmäßig großen Respekt vor der Äußerung des ,Volkswillens‘ bekundet, in der Sache aber anders entschieden haben.“

Meine Damen und Herren, der frühere Justizstaatssekretär Dr. Litten, der diese Passage verfasst hat, wird nach Abschluss dieser Volksinitiative in diesem Landtag in der Neuaufl age sicher etwas Neues schreiben müssen.

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD)

Wir haben gemeinsam der Auffassung dieser 17.000 Menschen unseres Landes nicht nur großen Respekt bekundet, sondern sie von Anfang an ernst genommen.