Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Und im Übrigen, Herr Timm, wenn Sie unseren Antrag richtig durchgelesen hätten, wäre Ihnen der Punkt 3 aufgefallen. Ich lese Ihnen den Punkt gern noch einmal vor. Dort heißt es: „Der Landtag spricht sich gegen eine dauerhafte touristische Lösung des Nothafens Darßer Ort aus.“ Im Übrigen sagt die Nothafenverordnung nichts anderes aus und auch wir halten uns als FDP strikt an die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen.

Wir Liberalen möchten heute noch einmal bei Ihnen für eine Entscheidung werben, den Betrieb des Nothafens Darßer Ort so schnell wie möglich wieder herzustellen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger wollen wir. Wie lebenswichtig der Einsatz der Seenotrettungskräfte ist, wurde uns am 28. Oktober bekräftigt. Beim Kentern des Stückgutfrachters „Omer N“ in der Fehmarnbeltquerung, lediglich circa 40 Seemeilen von Darßer Ort entfernt, waren fünf Einheiten der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger im Einsatz. Drei jungen Seeleuten im Alter von 19 bis 24 Jahren konnte das Leben gerettet werden, für acht Menschen kam leider jede Rettung zu spät.

(Hans Kreher, FDP: Genau.)

185-mal war der Seenotrettungskreuzer vom Darßer Ort in den vergangenen Jahren im Rahmen von Hilfeleistungen sowie bei der Bergung von Kranken und Verletzten im Einsatz, und im Übrigen, meine Damen und Herren, das alles ehrenamtlich.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Auf eigene Kosten übernimmt die DGzRS die Rettung von Menschenleben. Wir haben als Land keine andere, aber eben diese wichtige Aufgabe zu übernehmen, als einen Hafen zur Verfügung zu stellen, der den Seenotrettern den schnellen Einsatz und die schnelle Hilfe ermöglicht, und genau das tun wir eben nicht.

Einer der wesentlichsten Vorzüge des Standortes Darßer Ort, rein aus strategischer Sicht, ist eben gerade die Nähe zur Kadetrinne beziehungsweise dem Tiefseewasserweg. Alle diese Bereiche können in einer Zeit zwischen

30 und 45 Minuten erreicht werden. Aus rettungsdienstlicher Sicht wird aber ab sofort je nach Verkehrs- und Wetterlage vom Hafen Barhöft aus der Seeweg in etwa anderthalb Stunden erreicht werden können. Eine Person ohne Überlebensanzug kann bei den derzeitigen Wassertemperaturen maximal zehn Minuten überleben. Was das bedeutet, das kann sich jeder hier ausrechnen in diesem Hohen Hause.

Bei entsprechender Eislage, und auch das hatte ich schon deutlich gemacht, wird ein Auslaufen des Seenotrettungskreuzers überhaupt nicht mehr möglich sein. Wollen Sie hier alle in diesem Hohen Hause die Verantwortung dafür übernehmen, dass in Kürze der Seenotkreuzer an der Pier angebunden bleiben muss und Menschen aus diesem Grund nicht mehr gerettet werden können? Genau das sollten wir hier heute bei der Abstimmung mit berücksichtigen.

Alle Argumente sind, meine ich, ausgetauscht. Sie kennen die Zahlen: 160.000 Schiffsbewegungen in 2020 gegenüber 80.000 heute noch vor der Küste unseres Landes. Der Bau von Offshorewindparkanlagen birgt ein erhöhtes Sicherheitsrisiko, welches auch bis zum heutigen Tag nicht genau abschätzbar ist, selbst wenn es mittlerweile zig Sicherheitsanalysen gibt. Wir haben noch keine funktionierende Anlage und die daraus resultierende Kollisionsgefahr wird erst dann deutlich, wenn der erste Segler oder das erste Kreuzfahrtschiff in eine Windparkanlage hineinfährt. Eine wunderschöne Schlagzeile...

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, die alte Leier!)

Ja, Herr Methling.

Eine wunderschöne Schlagzeile für das Tourismusland Nummer eins.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, ja.)

Und wenn sich dann auch noch herausstellt, dass nach einem Fährunglück oder von einem havarierten Segler aus das Anlanden von einer größeren Anzahl von verletzten Personen zu lange gedauert hat, trotz dessen, dass es einen Nothafen in unmittelbarer Nähe zur Kadetrinne gegeben hat, dann will ich in die Gesichter der Verantwortlichen sehen.

Zusammenfassend: Erst im Jahre 2010 wird ein Alternativhafen zur Verfügung stehen, frühestens, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und wir hoffen alle, auch als FDP-Fraktion, dass am 9. Dezember der Bürgerentscheid in Prerow die wichtigen Weichen stellen wird. Eine der beiden Varianten hat es in der Tat verdient, an diesem Standort verwirklicht zu werden.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Welche Variante wollen Sie denn?)

Aber lassen Sie mich noch einmal an dieser Stelle an Ihre Aussage in der Koalitionsvereinbarung erinnern: „Einen besonderen Schwerpunkt stellt dabei die Lösung des Problems Not- und Etappenhafen ‚Darßer Ort‘ unter Beachtung der Umweltbedürfnisse und der Sicherheit des Sportboottourismus dar.“ Und ich weise an dieser Stelle auch noch einmal auf die Aussagen des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft hin: „Derzeit wird der Nothafen gemäß der Nothafennutzungsverordnung betrieben. Seine Funktionsfähigkeit wird bis zur Errichtung einer Alternative aufrechterhalten.“ Also, wir haben auch den Segen der Natur- und Umweltschützer,

die ja in diesem Land so wichtig sind. Oder gibt es etwa andere Zusagen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, an NABU, BUND oder WWF, etwa welche, die wir hier noch nicht kennen?

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: So ein Quatsch! – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie wissen doch wohl, wie das zustande gekommen ist.)

Dann packen Sie rückhaltlos alles auf den Tisch. Es ist eh jetzt alles zu spät. Der Hafen ist dicht, er ist nicht mehr befahrbar.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Und das ist auch gut so.)

Wir fordern als Liberale die Landesregierung und den Landtag auf, die Kosten für die Ausbaggerung des Nothafens in Höhe von circa 100.000 Euro zur Verfügung zu stellen, 100.000 Euro, meine Damen und Herren, die das Leben von Menschen, die auf hoher See in Notlage geraten, retten können, die unserm Land auch als Tourismusland gut zu Gesicht stehen werden. Diese Entscheidung liegt heute in Ihrer, in unserer Hand. Unser Ziel muss es jetzt sein, kurzfristig dafür Sorge zu tragen, den Nothafen Darßer Ort wieder in Betrieb nehmen zu können. Hierzu muss die Landesregierung ihren gefassten Beschluss, den Darßer Ort nicht noch einmal auszubaggern, unverzüglich revidieren. Geben wir ihr heute an dieser Stelle den nötigen Rückhalt und stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke sehr, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Dr. Timm. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die SPD-Fraktion, Herr Leonhard, hat großen Respekt vor der Arbeit der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger,

(Angelika Peters, SPD: Wir auch. – Dr. Armin Jäger, CDU: Wir alle!)

und das vor allem deswegen – alle Fraktionen dieses Hauses –,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

und das vor allem deswegen, meine Damen und Herren, weil diese Gesellschaft ohne Steuermittel auskommt, rein spendenfi nanziert ist

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

und eine so wichtige Arbeit auf See macht, die ihr auch niemand abnehmen kann. Insofern noch einmal einen großen Dank an die Männer im Wesentlichen, aber auch die Frauen, die auf den Schiffen dieser Gesellschaft auf See unterwegs sind, wenn andere in den Hafen einlaufen, dann fahren sie nämlich raus, wie ihnen ein Teil ihres eigenen Slogans dies sagt.

Insofern ist das Thema, das wir hier besprechen, durchaus sehr ernst und ich bin auch gar nicht dafür, Herr Leonhard, dass wir hier unnötige Gräben zwischen den

Fraktionen aufmachen. Wir hatten es ja vor vier Wochen im Oktober in der Aktuellen Stunde – da lag Ihr Antrag nicht vor –,

(Hans Kreher, FDP: Doch!)

da haben Sie das Thema angesprochen. Ihr Antrag lag zur Aktuellen Stunde vor vier Wochen nicht vor. Da hatten Sie das Thema als aktuell dargestellt und einen Tag später im Rahmen eines Dringlichkeitsantrages Ihren Antrag vorgelegt.

Ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie unter Punkt 3 ausdrücklich sagen, dass Sie sich gegen eine dauerhafte touristische Nutzung des Nothafens Darßer Ort aussprechen. Das ist, glaube ich, Konsens in diesem Hause.

Nun haben wir in den vergangenen vier Wochen, das Thema war vor vier Wochen aktuell, es ist, wenn Sie so wollen, jetzt dauerhaft aktuell geblieben, es ist im Grunde seit 17 Jahren aktuell, jedenfalls haben wir in den letzten Wochen alle miteinander mehr Zeit für Tiefenbohrungen gehabt und uns vielleicht auch noch ein bisschen mit der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger unterhalten können über die Einsätze vom Nothafen Darßer Ort aus, der ja nun geschlossen ist, wie Sie selber bemerkt haben, also über die Einsätze des Seenotkreuzers „Theo Fischer“, der von dort aus seine Arbeit gemacht hat. Ich selber habe mit der Inspektionsleitung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger Kontakt aufgenommen und dort die Frage gestellt: Wie viele Einsätze sind in den letzten Jahren – also anhand des Materials, das vorliegt – gefahren worden zur Kadetrinne? Der Leiter der Inspektion konnte die Frage nicht beantworten, hat mir aber eine Mail geschickt. Ich will daraus vorlesen: „Üblicherweise stranden Boote oder Schiffe an der Westküste und an der Nordspitze des Darßes.“

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So ist es.)

„Motorenausfälle fi nden gleichmäßig verteilt im gesamten Einsatzgebiet des Seenotkreuzers statt. Unfälle in Verbindung mit der Berufsschifffahrt sind üblicherweise in oder in der Nähe der Kadetrinne.“ Nun kommen wir zur Berufsschifffahrt nachher noch mal extra, weil da tatsächlich erhebliche Gefahrenpotenziale in der Kadetrinne liegen. Aber die Einsätze des Seenotkreuzers sind ja gerade eben nicht ausgerichtet auf die Kadetrinne, sagt jedenfalls die Inspektionsleitung.

Ich habe ein paar statistische Daten mitgebracht. Daraus ergibt sich für die Jahre 2002 bis Oktober 2007 folgendes Bild:

Bezogen auf die Notfallursachen liegen erstens die Einsätze, die auf Grund gelaufene Schiffe bergen, mit 121 Einsätzen mit Abstand an der Spitze. Auf Grund laufen kann ein Schiff nicht in der Kadetrinne.

Zweitens: Motorprobleme 32 Einsätze

Drittens: Wassereinbruch in Schiffen 6 Einsätze

Viertens: Ruderschäden 5 Einsätze

Das sind alles Schäden, die überall aufgetreten sind und auch überall auftreten können, auch in der Kadetrinne, aber selbstverständlich nicht allein in der Kadetrinne.

Die weiteren Einsätze: Propeller verloren, Mann über Bord – ein Einsatz seit 2002, orientierungslos, also Navigationsprobleme, Mastbruch, Netze in der Schraube,

Getriebeschäden, Brand an Bord und so weiter, ein bis zwei Einsätze in fünf Jahren.