Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

Sehr geehrter Herr Minister, ich habe eine Nachfrage, und zwar: Ist es richtig, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil für das Scannen einen begründeten Verdacht vorausgesetzt hat? Sie haben es ja immer so schön umschrieben als präventiv, als Präventionsmittel, aber ich glaube,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Moment, das Bundesverfassungsgericht spricht exakt von dem Begriff, es muss ein begründeter Verdacht zum Scannen von Kfz-Zeichen vorliegen.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist doch keine Frage mehr!)

Ist das richtig oder falsch?

Nein, es ist falsch, wie Sie hier Ihre Interpretation des Bundesverfassungsgerichtsurteils vornehmen. Dann müssen Sie das SOG des Landes in Bezug zum Gerichtsurteil lesen und da haben wir eine andere Ausgangslage. Deswegen ist das Gesetz von Mecklenburg-Vorpommern, das SOG, im Zusammenhang mit dem Scanning nicht ansatzweise vergleichbar mit dem Gesetz von Schleswig-Holstein oder von Hessen.

Die einzige Ausnahme, und das habe ich ja noch mal deutlich zum Ausdruck gebracht, zwar etwas kompliziert, besteht in dem 30-Kilometer-Grenzraum. Ob hier eine verdachtsunabhängige Kontrolle zulässig ist oder nicht, dies prüfen wir. Darüber werden Sie informiert und dementsprechend gegebenenfalls die Änderungen vorgenommen, weil ich persönlich und die Polizeikräfte des Landes den Einsatz des Gerätes nach wie vor für geeignet halten, um hier Sicherheitsmaßnahmen im Interesse der Bürger vornehmen zu können.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Also eine Nachfrage nur ganz kurz: Dann habe ich das jetzt richtig verstanden, Sie halten unser SOG für verfassungsgemäß?

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Er prüft es zurzeit.)

Sie haben richtig verstanden, dass wir das Gesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, das Sicherheits- und Ordnungsgesetz, zum automatischen Scanning für verfassungsgemäß halten, da wir nicht Beklagte gewesen sind. Es gibt eine Passage, die offensichtlich zurzeit nicht abschließend geklärt ist, das ist die Frage des grenznahen Raums und der sogenannten verdachtsunabhängigen Kontrolle. Wenn wir dort abschließend zur Auffassung gekommen sind, hier ist ein Raum, der ist rechtsfrei und nicht abschließend geklärt, dann werden wir die Abgeordneten bitten, den gesetzlichen Rahmen so zu ändern, dass er auch gerichtlichen Klagen, sollte es die geben, standhalten kann. Aber diese Klärung ist zurzeit noch nicht abgeschlossen. Ich würde den Innenausschuss dann dementsprechend informieren.

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem beim Thema Vergabegesetz heute eigentlich alle gesagt haben, dass sie selbstredend die Rechtsprechung einhalten wollen, müssen wir uns bei diesem Thema eigentlich schnell einig werden. Meine Fraktion wird jedenfalls dem vorliegenden Antrag zustimmen, weil wir das Grundanliegen teilen und weil Gesetze wie das SOG oder auch das Vergabegesetz des Landes verfassungsrechtlichen Maßstäben genügen müssen und gegebenenfalls auch der laufenden Rechtsprechung anzupassen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag dürfte die Landesregierung nicht sonderlich überrascht haben und auch keinen zusätzlichen Arbeitsaufwand verursachen. In der Antwort auf meine Kleine Anfrage vom 10. März dieses Jahres (Drucksache 5/1275) brachte die Landesregierung bereits zum Ausdruck, erstens auf die angekündigte Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu warten und zweitens die Regelung des Paragrafen 43a SOG MecklenburgVorpommern vor dem Hintergrund dieser Entscheidung überprüfen zu wollen. Offensichtlich ist dieser Wille nicht mehr ausgeprägt. Ich halte aber dennoch die Vorlage eines entsprechenden Prüfberichtes für sinnvoll. Dem Landesgesetzgeber muss nämlich auch Gelegenheit gegeben werden, eigene Entscheidungen auf der Grundlage einer fachlichen Bewertung der Landesregierung selbstkritisch zu hinterfragen, oder mit den Worten des Bundesverfassungsgerichtes, Urteilsbegründung zum AKLS, Ziffer 184, ich zitiere: „Eine grundrechtsgemäße Regelung zu fi nden, ist Aufgabe des Gesetzgebers.“ Zitatende.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Innenminister! Es sollte uns schon allen gemeinsam zu denken geben, dass das Bundesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich als Beispiel zitiert – Begründungsziffer 88, wer das Urteil noch nicht gelesen hat –, wenn es vor möglichen schädlichen Folgen und Nebenwirkungen des Lesesystems warnt. Und, Herr Leonhard, da keine direkte Auswirkung auf unser SOG zu erkennen, das ist doch schon ein bisschen weit hergeholt. Mecklenburg-Vorpommern wird in Ziffer 88 ausdrücklich erwähnt. Das AKLS, so das Bundesverfassungsgericht, ist damit in Mecklenburg-Vorpommern geeignet, nicht nur das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sondern auch „in andere grundrechtliche Freiheiten“ erheblich einzugreifen.

(Zuruf von Minister Lorenz Caffi er)

So kann das Automatische Kennzeichenlesesystem gerade auch beim offenen Einsatz für die Entscheidung einer Bürgerin oder eines Bürgers, sich zum Beispiel an einer Bürgerinitiative zu beteiligen oder besser nicht, „verhaltenssteuernde Wirkung entfalten“, so das Bundesverfassungsgericht. Das heißt auf Deutsch, da fahre ich lieber gar nicht erst hin. Und das ist aus unserer Sicht sehr bedenklich.

(Zuruf von Minister Lorenz Caffi er)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ebenso bedenklich aber ist, dass es hier permanente Zwischenrufe von der Regierungsbank gibt und die nicht geahndet werden. Aber ebenso bedenklich ist, wenn das Bundesverfassungsgericht in der Begründungsziffer 183 bei der Beispielnennung für mögliche, die Verhältnismäßigkeit wahrende AKLS-Regelungen lediglich das Brandenburgische Polizeigesetz nennen kann, zu MecklenburgVorpommern unter dem Stichwort „Verhältnismäßigkeit“ aber nicht eine einzige Silbe über die Lippen bekommt. Auch dies spricht für eine notwendige, gründliche und unvoreingenommene Überprüfung von Paragraf 43a SOG Mecklenburg-Vorpommern.

Schließlich, meine Damen und Herren, werden durch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich die Begründungen der Gesetzentwürfe in Hessen und SchleswigHolstein gerügt. In der Begründungsziffer 104 heißt es unter anderem: „Im... Gesetzgebungsverfahren wurden... ausdrücklich ,Vorfeldmaßnahmen zu Großveranstal

tungen...‘, der ,Abgleich mit polizeilichen Dateien über bekannte Störer (etwa der Datei ,Gewalttäter Sport‘) bei Vorfeldkontrollen zu Großveranstaltungen (z. B. Fußball- spielen)‘ unwidersprochen als mögliche Einsatzzwecke“ des AKLS „benannt“. So weit die Kritik des Gerichtes an den erfolgreich beklagten Regelungen in Hessen und Schleswig-Holstein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Innenminister! Vor diesem Hintergrund lassen Sie uns in die Begründung unserer AKLS-Regelung schauen, Landtagsdrucksache 4/2116, Seite 39, 2. Absatz. Zu Paragraf 43 Absatz 2 heißt es hier, ich zitiere: „Aufgrund dieser Regelung ist es z. B. möglich, zur Abwehr konkreter Gefahren Kennzeichendaten auf Zubringerstraßen zu einem Fußballstadion mittels AKLS zu erheben und einen Abgleich mit der Datei ,Gewalttäter Sport‘ vorzunehmen, wenn mit der Anreise von so genannten Hooligans zu rechnen ist.“ Zitatende.

(Zuruf von Minister Lorenz Caffi er)

Meine Damen und Herren, genau diese Begründung für den Einsatz des AKLS hat das Bundesverfassungsgericht gerügt. Und da soll es keine direkte Beziehung zu unserem SOG geben? Ich weiß nicht. Anders formuliert, meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere SOGRegelung ist gar nicht so sehr verfassungskonform, es hat nur noch niemand geklagt.

Wir stimmen dem Antrag zu und bitten den Minister, in dem Prüfbericht detailliert darzulegen, welche der 185 Begründungsziffern des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes möglicherweise Änderungen unserer SOG-Regelungen erfordern.

Und zum Abschluss, sehr geehrter Herr Minister: Die Prüfung des Einsatzes im grenznahen Raum verwundert mich doch sehr, soll doch dort alles in Ordnung sein.

(Udo Pastörs, NPD: Ja.)

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Danke, Herr Ritter.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe dem Kollegen Ritter und seinen Ausführungen sehr genau zugehört. Ich habe es bedauert, Kollege Ritter, Sie haben zu einigen anderen Bundesländern hier etwas gesagt, Brandenburg fi el dort. Auch beim Kollegen Leonhard gab es Ausführungen zu anderen Bundesländern. Ich hätte gerne hier noch ein wenig gehört, wie denn die Regelung in Niedersachsen zu beurteilen ist, weil Niedersachsen, das ja auch eine gesetzliche Regelung zum Automatischen Kennzeichenlesesystem hat, ein Bundesland ist, bei dem die FDP immerhin mit in der Regierung sitzt. Da wäre es doch sehr interessant, wie denn dort die Regelungen ausgeprägt sind.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Na, das holen Sie jetzt nach. – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das holen Sie jetzt nach. – Toralf Schnur, FDP: Das können Sie uns ja jetzt erklären.)

Das fände ich zumindest einen sehr spannenden Aspekt, uns darüber mal auseinanderzusetzen, wie denn das in Niedersachsen mit liberaler Regierungsbeteiligung ausgeprägt ist.

(Gino Leonhard, FDP: Das holen wir nach, das holen wir nach.)

Vielleicht können Sie uns da ja informieren, Kollege Leonhard. Da wäre ich sehr gespannt drauf.

Nun, meine Damen und Herren, aber von diesem Seitenthema mal abgesehen: Ich denke, wenn wir uns den Antrag der FDP anschauen, dann hat er drei Punkte. Die Landesregierung möge überprüfen, die Landesregierung möge das Ergebnis der Überprüfung dem Landtag kundtun und die Landesregierung möge Vorschläge zur Änderung des SOG unterbreiten.

Wie wir gehört haben vom Minister, ist eine Prüfung weitgehend erfolgt. Es gibt einen wichtigen Aspekt, bei dem diese Prüfung nicht abgeschlossen ist, sondern noch läuft. Insofern ist der erste Punkt, die Landesregierung möge prüfen, einer, der ist beziehungsweise wird erfüllt.

Beim Punkt zwei, die Landesregierung möge berichten, hat der Innenminister über das, was geprüft ist, uns hier einen Bericht erstattet und er hat angekündigt, dass er über das, was noch zu prüfen ist, im Innenausschuss unterrichten wird, sodass wir alle dann daraus gegebenenfalls Konsequenzen ziehen können, wenn wir dies für nötig halten.

Und Ziffer drei, die Landesregierung soll uns gleich Vorschläge für eine Änderung des SOG machen,

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

da allerdings, denke ich, sollten wir zunächst einmal das Ergebnis der Prüfung abwarten

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

und dann beurteilen, ob eine derartige Änderung überhaupt notwendig ist.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das wäre eine gute Sache. – Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Ich ändere ein Gesetz nicht, wenn es dafür keine Notwendigkeit gibt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Also, meine Damen und Herren, der Antrag, den die FDP uns hier vorgelegt hat, ist in Teilen bereits erfüllt, in Teilen wird er erfüllt und in Teilen sollten wir uns überlegen, ob wir ihn erfüllen, heute jedenfalls nicht. Deswegen werden wir Ihren Antrag als überfl üssig ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Die Spanier sagen mañana.)

Danke, Herr Müller.