Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

(Reinhard Dankert, SPD: Aber kann.)

Die Koalitionsfraktionen aber wollen genau das Gegenteil.

Meine Damen und Herren, die Annahme des Antrages 5/1409 der Koalitionäre hätte aber erhebliche rechtliche Konsequenzen. Landesregierung und Landtag wären fortan gebunden an das Leitbild einer Kreisgebietsreform, wie es die Mehrheit der Enquetekommission weitgehend sachfremd hingebogen hat. Das könnte in der Tat dann das Ende der Reform bedeuten, bevor sie überhaupt begonnen hat.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Und ich vermute, dass diese Konsequenzen, die ich jetzt begründen möchte, auch den Koalitionsfraktionen durchaus bekannt sind.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat der Enquetekommission gegenüber folgende Erklärung abgegeben. Das hat in der Enquetekommission in der 16. Sitzung stattgefunden. Ich nenne die Punkte:

1. Zur Erarbeitung des Leitbildes hat die Landesregierung das Urteil des Landesverfassungsgerichts zum Verwaltungsmodernisierungsgesetz sehr genau ausgewertet und das Leitbild selbst dann daran ausgerichtet.

2. Um die Leitfunktion überhaupt erfüllen zu können, muss das Leitbild einer Kreisgebietsreform bestimmte Festlegungen enthalten.

3. Gegenüber der Aufl ösung bestehender Landkreise stellt – hören Sie gut zu – die Einkreisung bisher kreisfreier Städte einen geringeren Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung dar.

4. Der verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlungs- beziehungsweise Homogenitätsgrundsatz erfordert, für die Kreisgebietsreform bei den kreisfreien Städten konsequent dieselben Anforderungen zugrunde zu legen wie bei den Landkreisen.

5. Da diese Anforderungen durchgehend eingehalten wurden, sind Ziele, Leitbild und Leitlinien der Landesregierung für die Kreisgebietsreform ausdrücklich verfassungskonform.

So weit die rechtlichen Ausführungen der Regierung in der Enquetekommission.

Diesen aus Sicht der Landesregierung verfassungskonformen Reformansatz durchbricht nun die Kommissionsmehrheit. Ohne jegliche fachliche Begründungen soll nunmehr über die kleineren kreisfreien Städte anders

oder gesondert, auf alle Fälle außerhalb des Leitbildes entschieden werden.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, im Gesetzgebungsverfahren.)

Im Leitbild sollte hierbei auf sogenannte Vorfestlegungen verzichtet werden, denn für die Frage der Kreisfreiheit gelten angeblich andere Zusammenhänge.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, „andere Zusammenhänge“, „gesondert entscheiden“, „keine Vorfestlegungen“ und so weiter, dazu muss ich Ihnen die Rechtsauffassung der Landesregierung noch einmal deutlich benennen. Ich zitiere aus dem Protokoll der 16. Sitzung, Seite 15, wo klar die Aussage getroffen ist: „Weil eine Kreisgebietsreform homogene Strukturen schaffen (muss, sind) bei den kreisfreien Städten dieselben Anforderungen wie bei den Landkreisen zugrunde (zu) legen. Deshalb (muss) bei der Bildung von deutlich größeren Kreisen auch eine Einkreisung der kleineren kreisfreien Städte erfolgen.... Sobald man den Grundsatz der Homogenität nicht konsequent (einhält, wird) das Gesetz vor dem Landesverfassungsgericht nicht bestehen.“ Zitatende.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, das Gesetz. Wir sind aber noch gar nicht im Gesetzgebungsverfahren.)

Das ist ganz klar die Einschätzung der Landesregierung und genau an diesem Punkt stehen wir heute, Herr Ringguth und Herr Müller.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Nein, da stehen wir noch nicht.)

Hören Sie mir zu!

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Spätestens der Appell der sechs kreisfreien Städte an den Landtag, ihre Kreisfreiheit unter keinen Umständen anzutasten, muss als Abgesang an Ihre Reform verstanden werden. Das Gesangbuch dafür haben Sie geschrieben mit Ihren sachfremden und nicht willkürfreien Abänderungen an der Unterrichtung der Landesregierung.

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist es auch kein Widerspruch mehr, dass die Verwaltungsspitzen aus Wismar, Neubrandenburg und Rostock an einem Tag dem abgeänderten Leitbild in der Enquetekommission zustimmen können und am nächsten Tag einen Kreisfreiheitsappell verabschieden.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Auf der Grundlage des nun abgeänderten Leitbildes können die Kreisfreien tatsächlich für sich die Reform bereits als erledigt abhaken.

Ihr Problem, meine Damen und Herren Koalitionäre, wird nun sein, wenigstens den Landkreisen die Zahlen 175.000 oder 4.000 schmackhaft zu machen, denn begründen jedenfalls konnten und können Sie diese nicht, schon gar nicht mit entsprechenden Erkenntnissen aus der Enquetekommission.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Diesbezüglich hat die Enquetekommission den Homogenitätsgrundsatz sehr, sehr konsequent durchgehalten, denn sie hat sich gleichermaßen weder mit den kreisfreien Städten beziehungsweise deren Einkreisung noch mit den Landkreisen und Maßstäben ihrer Aufl ösung inhaltlich befasst. Auch deshalb ist der Zwischenbericht zurückzuweisen und auch der Antrag Ihrer beider Fraktionen abzulehnen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend Folgendes feststellen zur Situation, vor der der Landtag bezüglich einer Kreisgebietsreform am heutigen Tage steht, und das meine ich wirklich sehr ernst:

1. Ein konzeptioneller Gesamtrahmen ist sinnvoll und auch notwendig, muss aber inhaltlich deutlich untersetzt werden. Hieraus abgeleitet beziehungsweise hierauf basierend, sind die Maßstäbe und Grundlinien einer Kreisgebietsreform zu entwickeln. Hier ist bisher eine falsche Schrittfolge zu verzeichnen und der Reformwille verliert dadurch erheblich an Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

2. Vor dem Hintergrund des Urteils zum Verwaltungsmodernisierungsgesetz, insbesondere den dort skizzierten Anforderungen an Reformkonzeptionen, ist das von der Enquete abgeänderte Leitbild für eine Kreisgebietsreform unbrauchbar gemacht worden. Das endgültige Aus beziehungsweise der Dolch für das Leitbild der Landesregierung ist allerdings mit dem sehr versteckten Punkt 3 des Koalitionsantrages auf Seite 17, dem so genannten Müller-Papier verpackt,

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

wo es heißt, ich zitiere: „Der Landtag hält die Zahlen über Fläche und Einwohner... für...größen, die auf dem jetzigen Stand basieren“. Sollte das beschlossen werden, Herr Müller, hätten wir ein Leitbild ohne Leitfunktion, einen Kompass ohne Nadel. Jeder weitere Reformschritt wäre ab morgen ohne Maßstäblichkeit und somit willkürlich.

3. Der Landtag kann den Koalitionsantrag mit Mehrheit beschließen und damit selbst die Verantwortung für das Leitbild einer Kreisgebietsreform beziehungsweise das, was davon übrig ist, übernehmen. Er entlastet damit die Enquetekommission, ohne deren Abschluss geprüft zu haben, und belastet sich für das weitere Verfahren in unverantwortlicher Art und Weise. Das ist dann nicht mehr fahrlässiges, sondern vorsätzliches Verschulden, denn auch dem Landtag ist die rechtliche Bewertung durch die Landesregierung nicht mehr unbekannt.

Ein auf dem derart abgeänderten Leitbild basierendes Kreisgebietsreformgesetz hat vor dem Landesverfassungsgericht keinen Bestand.

(Marc Reinhardt, CDU: Damit kennen Sie sich aus. – Zuruf von Peter Stein, CDU)

Nur, meine Damen und Herren, dieses Mal steht die Erkenntnis am Anfang

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Das ist richtig.)

und wir können ein entsprechend böses Ergebnis vorausahnen. Sprechen Sie sich deshalb gegen den Koalitionsantrag aus und damit für eine Reform in unserem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Měšťan.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Müller. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Měšťan, Sie haben einleitend sich etwas unwohl gezeigt, dass der Kollege Ringguth so auf Ihr Papier eingegangen ist. Wenn Sie hier einen Antrag einbringen, dann müssen Sie dem Landtag auch gestatten, dass er zu diesem Papier etwas sagt

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das wollen wir sogar.)

und in diesem Sinne möchte ich jetzt einige Dinge anmerken.

Zunächst einmal, Sie haben Punkt 1 c Ihres Papiers zurückgezogen. Ich stelle fest, zumindest insoweit gehen wir noch anständig miteinander um. Ich fi nde das in Ordnung, ich begrüße das.