Protokoll der Sitzung vom 04.07.2008

Die ziffernweise Abstimmung über diesen Antrag hatte ich bereits beantragt.

Ich möchte Ihnen vielleicht zum Abschluss noch ein Zitat vortragen. Der Herr gerät nicht in den Verdacht, Sozialdemokrat zu sein, er ist nämlich ein Liberaler, und zwar Gerhard Baum. Er hat einmal anlässlich der aktuellen Diskussion um die Onlinedurchsuchung des Staates Folgendes gesagt: „Es gibt Situationen, wo der Staat nicht wissen darf, was ihm möglicherweise helfen würde.“ Ich glaube, das charakterisiert die Breitbandigkeit dieses Themas, die Schwierigkeit dieses Themas und den Widerspruch zwischen berechtigten Sicherheitsinteressen und dem notwendigen Schutz der Persönlichkeitsrechte. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Dankert.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs von der NPD.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Telekom, einst als Staatsbetrieb Volkseigentum, ist im Kapitalismus angekommen. Das kann man nicht nur an den Skandalen der vergangenen Jahre beispielsweise im Zuge des Börsengangs unter Aaron Sommer ablesen. Als weltweit agierender Konzern im Bereich der Telekommunikation sitzt die Telekom auch an der Quelle höchst interessanter Daten.

Erhoben werden diese Daten nicht aus Langeweile, sondern weil Sie, meine Damen und Herren, im Schulterschluss mit Ihren Parteioberen auf Bundesebene höchst zweifelhafte Gesetze und Verordnungen zur Überwachung der eigenen Bevölkerung erlassen haben. Dass die Telekom schon vor dem Inkrafttreten der BAW-Stasiüberwachungsgesetze ihre eigenen Mitarbeiter, vermeintliche Eindringlinge in die Rechnersysteme des Konzerns, sogenannte Hacker, und Journalisten bespitzelte, ist gängige Praxis in dieser BRD-Demokratur, ebenso wie sie es in der DDR war. Überwachungskameras fin

den wir heute fast auf allen öffentlichen Plätzen in größeren Städten. Und das ist zur Kriminalitätsaufklärung an Brennpunkten sicher sinnvoll.

Wo der Spaß aufhört, ist, wenn Unternehmen und Behörden rechtswidrig ihre Angestellten, Lieferanten oder Kunden regelrecht gläsern machen. Es ist zu befürchten, dass die jüngst bekannt gewordenen Bespitzelungen in Großbetrieben wie Telekom, Lidl und anderen Unternehmen nur die Spitze eines Eisbergs darstellen. Schon ist angedacht, die Reisepässe der Menschen mit einem Chip zu versehen, von dem sich die persönlichen Daten spielend leicht auslesen lassen. Wir brauchen aber gar nicht auf die Bundesebene zu schwenken, denn die Kennzeichenüberwachung und die Ausweitung des Polizeigesetzes haben Sie hier in diesem Parlament beschlossen. Und dem Innenminister geht das noch nicht weit genug. Der aus seinen NPD-Verbotsträumen Erwachte unterstützt nun vorbehaltlos die Forderungen nach Totalüberwachung unserer Menschen, die sein CDU-Parteifreund Schäuble bekanntlich möglichst schnell durchsetzen will. Der große Bruder à la George Orwell lässt grüßen!

Die NPD begrüßt den Antrag. Wir sind jedoch der Meinung, dass Sie, meine Herrschaften der Linksfraktion, den Bock zum Gärtner machen, indem Sie diesen Antrag vorlegen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach so, ja?!)

Während Sie hier wieder einmal die Meinungs- und Pressefreiheit zu schützen vorgeben, würden Sie doch gerne, Professor Methling und Genossen,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Die Rede hätte ich auch schreiben können. Ich wusste ja schon, was da kommt.)

am liebsten jedem Nationaldemokraten eine Überwachungskamera nebst entsprechender Wanze in alle Zimmer installieren lassen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So wichtig sind Sie auch nicht. – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Ja, ja, Herr Koplin, alias „IM Martin“, in diesen Dingen kennt sich die ganze LINKE bestens aus. Nein, aber nicht nur die LINKEN heucheln hier. Laut „Süddeutsche Zeitung“ vom 28. Juni 2008 will der CDU-Bundesinnenminister jedem Bürger des Landes bei der Geburt eine persönliche Identifikationsnummer zuteilen.

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

In einem Zentralrechner sind dann sozusagen von der Wiege bis zur Bahre alle Informationen für den Staat zusammengefasst.

(Raimund Borrmann, NPD: Bis zur Verbrennung.)

Dass die Verbindungsdaten aller Bürger im Fernmeldewesen ohne Verdacht schon gespeichert sind und dass dies in der Bevölkerung nicht zum Aufschrei führt, ist ein Zeichen von Resignation und Schwäche gegenüber einem Überwachungsstaat, der auf Pantoffeln daherschleicht, meine Damen und Herren.

Aus Zeitgründen bleibt mir nur noch zu erwähnen, dass mir, als ich den Antrag der LINKEN las – ich komme zum Ende – die Worte einfielen: Tyrannen sind in unseren Tagen die gefährlichsten Freiheitsprediger.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Danke.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wir haben uns zu unserer Vergangenheit bekannt. – Udo Pastörs, NPD: Und damit haben Sie sich reingewaschen, glauben Sie?! – Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, und Udo Pastörs, NPD)

Meine Damen und Herren, es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Ringguth von der CDU. Verzeihung, es ist Herr Lietz von der CDU.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich damit beginnen, dass meine Vorredner schon alles gesagt hätten zu diesem Thema. Aber erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, dass ich Sie noch einmal zurückbringe auf die Ausführungen sowohl von Ihnen, Frau Borchardt, als auch von Ihnen, Herr Dankert und Herr Leonhard, die sehr ausführlich zum Thema und zur Sache gesprochen haben, nämlich zum Antrag der LINKEN, der sich mit dem TelekomAbhörskandal in erster Instanz beschäftigt.

Meine Damen und Herren, der Artikel 10 des Grundgesetzes schützt das Fernmeldegeheimnis. Ich möchte Ihnen sagen, dass nicht nur ich, sondern auch die Mitglieder meiner Fraktion klar und deutlich die Machenschaften, sollten sie sich bewahrheiten, auf das Schärfste verurteilen. Niemand hat das Recht, seine Mitarbeiter, auch nicht leitende Angestellte abzuhören. Schon gar nicht darf in die Pressefreiheit eingegriffen werden. Die Vorwürfe gegen die Deutsche Telekom müssen von den zuständigen Behörden schnell und gründlich aufgeklärt werden. Darüber hat Herr Minister Caffier ausführlich berichtet.

Meine Damen und Herren, genau aber diese Aufklärung ist jetzt abzuwarten. Vorschnelle Forderungen nach einer Verschärfung der Datenschutzgesetze sind zurzeit völlig fehl am Platz. Wenn sich diese Vorwürfe bewahrheiten, verstoßen die Verantwortlichen mit ihrem Verhalten bereits heute gegen geltendes Recht.

(Udo Pastörs, NPD: Das stört die wenig, wie man sieht.)

Gesetzesänderungen kommen erst dann in Betracht, wenn sich die geltenden Vorschriften als nicht ausreichend erweisen und dem Gesetzgeber keine geeigneten Mittel zur Verfügung stehen, um künftigen Missbrauch zu verhindern. Das geht aber erst, meine Damen und Herren, wenn zweifelsfrei erwiesen ist, dass diese Verstöße zutreffen und vor allen Dingen Gesetzeslücken bestanden haben.

Am 1. Januar dieses Jahres, meine Damen und Herren, trat das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG in Kraft. Darin werden Telekommunikationsmitarbeiter und vor allem die Anbieter verpflichtet, Verkehrsdaten ihrer Kunden, Standortdaten und eindeutige Geräteidentifikationen für mindestens sechs und maximal sieben Monate zu speichern, damit Polizei und Nachrichtendienste darauf zugreifen können. Das Bundesverfassungsgericht wird über die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung voraussichtlich im nächsten Jahr entscheiden. Bis dahin sollte man sich einer rechtlichen Bewertung enthalten.

Was die Onlinedurchsuchung betrifft, ist meine Meinung klar: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung war überfällig, denn der internationale Terrorismus macht nicht an

unseren Ländergrenzen halt. Und wenn man zum Beispiel befürchten muss, dass Anschläge in München geplant, in Stuttgart vorbereitet und vielleicht in Hamburg ausgeführt werden sollen, reichen die Kompetenzen der Länderpolizeien zu unserem Schutz nicht mehr aus. Wenn sich Terroristen zunehmend der Anonymität des Internets bedienen, darf unsere Polizei nicht bei der Überwachung des Briefverkehrs stehen bleiben. Deswegen soll das Bundeskriminalamt unter strengen rechtsstaatlichen Voraussetzungen und grundsätzlich nur auf richterliche Anordnung zur Abwehr dieser Gefahren auf informationstechnische Systeme zurückgreifen können.

Wie bei der akustischen Wohnraumüberwachung wird der Normalbürger nicht von der Onlinedurchsuchung betroffen sein. Ich erinnere daran, 2005 gab es sechs, 2006 zwei akustische Wohnraumüberwachungen,

(Michael Andrejewski, NPD: Soweit wir wissen. Soweit wir wissen.)

und das bei 46 Millionen Haushalten. Wer vor diesem Hintergrund von einem drohenden Überwachungsstaat spricht, der verkennt, dass die Gefahr von zu allem entschlossenen Terroristen ausgeht und nicht von rechtsstaatlich abgesicherten Maßnahmen, die einen lückenlosen Schutz der Grundrechte gewährleisten.

Meine Damen und Herren, ich beantrage für meine Fraktion, wie bereits auch von den Koalitionspartnern genannt, die getrennte Abstimmung der Antragspunkte. Sollten Sie, meine Damen und Herren von der LINKEN, diesem Antrag nicht zustimmen, werden wir den Antrag in Gänze ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Lietz.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann also festhalten, dass die Regierungskoalitionen dem Punkt 1 unseres Antrages zustimmen, den Punkt 2 hingegen ablehnen. Ich möchte hier mitteilen, dass wir einer getrennten Abstimmung zustimmen, aber eine Überweisung in den Ausschuss ablehnen.

(Udo Pastörs, NPD: Windelweich.)

Ich will noch drei Sätze sagen. Ich möchte deutlich machen, dass ich froh darüber bin, dass sowohl Herr Dankert als auch Herr Lietz noch einmal darauf aufmerksam gemacht haben, dass hier eine Rechtsverletzung und kein Kavaliersdelikt vorliegt. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig, auch aus diesem Hause diese Botschaft zu überbringen,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

denn wir können nicht auf der einen Seite hinter allen Rechtsverletzungen, hinter allen kleinen Rechtsverletzungen sozusagen Rechtsstaatlichkeit beziehungsweise ein Maß an Rechtsstaatlichkeit anlegen und in diesem Fall so lasch darüber hinweggehen. Ich sage es auch ganz deutlich an die Adresse des Innenministers, denn diese Deutlichkeit habe ich leider in Ihrer Rede vermisst.

(Egbert Liskow, CDU: Wir haben sie gehört.)

Ich möchte …

Ja, Sie hören ja immer alles. Sie hören auch manchmal das Gras wachsen, wo gar keines wächst.

Zweitens will ich sagen, die Selbstverpflichtung der Wirtschaft scheint eben nicht hinzuhauen. Das mag unterschiedliche Ursachen haben. Von mir aus kann man deutlich …

(Minister Lorenz Caffier: Das müssen Sie Herrn Neumann erzählen und nicht mir.)

Es geht ja nicht nur darum, dass Herr Neumann hier in irgendeiner Weise in Kritik geraten ist. Das ist doch gar nicht die Frage.