Können Sie sich vorstellen, dass ich schon eine gewisse Erfahrung habe, wenn man nicht im Überfluss lebt. Da braucht man, glaube ich, keine spektakulären Presseaktionen zu machen und zu sagen,
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Man muss nicht arm sein, um für Arme zu handeln. – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, Michael Andrejewski, NPD, und Raimund Borrmann, NPD)
Man sollte sich die Fragen genau vor Augen führen, um auch zu klären, welche Gruppe wir greifen müssen. Welche Auswirkungen haben die Wohnverhältnisse? Wie ist das, wenn ich aus der Schule nach Hause komme und überhaupt keinen Platz habe für die Schularbeiten, keinen einzigen? Ich habe nichts Eigenes. Es geht um solche Dinge und natürlich auch – was wir alle ja wissen, aber wo man genau hinschauen muss – um die schulische Ausbildung der Eltern und um den sozialen Status der Eltern.
In Eggesin habe ich in einer Runde mit den Jugend- und Schulsozialarbeitern geredet. Es drohte ein bisschen in die Richtung zu gehen, denn sie sagten: Hier gibt es ja gar keine Chancen. Bis ich konkret nachgefragt habe, worauf mir Folgendes gesagt worden ist: Von den Schulabgängern der letzten fünf Jahre haben vielleicht zwei im Schnitt in der Region – großgezogen, vielleicht 20 Kilometer – eine Ausbildungsstelle gefunden. Im letzten Jahr waren es 50 Prozent und es werden, das wissen wir, im nächsten Jahr 100 Prozent sein können, weil wir einen dringenden Bedarf haben.
und nicht verneinen, bitte auch nicht aus politischen Gründen, dass es deutlich aufwärts geht, dass es besser wird. Darüber sollten wir uns freuen und genau hinschauen, wie können wir solche Prozesse verbreitern und alle daran teilhaben lassen. Ich bitte um mehr Optimismus.
Ganz wichtig ist natürlich auch die Frage, und das betrifft mich als Gesundheitsminister, was ist mit dem Gesundheitszustand der Kinder? Wie weit ist der Gesundheitszustand von den äußeren Bedingungen abhängig? Armutsrisiko von Kindern mit Migrationshintergrund, das mag bei uns im Land vergleichsweise eine ganz kleine Gruppe sein,
aber ich fürchte, dass die Probleme deshalb vielleicht besonders groß sind. Das muss man sich genau anschauen, um zu klären, in welchen Bereichen das so ist.
Unser Hauptaugenmerk bei diesem Bericht liegt darin – und das ist eine Änderung, die wir auch machen wollen –, wir wollen genauer erfassen, und zwar stadtteilgenau, wo wir Probleme haben, und sonst gemeindegenau, wo wir in einem Landstrich Probleme haben und wie die genauen Voraussetzungen sind.
Jetzt gibt es die zweite Melodie, die von der LINKEN immer gespielt wird: Der Sozialminister ist zu langsam, er kommt nicht rüber.
Ich habe Ihnen hier gesagt, wir können diesen Bericht, den wir haben wollen, der sehr weitgehend und dezidiert sein muss, nicht in Auftrag geben, bevor nicht die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen sind. Das war Anfang des Jahres. Danach haben wir Gespräche geführt, auch mit den Politikern der Koalition, wo wir gesagt haben, das, was uns vorschwebt, muss noch
genau ausdiskutiert werden. Wir haben Kontakt aufgenommen mit den Instituten, uns rückgekoppelt. Und jetzt tun wir das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, wir setzen uns natürlich mit dem auseinander, was der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung sagt, was er allgemein sagt, was er für Mecklenburg-Vorpommern sagt. Und man muss sagen, das sind Zahlen, mit denen man arbeiten und spielen kann.
Frau Müller, Sie haben völlig recht mit Ihrem Hinweis. In diesem Zusammenhang ist der Begriff „spielen“ völlig falsch. Sie verstehen es aber hoffentlich richtig, was ich meine, dass man es nämlich mal so und mal so deuten kann. Man kann aus diesen Zahlen errechnen, dass das Armutsrisiko von Kindern in Mecklenburg-Vorpommern besonders hoch ist,
dass wir sozusagen an der Spitze liegen. Wenn Sie das auf das Land berechnen, dann nehmen wir einen deutlich besseren Platz ein, dann haben wir das zweitniedrigste Kinderarmutsrisiko in Deutschland.
Es geht um eine ganz einfache Frage: Worin besteht Armut? Armut besteht darin, dass ich weniger Geld habe als der Durchschnitt.
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber das ist es doch nicht alleine. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)
Es geht auch darum, dass ich mich fragen muss, wenn ich weniger Geld habe als der Durchschnitt, ob ich dann trotzdem an der Gesellschaft, in der ich lebe, teilnehmen kann. Es geht aber auch darum, womit ich mich vergleiche. Vergleiche ich mich mit Bayern oder vergleiche ich mich mit den übrigen Kindern in Mecklenburg-Vorpommern?
(Irene Müller, DIE LINKE: Deswegen habe ich das ja gesagt. Und weil Ihnen die Zahlen nicht passen, machen Sie das mit Mecklenburg-Vorpommern.)
Man muss sagen, dass bei Kindern in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu dem, was sonst im Land passiert, das Armutsrisiko das zweitniedrigste in Deutschland ist.
Das muss man auch einmal so sehen. Das sagt etwas über das innere Gefüge dieses Landes aus, aber leider auch über das Lohnniveau. Da wollen wir insgesamt höher kommen, das ist völlig klar.
Ich will damit nur deutlich machen, Sie müssen sich klarmachen, dass das Zahlenmaterial das eine ist, mit dem man so und so rechnen kann. Es sind alles nur Verhältnisse zueinander. Und die wichtige politische Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wie sieht es denn dort aus, wo diese Menschen, die 40 Prozent unter dem Median im Land liegen, leben? Gibt es da Konzentrationen in Stadtteilen, wo man mit besonderen Maßnahmen eingreifen muss? Das werden wir prüfen. Wir werden Ergebnisse haben, auf denen man aufbauen kann. Das kann man nicht übers Knie brechen.
Ihr Fraktionsvorsitzender hat eben gesagt, er möchte den Familienkonvent in die Ausschüsse überweisen. Er hat ein wenig ironisch gesagt: Warum denn noch darüber reden? Also beim Familienkonvent möchte ich in der Tat sagen, dass nicht mehr darüber geredet werden muss. Aber bei der Frage, wie soll im Einzelnen eine Untersuchung aussehen, die all diese wichtigen Fragen beantwortet, darüber muss man noch reden. Deshalb dauert es noch einige Zeit und der Bericht wird nicht vor Anfang des Jahres 2009 vorliegen können. Das geht leider nicht anders. – Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist ja normal. Aber es wäre gut, wenn es bis dahin geschieht.)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die ideologische Art und Weise, wie der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zustande kam und methodisch bearbeitet wurde, zeigt, dass der Armutsbericht künftig nicht mehr von der Bundesregierung durchgeführt werden sollte. In Zukunft sollte ein unabhängiges Sachverständigengremium, entsprechend dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, einen sachlichen Bericht erstellen.
Die Kernaussage des Sozialstaates wird durch den Bericht nachhaltig widerlegt. Vielmehr zeigt sich, dass die Methode, Sozialpolitik mit dem Scheckbuch zu betreiben, gescheitert ist.
Der Bericht ist von Hinweisen durchzogen, wie die Bundesregierung angeblich erfolgreich Armut bekämpft. Das Gegenteil ist der Fall. Seit 1998 steigen die gesamten staatlichen Sozialausgaben – das Sozialbudget – von 605 Milliarden auf 700 Milliarden Euro jährlich.