Protokoll der Sitzung vom 24.09.2008

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Hier heute in gekränkter Eitelkeit zu sitzen und zu sagen, uns hat ja vorher keiner gefragt, das ist zu dünn.

(Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Ute Schildt, SPD)

Und weil der Satz so unglaublich ist, möchte ich mit dem noch mal schließen, Herr von Storch, verzeihen Sie es mir: Wir Liberalen brauchen die Öffentlichkeit, wir sind da anders als Sie.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, und Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Vielen Dank, Herr Roolf.

Ich schließe die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/1707 zur Beratung an den Europa- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? –

(Volker Schlotmann, SPD: Nach der Rede schon gar nicht mehr!)

Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion der FDP, der LINKEN und der NPD sowie Gegenstimmen aus den Fraktionen der SPD und CDU abgelehnt.

Gemäß Paragraf 48 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung wird der Gesetzentwurf spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung auf die Tagesordnung gesetzt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion der NPD – Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 5/1786.

Gesetzentwurf der Fraktion der NPD: Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes MecklenburgVorpommern (Landesverfassungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern – LVerfG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 5/1786 –

Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Herr Andrejewski.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Ich weiß auch nicht, wie das kommt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In diesem sogenannten Hohen Hause kommt in jedem Satz mindestens einmal das Wort „Demokratie“ vor und mindestens zweimal die Vokabel „Rechtsstaatlichkeit“, gerade eben aber auch der Satz: „Wir brauchen keine Öffentlichkeit.“ Das war mal ehrlich, ausnahmsweise. Was die Demokratie angeht – und das wissen Sie selbst –, so ist es damit in dieser Republik nicht weit her. Dies „Bananenrepublik“ zu nennen, ginge nicht, weil das Verunglimpfung des Staates wäre, was mich übrigens darauf bringt, dass schon vor drei Monaten Strafanzeigen gestellt wurden gegen einen Juso-Vorsitzenden, der die deutsche Flagge ins Klo gestopft, dann fotografiert und ins Internet gestellt hat. Das müsste ganz klar Verunglimpfung des Staates sein, aber die Staatsanwaltschaft ist wohl unbekannt verzogen und stellt sich tot. Wahrscheinlich kommt dabei gar nichts raus.

Heute wollen wir mal etwas gegen den schlechten Ruf der Parlamente machen, über den gerade gewehklagt wurde. Meine Fraktion hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, mit dem wir die Direktwahl des Ministerpräsidenten in der Landesverfassung verankern möchten. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, aber wir Nationaldemokraten sind der Auffassung, dass die mittlerweile zur Normalität gewordenen Machtspiele der Ministerpräsidenten in den deutschen Bundesländern einen solch grundsätzlichen Systemwechsel zwingend erforderlich machen. Seit Jahren immer dasselbe Spiel: Ein Vertreter der sogenannten Volkspartei lässt sich im Landtagswahlkampf zum Spitzenkandidaten aufstellen und wird nach gewonnener Wahl zum Ministerpräsidenten gekürt. Mitten in der Legislaturperiode wird dann aus heiterem Himmel der Rücktritt erklärt und zugleich ein Nachfolger aus der Versenkung auf die politische Bühne gezaubert. Seine Wahl zum Regierungschef ist dann eine reine Formsache. Dieses Prozedere wurde in den vergangenen Jahren in der Hälfte aller Bundesländer durchexerziert. Ich erinnere an Schröder und Glogowski in Niedersachsen, Lafontaine und Klimmt im Saarland, Teufel und

Oettinger in Baden-Württemberg, Stoiber und Beckstein in Bayern, Milbradt und Tillich in Sachsen sowie jetzt bei uns Herr Ringstorff und Herr Sellering.

Die Gründe dafür, dass ein bundesrepublikanischer Ministerpräsident seinen Sessel freiwillig räumt, sind oft sehr unterschiedlich. Herr Ringstorff ist an der 5-Prozent-Klausel auf Rügen gescheitert und da wurde die Notbremse gezogen. Andere stolpern über peinliche Affären, Korruption, Vorteilsnahmen und Vetternwirtschaft, wieder andere haben sich schlicht und ergreifend so die Taschen vollgestopft, dass sie des Theaterspielens überdrüssig das Weite suchen – allerdings besser versorgt als die meisten Schauspieler. Und schließlich gibt es auch noch diejenigen, die angesichts totaler Unfähigkeit völlig entnervt das Handtuch werfen und wie schon gesagt mit Anspruch auf Staatspension ins süße Privatleben entschwinden. Dass gerade diese Praxis in den vergangenen Jahren der breiten Öffentlichkeit mehr bekannt wurde, mag nicht zuletzt auch auf den Einzug der NPD in zwei mitteldeutsche Landtage zurückzuführen sein.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie schaffen Klarheit!?)

Dieses Ämterkarussell, meine Herrschaften, und wir sind noch da, ist ein komfortables Mittel abgehalfterter Politbonzokraten, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Mit Demokratie und Volkssouveränität haben solche Taschenspielertricks allerdings rein gar nichts zu tun. Als Rechtfertigung für diese machtpolitischen Umtriebe verklickert man, so nennt das der CDU-Mann Timm, dem Bürger immer wieder, der Regierungschef wird vom Parlament gewählt und weil dieser ja vom Volk legitimiert sei, sei alles in bester demokratischer Ordnung. Für die Blockparteien ist das ja auch so, man sieht es am Geschacher um neue Ministerposten bei den SPDGenossen in den letzten Wochen, bei dem die unwahrscheinlichsten Kandidaten zum Vorschein kommen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Doch mit dieser Erklärung täuschen Sie das Wahlvolk. Für den Ministerpräsidenten, der im Wahlkampf auch als Spitzenkandidat seiner Partei ins Rennen gegangen war, mag diese Erklärung mehr oder weniger zutreffen, denn die Bürger haben seine Partei meist nur deshalb gewählt, damit er später Ministerpräsident wird. Das war Ihre Meinung, warum auch immer. Dieser Kandidat war ja eventuell für ein paar Wochen bürgernah im Wahlkampf, hat sich auf Veranstaltungen vorgestellt und vielleicht das persönliche Gespräch gesucht – kurz, er ist den Bürgern bekannt und durch die Stimmen für seine Partei auch als vom Parlament gewählter Regierungschef ausreichend durch das Volk legitimiert, lässt man die immer geringere Wahlbeteiligung einmal außer Betracht. Verlässt aber einer – wie jetzt Herr Ringstorff – das marode Schiff noch nicht einmal auf halber Wegesstrecke, stellt sich die Frage, wie es um die Legitimation seines Nachfolgers bestellt ist, der vom scheidenden Amtsinhaber zunächst seiner Partei und alsbald dem Landtag vorgesetzt wird. Noch haben wir hier nicht das Prinzip der Adoptivkaiser übernommen.

Meist sind designierte Nachfolger nicht großartig in Erscheinung getreten oder wenn, dann negativ, indem sie das Blindengeld als Erstes zusammenkürzen wollen. Viele Wähler hätten der SPD bei der Landtagswahl vielleicht gar nicht ihre Stimme gegeben, wenn sie gewusst

hätten, dass Herr Sellering kurze Zeit später das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen und was er dann als Erstes tun würde. Demgegenüber könnte eine Direktwahl des Ministerpräsidenten, so meinen wir, durch das Volk die Demokratie gleich in mehrfacher Hinsicht stärken. Zum einen würde die unmittelbare Beteiligung der Bürger an der Wahl des Regierungschefs das Politikinteresse im Volk befördern und helfen, der berechtigten allgemeinen Politikverdrossenheit, für die Ihr BRD-Parteiensystem verantwortlich ist, entgegenzuwirken. Alles kann man uns ja nicht in die Schuhe schieben. Zum anderen stiege die Akzeptanz des Ministerpräsidenten bei einer Direktwahl enorm, denn dieser würde nicht mehr ohne Volkes Stimme durchgewunken, sondern könnte sich auf eine originäre Legitimation durch das Staatsvolk, den Souverän, der er sein sollte, berufen.

Schließlich hätten die erwähnten Machtspielchen und Politikkungeleien, mit denen in schöner Regelmäßigkeit am Wahlvolk vorbei ein neuer Regierungschef installiert wird, endlich ein Ende. Tritt der Ministerpräsident zurück, kann er nicht mehr einfach einen persönlich ausgewählten Nachfolger einsetzen oder einen, der gegen seinen Willen eingesetzt wird, sondern dieser muss sich stets dem Votum des Volkes stellen. Das wäre wirkliche Demokratie oder wenigstens ein Hauch davon.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Und wie sagte ein prominenter SPD-Genosse seinerzeit zutreffend: Wir müssen „mehr Demokratie wagen“. Und wo Willy Brandt recht hatte, da hatte sogar er recht. Nehmen Sie ihn doch einfach beim Wort. Die Ausgrenzung des Souveräns von politischen Entscheidungsprozessen …

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich denke, er ist ein Spion gewesen.)

Aus Versehen kann jeder mal recht haben.

… hat in dieser BRD, aber auch in der gesamten EURechtsetzung, längst oligarchische Züge angenommen.

Im Einbürgerungstest für Ausländer würde ich wahrscheinlich durchfallen. Da muss man ankreuzen: Was ist die Bundesrepublik Deutschland? Ist sie eine Demokratie, Monarchie oder Oligarchie? Ich würde natürlich Oligarchie ankreuzen. Und jeder, der das ankreuzt, ist wenigstens ehrlich, hat den Durchblick und den größeren Anspruch auf Einbürgerung.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie hätten doch noch ein paar Semester studieren sollen!)

Ja, ich studiere jetzt die Realität.

(Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Immer unverfrorener greift dieser Parteienstaat in die Privatsphäre seiner Bürger ein, ohne hinreichend erklären zu können, warum so vorgegangen wird. Die gesamte politische Klasse wird zunehmend vom Volk als parasitär empfunden. War es früher immerhin so, dass die Menschen im Lande noch zwischen zwei zumindest unterschiedlichen Parteien wirklich wählen konnten – auf der einen Seite wirklich noch eine nationalkonservative CDU, ganz früher, und auf der anderen Seite Sozialdemokraten wie Schumacher, die den Namen wohl noch verdienten –, ist es heute so, dass man es mit einem Parteienkartell zu tun hat, einem Kartell der Selbstsucht, wo man wirklich

nicht weiß, ist Herr Sellering wirklich noch Chef der Sozialdemokraten oder von welchem Verein auch immer.

Sie, meine Herrschaften, haben das Volk als nützlichen Idioten eingestuft. Am perfidesten ist hier DIE LINKE mit von der Partie. Ihr Vorturner, Herr Lafontaine, der jetzt von Helmut Schmidt mit Hitler verglichen wurde, wofür ich einmal aus dem Landtag geflogen bin,

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

aber Helmut Schmidt hat wohl mehr Rechte...

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Gott sei Dank. Da kann er wirklich froh sein, dass er hier nicht sitzt.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Weil er hier nicht rauchen kann.)

Lafontaine …

Ja, genau, das auch.

Lafontaine hat den Auftrag, Protestwählerstimmen von Rechts abzuleiten. Und überall, wo diese linke Gruppierung wiederholt in Regierungsverantwortung stand, hat sie gnadenlos den kleinen Leuten mit das Fell über die Ohren gezogen. In Berlin ist sie mit dafür eingetreten und hat eine Mitverantwortung für eine Kürzung des Blindengeldes.

In Anbetracht der gesamtpolitischen Entwicklung halten wir es für eine große Chance, den Wählern wenigstens die Möglichkeit zu geben, die Personen, die das Volk repräsentieren sollen, auch selbst auswählen zu können. Das würde auch bei der Direktwahl des Ministerpräsidenten die Realität im Lande mit der Forderung des Grundgesetzes Artikel 28 Absatz 1 in Übereinstimmung bringen. Hier heißt es: Alle Bürger unseres Landes können ihre Abgeordneten frei und unmittelbar wählen. Wir alle wissen, dass dem nicht so ist. Hier ist die Demokratie so indirekt, dass man sie kaum noch sieht.

Also, liebe Demokratiefreunde, machen wir den Anfang und sorgen wir dafür, dass die Ministerpräsidenten direkt vom Volk gewählt würden. Das würde zwar für Sie nicht dazu führen, sich selbst am eigenen Schopf ein bisschen aus Ihrem Politsumpf herausziehen zu können, jedoch wenigstens dem Volk ein direktes Mitspracherecht einräumen. Was wir brauchen, ist eine legale Revolution – schön im Rahmen der Gesetze und auch des Grundgesetzes, das geht sogar, weil die Entfernung vom Grundgesetz so groß wäre, dass eine Rückkehr eine Revolution bedeutet –, und dorthin ist die Direktwahl der Ministerpräsidenten ein erster sinnvoller Schritt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion beantrage ich, obwohl das nichts bringt, die Überweisung des Gesetzentwurfs in den Europa- und Rechtsausschuss. Ha, ha! Das wird sowieso abgelehnt. Das ist klar.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wollen Sie keine namentliche Abstimmung? – Dr. Armin Jäger, CDU: Machen Sie doch eine namentliche Abstimmung!)