Protokoll der Sitzung vom 25.09.2008

Das ist kühn, ich weiß. Aber die Realität gibt mir recht, schreibt Frau Dr. Linke.

In Mecklenburg-Vorpommern hat der Fonds seine langen Schatten bereits vorausgeworfen. Zum Zwecke der schnelleren Entschuldung hat die AOK Mecklenburg-Vorpommern schon im vergangenen Jahr die durchschnittlichen Beitragssätze auf 15,8 Prozent erhöht.

(Michael Roolf, FDP: Genauso, genauso. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Jetzt zu sagen, es wird ein Absenken geben,

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

und das dann auch noch unter vagen Vermutungen, ist natürlich sehr abenteuerlich.

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

Diese Kasse liegt mit anderen Kassen damit bundesweit an der Spitze. Für eine Kasse, deren Mitglieder zu den einkommensschwächsten in Deutschland gehören, war das eine sehr einschneidende Maßnahme. Ich darf in Erinnerung rufen, dass das durchschnittliche Jahres einkommen in Mecklenburg-Vorpommern fast 4.000 Euro unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Fraglich ist, Herr Minister, ob Sie tatsächlich die reale Situation der Versicherten im Land kennen.

(Michael Roolf, FDP: Bis heute nicht.)

Diese Frage stelle ich.

Ich komme jetzt noch einmal, und das tue ich gern, auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Roolf und Grabow zurück. Anders als im Januar 2007 wirken die Antworten, die Sie hier für die Landesregierung zu den Auswirkungen der Fondseinführung geben, das möchte ich einmal sagen, hier recht kleinlaut. Sie zitieren Gutachter, die auch nicht richtig wissen, was der Fonds bringen wird, und erklären dieses Ungewisse dann damit, dass – wörtlich – „die Gutachter ausdrücklich darauf hinweisen, dass sie sich auf Modellrechnungen auf Basis von plausiblen Annahmen und mathematischen Gleichungs systemen stützen, jedoch zahlreiche zentrale Daten noch nicht in regionaler Abgrenzung vorliegen und sich deshalb auch andere Werte ergeben können.“ Das ist hier vorhin auch noch einmal in Bezug auf das Gutachten, das wir tatsächlich nicht vorliegen haben aus dem Juli dieses Jahres, geschehen.

Die Gutachter sind Wissenschaftler. Sie stützen sich auf Modelle und werden mit derartigen Aussagen ihrer Verantwortung gerecht. Sie, Herr Minister, sind Politiker. Worauf stützen Sie Ihre Aussagen? Wo ist Ihre Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger – sei es als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber –, wenn Sie einem Projekt wiederholt Ihre Zustimmung geben, dessen Risiken Sie gar nicht kennen

(Michael Roolf, FDP: Genauso.)

und soweit diese sichtbar werden, sich über diese hinwegsetzen?

Für den Gesundheitsfonds rechnen alle Experten damit, dass der künftig einheitliche Beitragssatz über dem heutigen durchschnittlichen der Krankenkassen liegen wird. Hierfür werden unter anderem folgende Argumente angeführt:

Mit der Einführung des Fonds müssen die Kassen entschuldet sein.

Der Gesundheitsfonds soll nach dem GKV-WSG auskömmlich ausgestattet sein.

Aufgrund der Änderung des Vertragsarztrechtes vom 1. Januar 2009 wird die ärztliche Vergütung im ambulanten Bereich grundsätzlich verändert. Anstelle des bisherigen einheitlichen Bewertungsmaßstabes, EBM, mit Punktwerten und gedeckelten Budgets erfolgt die Honorierung der ambulanten medizinischen Leistungen künftig zu festen Beträgen in Euro. Für die gleiche Leistung erhalten alle niedergelassenen Vertragsärzte ein annähernd gleiches Honorar. Da die Budgetbegrenzung fällt und sich die Gesamtvergütung für die niedergelassenen Ärzte an der Morbidität der Versicherten orientieren soll, wird ein veränderter Gesundheitszustand der Patienten eine höhere Honorarsumme erfordern. Experten schätzen die zusätzlichen Ausgaben für die ambulante Versorgung auf 2,5 bis 5 Milliarden Euro pro Jahr. Für das Jahr...

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Na selbstverständlich hat das damit etwas zu tun.

Für das Jahr 2009 hat die Bundesgesundheitsministerin den niedergelassenen Ärzten 2,7 Milliarden Euro zugesichert. Das hat jetzt natürlich etwas, ich weiß jetzt nicht, wo der Einwurf herkam, mit den Beitragssätzen zu tun, nämlich mit einem Anstieg von 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten.

(Jörg Heydorn, SPD: Aber nicht mit dem Fonds.)

Woraus werden die dann wohl bezahlt die Prozentpunkte, vorweg dann diese Honorare?

(Jörg Heydorn, SPD: Woraus würden Sie das bezahlen, wenn der Fonds nicht kommt?)

Es steht ferner – nächstes Thema – die finanzielle Entlastung der Krankenhäuser an.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Die Mitarbeiter der Krankenhäuser demonstrieren ja heute in Berlin. Die Bundesgesundheitsministerin hat ihnen rund 3 Milliarden Euro, ich will das gern hier präzisieren, also 3,2 Milliarden Euro, kurzfristige Finanzhilfen in Aussicht gestellt. Damit würde der einheitliche Beitragssatz um weitere 0,3 Prozent steigen. Zugleich sollen die Krankenhäuser von dem Sanierungsbeitrag für die Krankenkassen entlastet werden, das sind 0,5 Beitragspunkte, mit dem das gesetzliche Krankenkassenweiterentwicklungsgesetz die Krankenhäuser ab Juli 2007 belastet hatte.

Die Arzneimittelausgaben sind auch gegenwärtig der Hauptverursacher für den Anstieg der Gesundheitsausgaben. Sowohl das Institut IGES als auch der Verband Forschender Arzneimittelhersteller rechnen für das Jahr 2009 mit einem Anstieg der Arzneimittelausgaben um 8 Prozent. Das würde den einheitlichen Beitragssatz um weitere 0,2 Prozent erhöhen.

Daraus könnte sich zum 01.01.2009 eine Erhöhung des durchschnittlichen Beitragssatzes von gegenwärtig 14,8

auf 15,5 bis 16,1 Prozent ergeben, der dann hälftig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufzubringen ist. Der Zusatzbeitrag für den Zahnersatz in Höhe von 0,9 Prozent, der allein von den gesetzlich Krankenversicherten zu tragen ist, kommt für diese noch hinzu. Daran sei an dieser Stelle zu erinnern.

Für annähernd 80 Prozent der Versicherten wird die Einführung des Fonds folglich mit steigenden Beitragssätzen verbunden sein. Die bereits heute deutlich höheren Belastungen für die Versicherten werden damit verfestigt. Im Gegensatz zu den propagierten Zielen der Regierungsparteien werden damit auch die Nettolöhne und Nettogehälter weiter sinken. Herr Roolf hat darauf ausdrücklich Bezug genommen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das stimmt. – Michael Roolf, FDP: Richtig, ganz genau.)

Eine weitere Beitragssatzerhöhung um fast einen Prozentpunkt belastet nicht nur die abhängig Beschäftigten, sondern auch die Arbeitgeber und Freiberufler in Mecklenburg-Vorpommern. Bei Betrieben ohne finanziellen Spielraum, und da gibt es viele, kann es tatsächlich zum Abbau von Arbeitsplätzen oder Insolvenzen kommen.

(Michael Roolf, FDP: Richtig.)

Sinkende Steuereinnahmen, sinkende Kaufkraft, wirtschaftlicher Abschwung und zunehmende Arbeitslosigkeit könnten die weiteren Folgen für Mecklenburg-Vorpommern werden.

(Michael Roolf, FDP: Genau so.)

Das ist eine traurige Bilanz für das Land, in dem heute schon über 17 Prozent der Bevölkerung Sozialleistungen erhalten. Sozialleistung, das ist für mich noch einmal ein Stichwort, und zwar das Sozialgesetzbuch XII, denn die Kommunen zahlen die Versicherungsbeiträge. Und wenn die steigen,

(Michael Roolf, FDP: Die steigen.)

dann steigen auch die Beiträge, die die Kommunen zu entrichten haben.

(Michael Roolf, FDP: Genau.)

Wenn Sie sagen, Herr Sellering, wir werden voraussichtlich in dieser gesamten Modellrechnung übers Land gerechnet 14 Millionen Euro gutmachen,

(Michael Roolf, FDP: Das ist Quatsch! Quatsch!)

dann muss dagegengerechnet werden, dass die Kommunen mehr zu bezahlen haben. Das ist das alte Spiel. Auf der Bundesebene wird etwas angeleiert

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

und am Ende der Kette, jetzt in Anführungsstrichen, sind die Kommunen, die Arbeitnehmer und die Unternehmer diejenigen, die die Zeche für falsche Bundesentscheidungen zahlen müssen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wer zahlt das?)

Das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Irene Müller, DIE LINKE: Deswegen haben wir uns mit der SPD auch so gestritten.)

Sehr geehrte Damen und Herren, diese Finanzierungslücken im Gesundheitswesen, also von Neubrandenburg

weiß ich, dass die im Moment dabei sind nachzurechnen, Modellrechnungen. Wie sieht das für die Kommune Neubrandenburg im Jahre 2009 aus? Gerade haben sie es auf den Tisch bekommen, sie sollen 5 Millionen Euro an sogenannten freiwilligen Leistungen einsparen. Diese sogenannte Einsparleistung wäre dann schon wieder obsolet, wenn man auf das Jahr 2009 schaut, da die Daumenschraube dann noch fester angezogen wird. Wo das wohl noch hinführen soll? Ich halte das für eine unverantwortliche Politik.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)