Protokoll der Sitzung vom 22.10.2008

Der Datenschutzbeauftragte unseres Landes hatte sich Anfang September mit einem Schreiben an die Landtagsfraktion gewandt

(Peter Ritter, DIE LINKE: Für eine gemeinsame Aktion geworben.)

und zahlreiche, aus unserer Sicht sehr konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Situation unterbreitet. Angesichts der von mir aufgezählten Vorfälle, die nur die Spitze des Eisbergs sein dürften, ist eine umfassende Debatte um und über das Thema Datenschutz mehr als überfällig.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Zu einer solchen Debatte müssen dann auch alle Beteiligten an einen Tisch geholt werden, denn nur gemeinsam lassen sich Lösungen finden, die nicht nur effektiv und nachhaltig, sondern auch umsetzbar sind, meine Damen und Herren. Insofern schlagen wir vor,...

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ja, Frau Borchardt, Sie können ja gleich.

... dass die Landesregierung einen Datenschutz gipfel durchführt, an dem nicht nur die Vertreter des Landtages und der Regierung, sondern auch die Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft, interessierte Verbände und natürlich auch der Landesdatenschutzbeauftragte teilnehmen sollen. Dieser Gipfel bietet uns die Möglichkeit, intensiv zu diskutieren und Lösungen zu entwickeln. Vor allem aber trägt die öffentliche Diskussion, die mit so einem Gipfel einhergehen wird, zu einer weiteren Sensibilisierung der Bevölkerung bei.

Ich bitte Sie abschließend daher um Unterstützung im Interesse des Datenschutzes und im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke, Herr Leonhard.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort hat zunächst gebeten der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Caffier. Herr Caffier, Sie haben das Wort.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Herr Caffier wird uns jetzt sagen, dass er das alles gut findet und das einbringen wird.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ausgelöst durch mehrere Urteile deutscher Gerichte in den vergangenen Monaten sowie eine Häufung von Datenschutzverstößen im privatwirtschaftlichen Raum – Herr Leonhard hat eine Reihe aufgezählt aus der jüngsten Vergangenheit –, die in ihrer Brisanz einmalig sind, lässt sich heute feststellen, dass die Belange des Datenschutzes in letzter Zeit viel mehr in die öffentliche Diskussion gerückt wurden, als dies zuvor der Fall war. Es scheint so, als hätte sich das ursprüngliche Konzept des Bundesdatenschutzgesetzes, nach dem Prinzip der persönlichen Verantwortlichkeit jedermann selbst die Verantwortung für den Umgang seiner personenbezogenen Daten zu überlassen, nicht hundertprozentig bewährt.

Der seinerzeitige Ruf – auch hier im Landtag, darauf komme ich noch – nach Staatsferne im Bereich der Daten, auch im privatwirtschaftlichen Bereich, der Staat habe im Umfeld der privaten Datenerhebung, -nutzung und -verarbeitung nichts zu suchen, wird mehr und mehr abgelöst durch den Ruf nach härteren Sanktionen, Besserstellung der Aufsichtsbehörden in personeller und materieller Hinsicht und insgesamt höherer Durchschlagskraft staatlicher Stellen.

Am 4. September 2008 fand bei Bundesinnenminister Dr. Schäuble ein hochrangiges Treffen mit Datenschutzexperten statt, in dessen Folge eine Bund-LänderArbeitsgruppe gebildet worden ist, die den datenschutzrechtlichen Forderungen Rechnung tragen soll und kurzfristig eine Änderung zum Bundesdatenschutzgesetz durchführen soll. Diese Arbeitsgruppe hat sich in der vorvergangenen Woche zum ersten Mal in Potsdam getroffen und bereits ein Konzept erarbeitet.

Die Frage, die durch den Antrag der FDP-Fraktion aufgeworfen wird, ob ein Datenschutzgipfel in Mecklenburg notwendig ist, bedarf einer genaueren Betrachtung. Der Landtag hat im Oktober 2004 beschlossen – der Antragsteller war seinerzeit noch nicht Teil des Hohen Hauses, deshalb weise ich noch mal darauf hin –, dass die Zuständigkeit für die Aufsicht für den nicht öffentlichen Bereich des Datenschutzes, um den es hier in erster Linie geht, vom Innenministerium auf den Landesbeauftragten für den Datenschutz übergeht. Mit anderen Worten, dieser und nicht die Landesregierung ist die zuständige Stelle für Datenschutzfragen im Zusammenhang mit der Wirtschaft.

(Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Ich erinnere mich noch gut an die Diskussion im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Aufgabenübertragung. Die vermeintlich größere Unabhängigkeit und Staatsfreiheit des Datenschutzbeauftragten im Verhältnis zum Innenministerium war nicht zuletzt ein Kriterium der seinerzeitigen Landesregierung und des Gesetzgebers für die Aufgabenübertragung. Und nun soll sich plötzlich ohne gesetzlichen Auftrag die Landesregierung um die Austragung eines Datenschutzgipfels bemühen. Wären wir vor Gericht, würde es heißen, falscher Antragsgegner, unzulässiger Antrag, der Antrag wird abgelehnt.

Dem Landesbeauftragten für Datenschutz bleibt es selbstverständlich unbenommen, sich mit anderen Experten zu treffen und die Ergebnisse dieser Gespräche zu publizieren.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Für die Landesregierung und hier im Haus fehlt in diesem Zusammenhang jedwede Zuständigkeit. Bleiben wir noch mal in der Gerichtssprache: Der Antrag, einen Datenschutzgipfel in Mecklenburg-Vorpommern zu veranstalten, erscheint auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten einfach überzogen.

Da soll zunächst laut Antrag eine Bewertung der Datenschutzskandale der jüngsten Zeit vorgenommen werden. Es bleibt doch jedermann, sei er nun im Datenschutzgeschäft tätig oder nicht, unbenommen, die Ereignisse zu bewerten. Dies wird auch derzeit praktiziert. Sowohl in Fachzeitschriften als auch in der allgemeinen Presse vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine Auseinandersetzung mit dem Thema vorgenommen würde. Verstehen Sie mich bitte hier nicht falsch, ich halte diese Auseinandersetzung für wichtig und auch für richtig. Aber was soll eine Bewertung im Rahmen eines Datenschutzgipfels an zusätzlichem Erkenntnisgewinn bringen? Entscheidend zum derzeitigen Zeitpunkt ist doch, dass der Bundesgesetzgeber auf die Vorkommnisse reagiert, damit zukünftig weitere Verstöße ausgeschlossen oder zumindest minimiert werden, denn eine hundertprozentige Sicherheit wird es wahrscheinlich, so, wie Herr Obermann gesagt hat, nicht in jedem Fall geben. Das ist das Gebot der Stunde und nicht die Schaffung eines Forums für Datenschutzexperten, um noch mal ihre Meinung zu den Ereignissen darzustellen.

Der Antrag fordert als weiteres Ziel des Gipfels die Festlegung eines Evaluierungskatalogs für das Landesdatenschutzgesetz. Auch dafür bedarf es keines Gipfels. Zunächst betreffen die vom Antrag bezeichneten Vorfälle ausschließlich den Bereich der Privatwirtschaft, für den das Bundesdatenschutzgesetz gilt. Das Landesdatenschutzgesetz dagegen regelt den Umgang mit personenbezogenen Daten innerhalb der öffentlichen Verwaltung. Um diesen geht es jedoch in Ihrem Antrag ersichtlich nicht.

Im Übrigen verfügt die Landesregierung durchaus über Instrumentarien, die es ermöglichen, auch ohne Datenschutzgipfel geltendes Recht zu evaluieren. Da haben wir zunächst die Koalitionsvereinbarung. In dieser ist festgeschrieben, dass der Prozess der Deregulierung und des Bürokratieabbaus vorangetrieben wird und weitere Deregulierungsgesetze zu erarbeiten sind. Namentlich wird dort das Landesdatenschutzgesetz genannt und ich kann Ihnen versichern, dass die interministerielle Arbeitsgruppe Deregulierung und Bürokratieabbau in puncto Landesdatenschutzgesetz schon konstruktive Gespräche mit den kommunalen Landesverbänden geführt hat beziehungsweise führt. Sobald diese sich verfestigt haben, wird die Landesregierung ihrem Auftrag nachkommen und in Zusammenarbeit mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, denn der ist hier der jeweilig Zuständige, ein evaluiertes Landesdatenschutzgesetz erarbeiten und Ihnen, meine Damen und Herren, hier im Hohen Haus zur Beratung vorlegen.

Zuletzt soll Ziel eines Datenschutzgipfels eine Bestandsaufnahme hinsichtlich der rechtlichen Stellung sowie der materiellen und personellen Ausstattung des Landesdatenschutzbeauftragten sein. Eine Bestandsaufnahme ist ein Begriff aus der Buchführung und wird in der Wirtschaft üblicherweise im Zusammenhang mit einer Inventur gebraucht. Er bedeutet die statistische Erfassung eines Istzustandes und ist einer Wertung oder Bewertung

nicht zugänglich. Eine Bestandsaufnahme der materiellen und personellen Ausstattung des Datenschutzbeauftragten kann mit einem Blick in den Haushalt der Landtagsverwaltung vorgenommen werden. Das Kapitel ist den Fachexperten hinreichend bekannt. Für die rechtliche Stellung des Datenschutzbeauftragten bedarf es eines Blickes in das Landesdatenschutzgesetz, siehe Paragraf 29.

Ich kenne sehr wohl das Schreiben des Landesdatenschutzbeauftragten an die Fraktionen, welches auch meinem Ministerium nachrichtlich übermittelt worden ist. In diesem Schreiben wird unter anderem eben auch eine personale und sachliche Aufstockung der Behörde des Landesamtes für Datenschutz gefordert. Daher gehe ich davon aus, dass die Antragsteller mit dem Begriff der Bestandsaufnahme durchaus etwas anderes meinen, nämlich ein Nachdenken über die Frage, ob und in welchem Maße dem Landesbeauftragten durch Gesetz weitere Aufgaben übertragen werden können, die zwangsläufig eine Erhöhung der Sach- und Personalkosten nach sich ziehen.

Insgesamt sehe ich somit keinen Anlass für die Landesregierung, einen Datenschutzgipfel für MecklenburgVorpommern einzuberufen. Erstens besteht für die Landesregierung keine Zuständigkeit mit Blick auf den nicht öffentlichen Bereich und zum anderen stünde der Aufwand in keinem Verhältnis zu dem von der Antragstellerfraktion angegebenen Ziel der Veranstaltung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Abschließend verweise ich darauf, dass alle Fraktionen die Möglichkeit haben, im Rahmen der Haushaltsberatung natürlich genau diese Thematiken, wenn es um Personal oder Ressourcen geht, auch mit einzubringen beziehungsweise zu diskutieren. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dankert von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nein, ich werde meine gesamte Rede nicht halten, auch, weil es spät ist, und vor allen Dingen, weil sehr viel gesagt wurde.

Wir sind alle mit den Segnungen der Informationsgesellschaft manchmal recht zufrieden, aber wirksamer Datenschutz schafft auch Vertrauen bei den Bürgern. Und dieses Vertrauen, denke ich mal, ist im Moment nachhaltig erschüttert. Viele Bürger wissen inzwischen einfach nicht, was mit ihren Daten passiert beziehungsweise auch betrieben wird. Insbesondere durch die Skandale der letzten Monate und vielleicht auch Jahre ist deutlich geworden, welche Probleme wir im Datenschutz haben, und ich verweise da einfach auf die Aufzählung von Herrn Leonhard, die war ja auch sehr bezeichnend.

Wenn überhaupt an diesen Vorfällen etwas Positives zu finden ist, dann vielleicht nur das, dass die Menschen inzwischen im Hinblick auf die Preisgabe ihrer persönlichen Daten sensibler geworden sind. Und da muss man auch in aller Ruhe an den Problemen arbeiten.

In dem Antrag der FDP, meine Damen und Herren, wird ja nur die Landesregierung aufgefordert, einen Daten

schutzgipfel für unser Land einzuberufen. Zur Zuständigkeit ist alles gesagt worden. Aber wenn in solchen Zeiten nach einem Gipfel gerufen wird, erwartet die Öffentlichkeit zu Recht Lösungen, ernsthafte Antworten und langfristige Lösungsvorschläge für den Umgang mit Daten. Das ist nicht so ganz einfach, meine Damen und Herren, insbesondere von der FDP. Vielleicht wollen Sie auch den Eindruck erwecken, dass noch nicht genug getan wurde. Dabei sind schon längst erste Maßnahmen getroffen. Ich weise auf die Konferenz beim Bundesinnenministerium hin. Zum Beispiel ist die Abschaffung des Listenprivilegs beschlossen worden, die Einführung eines gesetzlichen Kopplungsverbots für marktbeherrschende Unternehmen, die Bußgeldtatbestände sollen erweitert werden und die Möglichkeiten des Eingriffs bei Abschöpfung unrechtmäßiger Gewinne aus illegaler Datenverwendung sollen verbessert werden. Das sind nur mal beispielsweise vier Punkte, wo man sich bundesweit schon auf einen Weg gemacht hat.

Vielleicht wollen Sie auch suggerieren, dass im Lande nicht genug getan wird, aber auch da sind wir auf dem Weg. Unser Landesbeauftragter für den Datenschutz – ich sage bewusst, „unser“, nämlich des Landtages – hat bereits vor wenigen Wochen zahlreiche konkrete Vorschläge zur Verbesserung gemacht und den Fraktionen zugeleitet. Wir haben es gehört. Diese Vorschläge diskutieren wir alle – die einen mehr, die anderen weniger – und zudem befassen sich die Ausschüsse mit dem Jahresbericht. Lassen Sie uns dort die gesamten aufgeworfenen Fragen diskutieren, dann können wir in Ruhe, sage ich mal, ein Maßnahmenpaket vorbereiten.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

Insofern gehen Ihre Inhalte nicht unter.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Genau, da gehören sie auch hin.)

Aber den Antrag als solches, einen Datenschutzgipfel von der Landesregierung zu machen, lehnen wir ab. Insofern bin ich am Ende meines Redebeitrages. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Dankert.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Měšťan von der Fraktion DIE LINKE.

(Vincent Kokert, CDU: Und auch so viele Zettel. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Und die hält sie auch noch durch. So sind wir. Wer Freitag freihaben will, muss heute durchhalten. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Herr Präsident, gestatten Sie mir eine Vorbemerkung, die ich Sie bitte, nicht von meiner Redezeit abzuziehen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Harry Glawe, CDU: Das ist eine Drohung schon.)